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Spatz auf dem Mond. Die Sonde „Sparrow“ ist klein und kann nicht viel. Aber sie kann Israel zur vierten Mondnation machen.
© T. Coex/AFP

Raumfahrt: Die nächste Nation auf dem Mond? Israel hat gute Chancen

Der dankbare vierte Platz: Es gibt wieder einen Wettlauf zum Mond. Viel spricht dafür, dass Israel statt Indien das Rennen macht.

Die drei Medaillen sind vergeben. Gold an die USA, Russland – oder eigentlich: die Sowjetunion – hat Silber sicher, China seit 2013 Bronze. Es sind die drei Nationen, die bisher wissenschaftliche Geräte – im Falle der USA auch Wissenschaftler – per sanfter Landung auf den Mond gebracht haben. Wer die vierte sein wird, entscheidet sich in einem Rennen zum Trabanten, das etwas geräuscharmer abläuft als das in den sechziger Jahren. Aber wer denkt, etwa Europa als Nationenverbund oder Japan oder Kanada oder ein reicher Golfstaat seien daran beteiligt, lebt ein bisschen hinter dem … also: Er oder sie irrt sich. Stattdessen entscheidet es sich wohl zwischen Indien und Israel.

Der Besuch des neuen Nasa-Chefs

Beide wollen bald eine Lande-Mission starten. Und einiges spricht – nachdem kürzlich der Start von Indiens Chandrayaan-2 erneut verschoben werden musste – dafür, dass Israel das Rennen macht. Überhaupt sind die Weltraum-Ambitionen des Landes weit ausgeprägter, als man angesichts dessen, was die Nachrichten aus der Region seit Jahrzehnten bestimmt, vielleicht denken mag.

Seit ein paar Monaten hat die US-Raumfahrtagentur Nasa einen neuen Direktor, den Ex-Kongressabgeordneten James Bridenstine. Mitte Juli unternahm er seinen ersten Auslandsbesuch. Er flog nicht etwa zur Esa in Old Europe oder gar nach Moskau, auch nicht nach Peking, sondern nach Israel. Das war alles andere als Zufall – nicht nur, weil das Land im Nahen Osten ein wichtiger politischer Verbündeter der USA ist: „Obwohl Israel so klein ist, kann es als eines von wenigen Ländern der Welt Satelliten bauen, starten und betreiben“, sagt Asaf Agmon, Leiter des „Fisher Brothers Institute for Air and Space Strategic Studies“, einer israelischen Nichtregierungsorganisation für Raumfahrtstudien. „Und bis 2020“, ergänzt Sebastian Kleim vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), „will Israel im Kreis der weltweit führenden Raumfahrtnationen etabliert sein.“

Start geplant für Dezember

Wenn alles glattgeht, so eine Mitteilung, die ein paar Tage vor Bridenstines Besuch veröffentlicht wurde, startet die israelische Raumsonde Sparrow („Spatz“) schon im Dezember mit einer SpaceX-Falcon-9-Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida, dreht ein paar Runden um die Erde und landet am 13. Februar sanft auf dem Mond. Entwickelt wurde sie von „SpaceIL“, einer Gruppe israelischer Raumfahrtenthusiasten um den Software-Unternehmer und Milliardär Morris Kahn, ursprünglich, um damit am Google-Lunar-X-Prize-Wettbewerb teilzunehmen. Dessen millionenschweres Preisgeld sollte an jenes Team gehen, das als erstes eine aus privaten Mitteln finanzierte Raumsonde auf dem Mond landet, eine gewisse Strecke über die Oberfläche fährt und Bilder von ihr zur Erde sendet. Doch die mehrfach verlängerte Frist lief im März dieses Jahres ab, ohne dass ein Team erfolgreich war.

Die Israelis machten trotzdem weiter. Mit der staatlichen Raumfahrtagentur Isa und dem staatlichen Raumfahrtkonzern IAI als Partner und nach Investitionen von insgesamt rund 95 Millionen US-Dollar sind sie inzwischen weitgehend startklar. Mit nur eineinhalb Meter Höhe und knapp 600 Kilogramm Gewicht – zwei Drittel davon Treibstoff –, würde der Spatz die kleinste Sonde sein, die je auf dem Mond landete. Außer zu fotografieren und ein paar Magnetfeldmessungen durchzuführen, soll er aber auch nichts weiter tun, als eine israelische Flagge zu hissen. Es geht also vornehmlich darum, zu zeigen, dass man es kann.

Auch bei sonstigen Raumfahrtprogrammen ist Israel auf kleine, effiziente Technik spezialisiert. Das gilt als besonders zukunftsträchtig, weil man im All immer möglichst leicht unterwegs sein will, um Treibstoff und damit viel Geld zu sparen. Seit Gründung der Isa im Jahr 1983 hat sie in Zusammenarbeit mit der IAI schon über 20 zivile und militärische Satelliten gestartet, die meisten zum Zweck von Telekommunikation und Erdbeobachtung und -erforschung. Eros, Amos, Ofek und Techsat heißen diese Geräte zum Beispiel.

