Integration: Trauma-Berater sollen Flüchtlingen helfen
Für Geflüchtete sind Integration, Sprachkenntnisse und Arbeit wichtig. Vorher aber brauchen sie oft erst einmal psychosoziale Hilfe.
Wie kann traumatisierten Geflüchteten am besten geholfen werden? Diese Frage versucht ein heute veröffentlichtes Papier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zu beantworten.
Ein signifikanter Teil der Geflüchteten brauche psychosoziale Hilfe oder professionelle Traumatherapie, heißt es in der Stellungnahme mit dem Titel: „Traumatisierte Flüchtlinge – schnelle Hilfe ist jetzt nötig“. Viele von ihnen müssen die Fluchterfahrungen erst verarbeiten, um erfolgreich an Sprach- und Integrations-Kursen teilnehmen zu können.
Beratung durch geschulte Menschen aus eigenem Kulturkreis
Die Experten empfehlen möglichst bei allen neu ankommenden Asylbewerbern unkomplizierte, aber fachlich fundierte Screening-Tests einzusetzen. Sie sollten etwa auf Smartphones abrufbar sein und nur wenige einfache Fragen enthalten. Der zentrale Vorschlag ist jedoch, „Peerberater und -beraterinnen“ einzuführen: Menschen, die selbst aus dem Kulturkreis der Geflüchteten stammen, jedoch schon länger in Deutschland leben und mit den Gegebenheiten vertraut sind, sollen eine persönliche psychische Stütze bieten und als Gesundheitslotsen dienen. Sie sollen zu diesem Zweck zuvor eine Ausbildung erhalten, um mit psychischen Traumatisierungen umgehen zu können, und zwar „auf der Grundlage wissenschaftlich gesicherter Methoden.“ Die Akkreditierung von Schulungskursen ebenso wie die Finanzierung der Maßnahmen müsse an die Voraussetzung geknüpft werden, dass die angewandten Verfahren durch wissenschaftliche Studien gestützt sind, so die Akademien.
Bei ihrer Tätigkeit sollten die Laienhelfer von psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten unterstützt werden, die sich selbst in der Thematik weitergebildet haben und Aufgaben an die Peerberater delegieren. Die Verantwortung für einen klinischen Fall liegt jeweils bei einem Arzt oder Psychotherapeuten.
Tausende Therapeuten benötigt
An mehreren Orten in Deutschland gebe es bereits Ansätze in diese Richtung, ein von der Hertie-Stiftung gefördertes Pilotprojekt des gemeinnützigen Vereins „vivo“ zeige zudem, dass die Bereitschaft vor allem junger und angehender Psychotherapeuten zur Mitwirkung groß sei, sagt Thomas Elbert, Sprecher der Leopoldina-Arbeitsgruppe „Versorgung der psychischen Gesundheit Geflüchteter“ und Professor für Klinische Psychologie und Neuropsychologie der Universität Konstanz. Eine Alternative zur Einbindung von geschulten Laien gebe es zudem nicht: „Es würden dafür kurzfristig Tausende von zusätzlichen Psychotherapeuten gebraucht.“ Begleitforschung soll überprüfen, ob das Engagement der Peerberater wirkt.
Das Papier verschweigt nicht die Folgen, die traumatische Gewalterfahrungen haben können. Bei Männern, die Gewalt erfahren haben, sinke die Schwelle, selbst gewalttätig zu werden, bei traumatisierten Frauen sei eher selbstverletzendes Verhalten häufiger. Blieben psychische Beeinträchtigungen von Flüchtlingen unbehandelt, dann drohten „mittel- und langfristig empfindliche Veränderungen des sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft."