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Langeweile, eine unsichere Zukunft, drangvolle Enge in den Flüchtlingsunterkünften: Auch Gründe für die Kriminalität bei Flüchtlingen.
© dpa/Gregor Fischer

Flüchtlinge in Berlin: Viele Straftaten bleiben wohl verborgen

Unter Geflüchteten in Berlin gibt es überdurchschnittlich viele Tatverdächtige. Das liegt auch an der Unterbringung. Die Polizei spricht von einer hohen Dunkelziffer.

31. März, 12.30 Uhr, Flüchtlingsunterkunft Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne. Ein Ägypter würgt im Streit einen Syrer und bedroht ihn mit einem Küchenmesser. Zwei Sicherheitsbeamte halten ihn fest, bis die Polizei kommt.

20. März, 18.30 Uhr, Promenade des Lindenufers in Spandau. Ein 40-Jähriger fragt einen 19-jährigen Flüchtling, ob er mit ihm Sex haben möchte. Der 19-Jährige lehnt ab, der 40-Jährige zieht unvermittelt einen Schraubendreher und sticht zweimal auf den 19-Jährigen ein. Der Schraubendreher trifft den Oberkörper und eine Stelle unterhalb der Achseln. Der Täter flüchtet. Doch der 19-Jährige kann ihn bei der Polizei identifizieren, er kennt ihn. Der Täter, sagte er aus, lebe in einer Flüchtlingsunterkunft in Spandau.

6. Januar, ein Hangar auf dem Tempelhofer Flughafen. Zwei Flüchtlinge greifen zwei Pakistaner an, einer der Täter hat ein Messer. Die Attacken erfolgen, weil die Pakistaner homosexuell sind.

Flüchtlinge sind Opfer wie auch Täter

Kriminalität und Flüchtlinge, ein komplexes Thema. Es sind nur drei Beispiele von vielen, willkürlich herausgegriffen. Flüchtlinge als Opfer, Flüchtlinge als Täter. Man kann das Thema in Zahlen fassen, aber mit Zahlen allein ist es nicht komplett zu erklären. Die offiziellen Zahlen, veröffentlicht von der Polizei: 2016 gab es in Flüchtlingsunterkünften drei „Straftaten gegen das Leben“, 86 gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 2015 Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit, 800 Diebstähle, 114 Rauschgiftdelikte. Die Liste ist nicht vollständig.

Aus der bundesweiten Polizeistatistik 2016 geht hervor, dass unter den Tatverdächtigen – gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil – überdurchschnittlich viele Geflüchtete sind. Unter den ausländischen Tatverdächtigen stieg ihr Anteil um mehr als 50 Prozent.

Derzeit leben in Berlin rund 35 000 Flüchtlinge im sogenannten Rechtskreis des Landesamts für Flüchtlinge, dazu kommen noch Tausende im Bereich der Bezirksämter. Die meisten von ihnen leben unauffällig, sie haben keine Probleme mit der Polizei, sie gehen zur Schule oder in Deutschkurse.

Aber die Polizeistatistik ist ja nur ein Teil der Wahrheit, der offiziell registrierte. Selbst Klaus Kandt, der Polizeipräsident, sagte im Februar 2016, dass es ein sehr schwer bezifferbares Dunkelfeld gebe. Vermutlich werde eine große Zahl der Taten nie angezeigt. Und wie umfangreich die Kriminalität von Flüchtlingen außerhalb der Heime ist, lässt sich nicht ermitteln. Die Polizei teilt mit, dass sie Taten von Flüchtlingen nicht gesondert registriert.

Es gibt ja auch die gefühlte Wahrheit. Die Eindrücke, die viele Bürger haben, wenn sie Flüchtlinge sehen, die dealen, aggressiv sind, sie sexuell beleidigen oder anmachen, die sehen, dass Flüchtlinge klauen oder zuschlagen. Ein Gefühl latenter Bedrohung durch Flüchtlinge entsteht. Eine gefährliche Stimmung, weil plötzlich auch viele unbescholtene Menschen in Verdacht geraten.

