Der wohltemperierte Klimaschutz: UN-Klimaschutzziel liegt nahe am Kosten-Nutzen-Optimum
Das Zwei-Grad-Klimaziel wird als ökonomisch zu anspruchsvoll kritisiert. Eine neue Gewichtung des Wohlstands künftiger Generationen ändert das Bild.
William Nordhaus wurde im Jahr 2018 mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet, „für die Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse“. Der Wirtschaftsprofessor an der US-amerikanischen Yale University hatte unter anderem das DICE-Computermodell entwickelt, „um den effizienten Weg zur Bewältigung des Klimawandels zu bestimmen“, wie er auf seiner Homepage beschreibt. Neue Berechnungen mit dem Modell weisen nun jedoch einen anderen Weg.
„Wir haben das DICE-Modell aufgeschnürt, gründlich überprüft und einige wichtige Aktualisierungen vorgenommen“, sagt Martin Hänsel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Ergebnisse der aktualisierten Version stimmten gut mit dem Ziel der Vereinten Nationen überein, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, sagt der Hauptautor der im Fachmagazin „Nature Climate Change“ veröffentlichten Studie.
Im Kern geht es um die Frage, wo die Balance zwischen den Kosten für Klimaschutz und den Kosten für Klimaschäden liegt. Investitionen in die Umstellung der Wirtschaftsweise und Verluste im treibhausgasintensiven „Business as usual“ stehen der Vernichtung von Wohlstand künftiger Generationen gegenüber.
Höhere Klimaschäden erwartet
Nordhaus war zum Ergebnis gelangt, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf 3,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 Kosten und Nutzen der notwendigen Maßnahmen optimal vereint. Die neuen Berechnungen des internationalen Forschungsteams ergeben dagegen, dass der optimale Wert zwischen 1,5 und 1,8 Grad Celsius liegt.
Wie gelangen die Forschenden zu dieser Aussage? Zum einen wurden Modellkomponenten ausgetauscht, um den Kohlenstoffkreislauf auf dem heutigen Stand des Wissens abzubilden. Zudem wurde die Funktion aktualisiert, durch die der vom Klimawandel verursachte Schaden berechnet wird.
„Die Schadensfunktion im DICE-Modell hatte eine Reihe methodischer Mängel“, wird Ko-Autor Thomas Sterner von der Universität Göteborg in einer Mitteilung des PIK zitiert. Die Behebung dieser Mängel lässt das aktualisierte Modell mit höheren Schäden rechnen. „Allein nach dem, was wir in den letzten zehn Jahren gesehen haben, ist die Annahme hoher klimabedingter wirtschaftlicher Schäden leider realistisch“, sagt Sterner.
„Wichtige Aktualisierung“
Ein weiterer tiefer Eingriff in die Funktionen des DICE-Modells betrifft die Berechnung heutiger materieller Werte im Vergleich zu materiellen Werten in der Zukunft. Das DICE-Model verwendet Diskont-Raten um den Wohlstand heutiger Generationen gegen den Wohlstand künftiger Generationen aufrechnen zu können.
Was wie eine mathematische Funktion aussieht, enthält eine Reihe Annahmen darüber, wie moralische Fragen beantwortet werden sollten. Die grundlegende Frage lautet, wie das Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder bewertet werden soll.
Die Aktualisierung des DICE-Modells basiert auf Expertenempfehlungen. Um zu objektiv geeigneten sozialen Diskontraten zu gelangen, haben die Autoren die ursprünglich im DICE-Modell verwendeten Parameter durch eine repräsentative Auswahl von Ergebniswerten einer Umfrage unter 173 Expertinnen und Experten ersetzt.
„Wir müssen unterschiedliche Ansichten darüber berücksichtigen, wie wir einen Ausgleich zwischen den Interessen heutiger und zukünftiger Generationen schaffen können“, sagt Moritz Drupp, Ko-Autor von der Universität Hamburg.
„Sowohl die Präferenzen für die intergenerationelle Gerechtigkeit als auch die Einschätzungen der Klimaauswirkungen basieren nun auf neuen empirischen Schätzungen und stellen somit eine wichtige Aktualisierung der DICE-Ergebnisse dar“, bewertet Johannes Emmerling vom European Institute on Economics and the Environment in Mailand die Studie. „Mit der hohen Präferenz für zukünftige Generationen erscheinen die Temperaturziele der Pariser Vereinbarungen auch aus der Perspektive einer wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse optimal.“
Konsequenzen für den Emissionshandel
Der niedrigere Grenzwert von weniger als zwei Grad Celsius Anstieg der globalen Mitteltemperatur bis 2100 ist das Hauptergebnis der Studie. Für die Umsetzung dieses in Paris im Jahr 2015 erklärten Ziels der Vereinten Nationen dürfte ein weiteres entscheidend sein: Die Änderungen am Modell lassen den Preis für Kohlendioxidemissionen steigen.
Während Nordhaus zu knapp 40 US-Dollar pro Tonne im Jahr 2020 gelangt war, errechnet das aktualisierte DICE-Modell einen Preis von über 100 Dollar – deutlich mehr als in den meisten Sektoren selbst in den ehrgeizigsten Regionen der Welt umgesetzt wird.
„Für Deutschland ist das Papier ein Wegweiser für unseren Klimaschutzplan. Wir debattieren über einen Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne, was zu wenig ist“, kommentiert Ulrike Kornek vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin das Ergebnis.
Für Ko-Autor Ben Groom von der Universität Exeter belegt die Studie, dass die Kohlendioxid-Preisgestaltung das entscheidende politische Instrument ist. „Unsere Studie bedeutet damit auch, dass eine ehrgeizigere Klimapolitik nötig ist, um zu vermeiden, dass wir unseren Kindern eine ungerechtfertigt hohe Last der Klimaauswirkungen hinterlassen“, sagt Groom. (mit smc)
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