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Der steigende Meeresspiegel bedroht die Existenz von Küstenbewohnern wie auf den Philippinen.
© Reuters/Renellyn Loaquinario

Einen Meter mehr, mindestens: Trotz CO2-Reduzierung steigt der Meeresspiegel zunächst weiter

Der Anstieg des Meeresspiegels wird erst sehr viel später stoppen, selbst wenn jetzt alle Länder die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens strikt umsetzen würden.

Bekannt ist: Der Ausstoß von Treibhausgasen führt zu einer Erwärmung und einem steigenden Meeresspiegel. Wie bedeutsam dabei sogar die Emissionen kleiner Zeiträume für den Pegelanstieg sind, das zeigen jetzt Forscher um Alexander Nauels vom Institut Climate Analytics in Berlin. Sie modellierten, wie hoch der Meeresspiegel bis zum Jahr 2300 steigen dürfte und welchen Anteil daran bestimmte Perioden, etwa die Jahre 2016 bis 2030, haben. Für diesen Zeitraum haben die Regierungen sich im Übereinkommen von Paris zu strengen Klimaschutzzielen verpflichtet. Die EU etwa will den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern. Doch die Berechnung der Forscher zeigt: Selbst wenn solche Beiträge erreicht werden, führen allein die weltweiten Emissionen der „Paris-Jahre“ am Ende zu rund 20 Zentimeter höheren Pegeln.

Mehr als die Hälfte davon, zwölf Zentimeter, gehen auf die fünf stärksten Emittenten zurück: China, USA, EU, Indien und Russland. Das zeige, dass der Ausstoß von Treibhausgasen allein in den ersten Dekaden des 21. Jahrhunderts einen substanziellen Anteil am langfristigen Anstieg des Meeresspiegels habe, schreiben die Forscher im Fachmagazin „PNAS“.

Drei Millimeter steigt der Meeresspiegel derzeit jährlich

Ihre Modellierung beginnt 1750, als die Emissionen aufgrund der Industrialisierung spürbar zunahmen. Anders als die meisten Temperaturmodelle, die oft nur bis zum Ende dieses Jahrhunderts schauen, ließ das Team die Computer weiterlaufen bis 2300. „Der Meeresspiegel reagiert deutlich langsamer als die Atmosphäre auf Veränderungen, daher müssen wir einen längeren Zeitraum anschauen“, erläutert Nauels.

Gegenwärtig beträgt der Anstieg des Meeresspiegels laut Weltklimarat IPCC rund drei Millimeter pro Jahr und geht vor allem zurück auf die temperaturbedingte Ausdehnung des wärmeren Wassers sowie schmelzende Gletscher. Die Beiträge durch Eisverlust in Grönland und in der Antarktis spielen noch eine untergeordnete Rolle, werden künftig aber zu den dominierenden Faktoren werden, erklärt Nauels. Aufgrund der langen Reaktionszeiten des Erdsystems sei selbst im Jahr 2300 noch nicht damit zu rechnen, dass sich beim Meeresspiegel ein Gleichgewicht eingestellt haben wird.

Es ist nicht die erste Studie, die die Pegel über 300 Jahre in die Zukunft fortzuschreiben versucht. Etliche Unsicherheiten müssen einkalkuliert werden. Dazu gehören die Treibhausgasemissionen, von denen keiner sagen kann, wie sie sich im Detail entwickeln und welche Temperatursteigerungen schließlich daraus folgen. Unsicher ist etwa auch, wie sich die Eismassen in Grönland und der Antarktis entwickeln werden und wie groß ihr Anteil zum Meeresspiegelanstieg tatsächlich sein wird.

Dementsprechend weit gehen die Prognosen in den bisherigen Modellen auseinander. Der jüngste IPCC-Sonderreport zu den Ozeanen und der Kryosphäre vom September 2019 zitiert Szenarien, die einen Meeresspiegelanstieg von 2000 bis 2300 zwischen knapp einem Meter und gut fünf Metern ermittelt haben.

Man kann noch etwas erreichen, wenn wir jetzt handeln

Nauels und Kollegen kommen auf etwa einen Meter Anstieg, einschließlich der genannten 20 Zentimeter, die auf die „Paris-Jahre“ zurückzuführen sind. Jedoch haben die Forscher in ihrer Berechnung die Emissionen nach 2030 auf null gesetzt, um den Effekt der „Paris-Jahre“ deutlich herauszuarbeiten. „Wir bieten einen eher konservativen Ausblick an“, sagt Nauels.

Werden die vereinbarten Ziele bis 2030 nicht erreicht und geht der Ausstoß von Treibhausgasen über diesen Zeitraum hinaus, was ziemlich sicher der Fall ist, muss mit einem stärkeren Anstieg des Meeresspiegels gerechnet werden – dies hat Folgen für Hunderte Millionen Küstenbewohner, wie erst kürzlich in einer Studie in „Nature Communications“ berichtet wurde. Dennoch stecke in der Untersuchung seines Teams durchaus auch eine positive Botschaft, meint Nauels: „Wir zeigen, dass wir noch etwas erreichen können, wenn wir jetzt handeln.“

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