Abschlussbericht der Heinsberg-Studie: Sterblichkeits-Rate nach Covid-19 In Deutschland weiter fraglich
Die Ergebnisse der Heinsberg-Studie zur Covid-19-Infektions- und Sterberate in Gangelt liegen vor. Auf Deutschland lassen sie sich nur bedingt übertragen.
Nach viel Kritik am vorläufigen Zwischenbericht der "Heinsberg-Studie" an fast 1000 Personen aus dem Covid-19-Hotspot in Nordrhein-Westfalen wurde nun am Montag der Abschlussbericht vom Leiter der Untersuchung Hendrik Streeck von der Uni-Klinik Bonn vorgelegt. Eines der Ergebnisse: In Deutschland könnten etwa 1,8 Millionen Personen mit Sars-CoV-2 infiziert sein. Die Ergebnisse sind jedoch nicht unmittelbar auf das gesamte Bundesgebiet übertragbar.
Die Studie untersuchte die Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg, der als Brennpunkt der Coronavirus-Krise galt und gerade am Anfang der Epidemie in Deutschland heftig betroffen war. Das Virus breitete sich dort in der Karnevalszeit massiv aus. Die Studie bestätigt nun, dass die Teilnahme an Karnevalsveranstaltungen das Infektionsrisiko erhöht hat.
Insgesamt haben 919 Personen aus 405 Haushalten an der Untersuchung teilgenommen. Mit Rachenabstrichen und Blutentnahmen wurden sie auf das Virus Sars-CoV-2 und Antikörper gegen den Erreger getestet und zudem befragt. Das Ziel der Forscher: mehr über die Verbreitungswege des Virus herauszufinden.
Die Studie ergab, dass 15 Prozent der Menschen in Gangelt mit dem Virus infiziert waren. Das sind fünfmal mehr Infizierte, als offiziell geführt wurden. Sieben Menschen starben an den Folgen der Erkrankung. Die Infektionssterblichkeitsrate in Gangelt liegt demnach bei 0,37 Prozent.
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Schätzt man anhand dieser Sterblichkeitsrate die Gesamtzahl der Infizierten in Deutschland mit bislang etwa 6700 dokumentierten Todesfällen ab, ergibt sich die Zahl von 1,8 Millionen infizierten Personen. Diese Dunkelziffer ist zehnmal größer als die Zahl der gemeldeten Fälle von rund 165.000.
In einer online übertragenen Pressekonferenz erklärte Streeck jedoch, dass Kinder in der Studie unterrepräsentiert seien und überproportional viele Menschen teilgenommen hätten, die älter als 65 Jahre sind.
Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, der nicht an der Studie beteiligt war, gab zudem zu bedenken, dass bei der geringen Zahl von dokumentierten Todesfällen schon zwei oder drei weitere die Sterblichkeitsrate drastisch verändern würden, etwa wenn der Zusammenhang mit Covid-19 nicht erkannt wurde.
Etwa 22 Prozent der Infizierten zeigen keine Symptome
Zudem sei in der Studie das Auftreten der Krankheit in Seniorenheimen noch gar nicht erfasst. Dies sei aber für die Berechnung der Sterblichkeitsrate ein maßgeblicher Faktor. „Die Hochrechnung auf Deutschland würde ich im Moment nicht versuchen“, sagte der Epidemiologe. Dennoch liefere die Studie wertvolle und überzeugende Daten für weiterführende Modellrechnungen, so Krause.
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22 Prozent der Covid-19-Infizierten zeigten gar keine Symptome. Für Streeck ein überraschend hohes Ergebnis. „Dass offenbar jede fünfte Infektion ohne wahrnehmbare Krankheitssymptome verläuft, legt nahe, dass man Infizierte, die das Virus ausscheiden und damit andere anstecken können, nicht sicher auf der Basis erkennbarer Krankheitserscheinungen identifizieren kann“, wird Martin Exner vom Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Uni Bonn, Co-Autor der Studie, in einer Mitteilung der Universität zitiert.
Dies bestätige die Wichtigkeit der allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln in der Corona-Pandemie. „Jeder vermeintlich Gesunde, der uns begegnet, kann unwissentlich das Virus tragen. Das müssen wir uns bewusst machen und uns auch so verhalten“, so Exner.
Erhöhte Übertragungsrate innerhalb von Haushalten
Die Studie bestätigt zudem, dass die Übertragungsrate innerhalb von Haushalten erhöht ist. Mit rund 44 Prozent in Zwei-Personen-Haushalten und 18 Prozent in Vier-Personen-Haushalten liegt das Risiko für sekundäre Infektionen jedoch unerwartet niedrig. Dies habe wichtige Implikationen für die Eindämmung der Corona-Pandemie, schreiben die Autoren der Studie.
Die Ergebnisse der Heinsberg-Studie sind bislang nicht von unabhängigen Experten überprüft und in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Das Forschungsteam um Streeck und Gunther Hartmann, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie der Universität Bonn, hat seinen Artikel auf einem so genannten Preprint-Server hochgeladen. Forschende und Gesundheitsbehörden haben so unmittelbar Zugriff.
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