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Kondensstreifen an Himmel über Potsdam. Verschwörungstheoretiker sehen darin "Chemtrails", mit denen "die Regierung" oder andere Verdächtige entweder das Wetter oder die Gedanken kontrollieren sollen.
© dpa (Ralf Hirschberger)

Berliner Preis für Pseudoforscher: Und der Goldene Aluhut geht an ...

Heilende Einhörner und Homöopathie gegen Ebola – eine Berlinerin vergibt Preise für die skurrilsten pseudowissenschaftlichen Theorien.

Bei Krankheit, Liebeskummer oder Weltschmerz gibt es endlich ein Gegenmittel: die Lichtenergie der Einhörner. Und weil die Wrage GmbH ein Tagesseminar zum Erlernen dieser Einhorn-Heilkräfte anbietet, wird ihr eine besondere Ehre zuteil. Das Hamburger Esoterikunternehmen gehört zu den Gewinnern des erstmals verliehenen „Goldenen Aluhuts“, der die skurrilsten Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaften des Jahres auszeichnet. Am Freitag wird der ironisch gemeinte Preis feierlich in Berlin verliehen – auch wenn die Preisträger es vorziehen, der Veranstaltung fernzubleiben.

Mit dem Aluhut gegen Gedankenkontrolle

Der Aluhut ist ein in der Popkultur bekanntes Symbol. Es gibt Menschen, die sich damit gegen die Kontrolle der eigenen Gedanken durch fremde Mächte abzuschirmen versuchen. Organisiert wird der Preis von Giulia Silberberger und ihren Mitstreitern. Die 34-jährige Berlinerin hatte im Sommer auf Facebook zunächst Vorschläge für potenzielle Preisträger gesammelt. Die schließlich Nominierten wurden auf fünf Preiskategorien aufgeteilt. Rund 7000 Menschen stimmten Silberberger zufolge über den Gewinner ab.

So gewann die Einhorn-Therapie überlegen in der Kategorie Esoterik, Gedankenkontrolle und Pseudowissenschaften. Dabei gab es ernst zu nehmende Konkurrenz wie den Autoren Dieter Bremer. Der Mann behauptet auf seiner Website, die sagenumwobene Stadt Atlantis sei in Wahrheit ein Raumschiff gewesen.

The Winner is: "Reichsbürger" Xavier Naidoo

Ebenfalls abgeräumt hat der Kopp-Verlag in der Kategorie Medien und Blogs. Ob Krebstherapien mit Vitaminen, Alien-Sichtungen oder Hetze gegen Flüchtlinge und Journalisten: Verlagsgründer Jochen Kopp bietet abseitigen Autoren eine Plattform und bekam deshalb 50 Prozent der Stimmen.

Nur in der Kategorie „Rechtsesoterik, Reichsbürger und BRD-GmbH“ war das Ergebnis noch eindeutiger: Mit 61 Prozent der Stimmen fuhr Soulsänger Xavier Naidoo den eindeutigsten Sieg ein. Naidoo war vor „Reichsbürgern“, einem losen, aber wachsenden Zusammenschluss von Rechtspopulisten, aufgetreten.

Nicht nur amüsante Spinner

Eng dagegen war das Abstimmungsergebnis in der Kategorie Chemtrails. Die Chemtrailer sehen in den Kondensstreifen, die Flugzeuge am Himmel hinterlassen, Chemikalien zur Kontrolle von (wahlweise) Wetter oder Erdbevölkerung. Die in der Szene besonders aktive Künstlerin Ria den Breejen gewann knapp. In der Kategorie Medizin setzte sich die Gruppe „Impfen? Nein, Danke!“ hauchdünn vor Richard Hiltner durch, der die Ebola-Epidemie in Westafrika mit homöopathischen Mitteln hatte stoppen wollen.

Was für Außenstehende amüsant klingt, hat einen ernsten Hintergrund: „Sekten und Verschwörungstheorien sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Silberberger und spricht von einer regelrechten „Epidemie“ in den sozialen Netzwerken. Die gelernte PR-Frau weiß, wovon sie spricht: Sie wuchs bei den Zeugen Jehovas auf und konnte sich erst nach jahrelangem Kampf aus der engen Umklammerung der Glaubensgemeinschaft befreien. In ihrem Blog dergoldenealuhut.de setzt sich Silberberger kritisch mit Verschwörungstheorien auseinander. Zudem ist die Website, für die inzwischen zwölf ehrenamtliche Redakteure arbeiten, Anlaufpunkt für Menschen, die sich selbst oder deren Bekannte sich in Sekten und Verschwörungsgruppen verloren haben.

Preisvergabe im Pfefferberg

„Die Leute bedanken sich für unsere Arbeit“, sagt Silberberger. Sie will nun ihr kleines Unternehmen in eine gemeinnützige Stiftung umwandeln. „Der Bedarf ist da.“ Im nächsten Jahr soll die Preisverleihung in deutlich größerem Maßstab stattfinden. Zu der diesjährigen Aluhut-Gala am Freitag im (ausverkauften) Pfefferberg werden 160 Menschen erwartet.

Die Preisträger selbst hätten ihre Einladungen jedoch ignoriert, sagt Silberberger. „Ich habe angeboten, dass sie selbst reden können, wenn wir anschließend eine sachlich moderierte Diskussionsrunde führen.“ Doch dazu wird es zu ihrem Bedauern wohl nicht kommen. (AFP)

Sebastian Huld

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