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Regierungssitzung unter Wasser. Die PR-Aktion der Malediven vor zehn Jahren hat einer Studie zufolge neue Berechtigung: Sehr viel mehr Menschen als bislang gedacht werden 2100 von Überflutungen aufgrund des Klimawandels betroffen sein.
© picture-alliance/ dpa

Anstieg des Meeresspiegels bedroht mehr Küsten: Bremen und Hamburg dürften künftig jährlich überflutet werden

Neue Berechnungen legen nahe, dass der klimawandelbedingte Meeresanstieg 2100 viel mehr Küsten gefährden wird. 150 bis 250 Millionen Menschen seien bedroht.

Für Küstenstädte und ihre Bewohner könnten die Gefahren eines steigenden Meeresspiegels sehr viel höher sein als bisher angenommen. Das legen Berechnungen nahe, die am Dienstag im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlicht wurden. Benjamin Strauss und Scott Kulp von der gemeinnützigen Agentur Climate Central in Princeton haben dafür eine Methode angewandt, die auf genauen Messungen und maschinellem Lernen beruht.

Aussagen zu potenziellen Gefahren eines steigenden Meeresspiegels beruhten bisher auf einem Datensatz der Nasa, der im Jahr 2000 im Rahmen der Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) gesammelt wurde. Weil er die Höhenangaben von Flächen enthält, die dem Himmel am nächsten sind, also auch Baumkronen und Dächer, wurde die Höhe der Küstenlinie bislang systematisch überschätzt – „für dünn besiedelte Küsten um mehr als zwei Meter, für Ballungsräume um mehr als vier Meter“, sagt Scott Kulp.

Bis zu 150 Millionen Menschen betroffen

In dreijähriger Arbeit haben die Forscher nun versucht, Abhilfe zu schaffen. Dafür nutzen sie statt der ungenauen Radardaten Messungen mit Laserstrahlen. Diese liegen aber nur für einen Teil der Küsten weltweit öffentlich vor. Um dennoch Aussagen für alle Küstenlinien machen zu können, fütterten Strauss und Kulp mit einem kleinen Teil der vorhandenen Daten einen Algorithmus. Dieser glich sie mit den Radardaten ab und berechnete die Höhe der Küstenlinien neu.

Demnach lebt mehr als eine Milliarde Menschen in einem Bereich, der weniger als zehn Meter über den aktuellen Flutlinien liegt. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC zu den Ozeanen ging noch von 680 Millionen Menschen aus. Die Folge: Im Jahr 2100 werden bei niedrigen CO2-Emissionen 150 bis 250 Millionen Menschen in einem Bereich leben, der von Hochwasser betroffen ist. Heute sind es rund 110 Millionen. Steigen die Emissionen weiter ungebremst, werden im Jahr 2100 sogar 630 Millionen Menschen in gefährdeten Gebieten leben.

Eine interaktive Karte von „Climate Central“ für das Jahr 2050 zeigt, dass ein steigender Meeresspiegel der Ostsee das Wasser im Schnitt einmal jährlich bis nach Bad Freienwalde im Odertal drücken könnte – vorausgesetzt, dass kein weiterer Küstenschutz gebaut wird. Weite Teile von Ostfriesland, Bremen oder Hamburg wären 2050 ebenfalls einmal im Jahr überflutet.

Benjamin Strauss kann seinen Forschungsergebnissen dennoch etwas Positives abgewinnen: „Es gibt einen Silberstreif am Horizont: Die Bedrohung ist größer, als wir angenommen haben. Aber umso größer sind auch die Vorteile, wenn wir die Klimaverschmutzung verringern und die Emissionen reduzieren.“

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