Sie wiegen vergleichsweise leichte 0,5 bis fünf Tonnen. Und in Zukunft soll es noch kleiner gehen. Aktuell arbeiten die Israelis an sogenannten Nanosatelliten, die maximal zehn Kilogramm wiegen, dank miniaturisierter Sensor- und Funktechnik aber dennoch jede Menge Daten liefern.

Kleines Budget, kleine Sonden

Das Budget der israelischen Raumfahrtagentur beträgt bescheidene 48 Millionen US-Dollar im Jahr (zum Vergleich: das der Nasa liegt bei 19 Milliarden Dollar). Trotzdem spielt man eine nicht zu vernachlässigende Rolle auch an den ganz großen Rädern, an denen die Raumfahrt dreht. Dazu gehört auch die erste bemannte Reise zum Mars, die federführend die Nasa langsam und mehr oder weniger stetig vorbereitet.

So haben die Israelis nicht nur das Kühlsystem gebaut, mit dem der Rover Curiosity seit sechs Jahren auf dem Mars unterwegs ist. Anfang dieses Jahres simulierten sie im Ramon-Krater in der Negev-Wüste auch das Leben in einer Raumstation auf dem Mars: Sechs Wissenschaftler verbrachten vier Tage dort und verließen die Station nur in Raumanzügen, um Sand- und Gesteinsproben zu nehmen. Sie probierten Technologien zur Satellitenkommunikation und Strahlenmessung aus, testeten Methoden, wie man Leben im Boden finden könnte und versuchten auch zu ergründen, wie man in einer kleinen Gruppe auf engstem Raum auf Dauer miteinander klarkommen kann. Nach Abschluss der Simulation verblieb die Station im Krater, um fortan Abiturienten und Studenten für die Raumfahrt zu begeistern.

„Enorm wichtig für das Gelingen einer bemannten Mars- oder auch Mondreise ist außerdem der Strahlenschutz“, sagt Sebastian Kleim vom DLR. In diesem Bereich arbeiten seine Insitution, Nasa und Isa an einem gemeinsamen Projekt, dem „Matroshka AstroRad Radiation Experiment“, kurz Mare: Mit der ersten unbemannten Mission des neuen US-Raumschiffs Orion sollen im Juni 2020 zwei „Phantome“ zum und um den Mond fliegen. Es sind Imitate des menschlichen Körpers, die Crashtest- Dummys ähneln. Am DLR wurden sie entwickelt und an ihnen soll getestet werden, welchen Strahlendosen die Astronauten später auf bemannten Flügen ausgesetzt sein werden – und wie man sie am besten davor schützen könnte. Dafür haben die Israelis Strahlenschutzwesten entwickelt. Ein Phantom wird eine davon tragen, das andere nicht. Umfangreiche Sensorik soll dann darüber Auskunft geben, was die Weste bringt.

Natürlich würden die Israelis gern auch einen Astronauten mit zum Mond oder zum Mars schicken – jede Raumfahrtagentur der Welt schmückt sich gern mit „ihren“ Männern oder Frauen im All, die neue Horizonte für die Menschheit entdecken. Es wäre dann erst der zweite Israeli im All. 2003 war der Kampfjetpilot Ilan Ramon als Nutzlastspezialist mit sechs anderen Astronauten auf der Raumfähre Columbia zwei Wochen im Erdorbit unterwegs und führte rund 80 Experimente durch. Unter anderem erforschte er den Einfluss von Staubpartikeln in der Atmosphäre auf die Erderwärmung.

Das Vermächtnis des Ilan Ramon

Die Columbia aber brach eine Viertelstunde vor dem geplanten Landezeitpunkt – verursacht durch eine fehlende Kachel im Hitzeschild – beim Wiedereintritt in die Atmosphäre am 1. Februar 2003 auseinander. Alle sieben Besatzungsmitglieder starben. Als wäre das nicht genug Tragik für eine Familie und eine so kleine Raumfahrtnation, kam sechs Jahre später auch Ramons 21-jähriger Sohn Asaf, ebenfalls Kampfjetpilot, bei einem Trainingsflug ums Leben. Er wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und ebenfalls ins All fliegen. Ganz Israel hatte seinen Werdegang verfolgt – und nahm dann wie bei seinem Vater Anteil an seinem Tod.

Bei seinem Besuch in Israel traf Nasa-Chef Bridenstine auch Ilan Ramons Witwe Rona. Sie hat im Gedenken an ihren Mann und ihren ältesten Sohn eine Stiftung gegründet, die junge Israelis inspirieren und ausbilden will, um das Land auf den Spuren von Ilan und Asaf voranzubringen. „Unsere Mission im All ist noch nicht zu Ende“, sagte sie. Ilan sei der erste Israeli im All gewesen. Das bedeute, „dass es noch mehr geben wird“.

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