"Mafiöse Zustände" in der Flüchtlingsunterkunft

Dass es gerade in Flüchtlingsheimen zu einer Häufung von Straftaten kommt, ist nicht überraschend. Drangvolle Enge, zermürbendes Warten, ständiger Lärm und ständige Unruhe, eine ungewisse Zukunft, das erzeugt Aggressionen. Dazu kommen ethnische und religiöse Konflikte. Viele Syrer können nicht mit Afghanen, viele Serben nicht mit Irakern, viele Muslime lehnen Christen ab, viele Sunniten wollen nichts mit Schiiten zu tun haben. Ein Handwerker, der in einem Heim gearbeitet hatte, berichtet von „mafiösen Zuständen“. Flüchtlinge hätten sich dort sogar für den Zugang zu den Steckdosen bezahlen lassen.

Besonders schlimm ist die Situation für homosexuelle Bewohner. Zwischen August und Dezember 2015 haben sich 95 homo- und transgeschlechtliche Flüchtlinge wegen Gewaltvorfällen an den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) gewandt, sagt Jörg Steinert, der Geschäftsführer des Berliner LSVD. Ein 26-jähriger Flüchtling gab bei der Polizei zu Protokoll, dass er mehrfach von einem anderen Flüchtling geschlagen worden sei. Auslöser der Gewalt: die sexuelle Orientierung des 26-Jährigen. „Inzwischen“, sagt Steinert, „hat sich die Situation etwas gebessert. Es gibt nach wie vor Probleme mit Gewalt, aber es ist nicht mehr so chaotisch wie vor gut einem Jahr.“ Für homo- und transgeschlechtliche Flüchtlinge gibt es jetzt besondere Unterkünfte.

Gefühlte und offizielle Wahrheit klaffen auseinander

Die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne steht beispielhaft für die Diskrepanz zwischen gefühlter und offizieller Wahrheit. Die Polizei teilt mit, „dass in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne keine Häufung von Einsätzen oder Schwerpunkten festgestellt werden konnte“. Schon im September 2016 hatte sie offiziell erklärt, „dass seit Jahresbeginn 48 Polizeieinsätze auf dem Kasernenareal gefahren worden seien“.

Erich Raabe (Name geändert), der in der Kaserne seine Werkstatt betreibt, konnte schon damals nur den Kopf schütteln. „Das ist doch Quatsch. Ich sehe doch, wie oft die Polizei da ist.“ Und zur aktuellen Einschätzung des früheren Militärareals durch die Polizei sagt er: „Das ist doch Blödsinn. Es gibt immer noch fast täglich Einsätze der Polizei. Ich kann nicht feststellen, dass die Zahl nachgelassen hat.“ Aus dem Polizeibericht vom 6. April: Drei Sicherheitsleute in der Kaserne werden von vier Nordafrikanern geschlagen und geschubst. Die Nordafrikaner hatten versucht, sich gewaltsam Zutritt zum Haus 52 zu verschaffen. Die Security wollte sie daran hindern.

Die Wahrheit abseits der offiziellen Statistik hat auch ein Polizist mitbekommen, der in Kreuzberg als Kontaktbereichsbeamter unterwegs ist. Dort erfuhr er von Bewohnern eines Mehrfamilienhauses, dass sie Probleme mit sechs nordafrikanischen Flüchtlingen hatten. Die hatten sich illegal in der Wohnung eines Bekannten breitgemacht. Sie belästigten Frauen, fielen durch Diebstähle auf und bedrohten Mitbewohner. Zunächst erstattete niemand Anzeige, auch aus Angst vor Rache.

Der Ärger endete erst, als die Nordafrikaner auch die Tochter eines Mitglieds aus einer arabischen Großfamilie belästigten. „Da rückten dann ein paar harte Jungs an, und die Nordafrikaner wurden nie mehr gesehen“, sagt der Beamte. Eine Strafanzeige gibt es bis heute nicht.

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