Zehn Jahre Humboldt-Professur: Stars mit Strahlkraft
Vor zehn Jahren wurden die ersten Alexander von Humboldt-Professuren verliehen. Die Berufenen bringen exzellente Forschung mit – und kritischen Geist.
Was macht die Alexander von Humboldt-Professur eigentlich so attraktiv? Bis zu fünf Millionen Euro für fünf Jahre: Die Formel, mit der es gelungen ist, in den vergangenen zehn Jahren 67 exzellente Forscher und Forscherinnen von Top-Unis in den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und acht weiteren Ländern nach Deutschland zu holen, klingt zweifellos unwiderstehlich. Wegen der finanziellen Ausstattung, die das Meister-Programm der Alexander von Humboldt-Stiftung den Forschenden zu bieten hat, gilt die Professur als deutscher Nobelpreis.
Doch ihre Bindungskraft geht weit darüber hinaus. Schon die für den internationalen Berufungs-Markt günstigen Zahlenverhältnisse sprechen für sich: Den 267 durch Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ergangenen Nominierungen stehen 88 Bewilligungen gegenüber, eine Quote von gut 30 Prozent. Bei 67 der Ausgewählten verliefen die Berufungsverhandlungen in Deutschland dann erfolgreich. Beendet wurden bislang 27 Förderungen – zwei davon vorzeitig. Was jedoch am stärksten ins Gewicht fällt: Wer mit der Humboldt-Professur fünf Jahre in Deutschland geforscht hat, bleibt in aller Regel. Bis auf eine Ausnahme haben sich alle Berufenen nach Ablauf der Förderung dafür entschieden, weiterhin in Deutschland zu arbeiten.
Von der Humboldt-Stiftung beauftragte Evaluatoren stellen die Hypothese auf, „dass die Humboldt-Professur am Puls der Zeit interveniert“. Die Freiheit und die Flexibilität, wie sie die Humboldt-Professur ermöglicht, seien „äußerst rar“, schreiben die Gutachter im Fazit ihrer jetzt veröffentlichten Bestandsaufnahme. Enno Aufderheide, Generalsekretär der Stiftung, konkretisiert, was Deutschland für Forschende weltweit zunehmend interessant macht: „Besonders das forschungsfreundliche Klima und der hohe Stellenwert der Grundlagenforschung sind absolute Pluspunkte.“ Zugleich entwickelten sich Länder wie die USA oder Großbritannien „in eine völlig entgegengesetzte Richtung“. Deshalb werde das Interesse an Programmen wie der Humboldt-Professur sicher weiter wachsen.
Die Professur bietet einen großen Gestaltungsspielraum
Welche Spielräume die Berufenen haben, aber auch an welche Grenzen sie stoßen, beschreiben die externen Experten der „Technopolis Group“ in ihrem Evaluationsbericht. Ihre Erkenntnisse ziehen sie aus Fallstudien, aus Interviews und aus einer Online-Befragung. Hinzu kommen bibliometrische Analysen zur Wirkung der Kooperationen in Forschungsgruppen oder Instituten.
Überraschend ist, dass manche Preisträger und Preisträgerinnen trotz Gehaltseinbußen nach Deutschland gekommen sind. Dahinter standen teilweise private Gründe – immerhin die Hälfte der Berufenen sind deutsche Staatsbürger, die die Chance nutzen, zurückzukehren –, aber auch der „große Gestaltungsspielraum“ der Professur. Ein „spezifischer Pull-Faktor“ sei „die Möglichkeit, den eigenen Wirkungsrahmen zu erhöhen“.
So können viele in ihrem Fachgebiet ein neues Zentrum aufbauen und genießen auch insofern eine Sonderstellung. Sie tragen außerdem zur zusätzlichen Vernetzung ihrer deutschen Einrichtungen mit der weltweiten scientific community bei und ihre Arbeitsgruppen sind „hochgradig“ international zusammengesetzt.
„Die Motivation, in Deutschland strukturprägend wirken zu können“, sei für viele Berufene besonders hoch, heißt es. Darin sähen sie „ihren Auftrag und ihre Chance“. Tatsächlich werde „das Forschungspotenzial Deutschlands durch die Mobilisierung wissenschaftlicher Expertise aus dem Ausland nachhaltig gestärkt“, lautet hier das Fazit der Gutachter.
Der Frauenanteil ist seit 2013 auf 45 Prozent gestiegen
Doch lassen sich die Strukturen des deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystems wirklich aktiv umgestalten? In sechs ausführlichen Interviews haben sich Berufene durchaus skeptisch gezeigt. Sie beklagen fehlende Transparenz in Entscheidungsprozessen an der Uni, ein zu hohes Gewicht persönlicher und politischer Verbindungen sowie insgesamt einen zu hohen Verwaltungsaufwand. Kritisch gesehen wird auch der geringe Frauenanteil an den Professuren vor allem in den Naturwissenschaften. Er könne „die Bereitschaft hemmen, sich stärker zu involvieren“, heißt es.
Dass es sich bei den „etablierten Stars der internationalen Forschungslandschaft“, die mit der Humboldt-Professur ausgezeichnet werden, in der großen Mehrheit um Männer handelte, hat die Stiftung wiederholt selber problematisiert. Von den insgesamt 67 bislang Berufenen sind zwölf Frauen (knapp 18 Prozent). Seit 2013 sind die Nominierungen von Frauen von anfangs nur zwei bis drei pro Jahr allerdings deutlich gestiegen; bei den Neuberufungen wuchs der Evaluierung zufolge der Frauenanteil bis 2017 auf 45 Prozent.
Zu den Grenzen, an die Humboldt-Professorinnen und -Professoren stoßen, gehört indes ausgerechnet die Königsdisziplin des Programms: die einmal Berufenen möglichst dauerhaft in Deutschland zu halten. Dies ist zwar bislang in den allermeisten anstehenden Fällen gelungen – aber nicht immer reibungslos.
Bei Dual-Career-Angeboten ist noch Luft nach oben
Was nach den Berufungsverhandlungen für die Position der Preisträger gilt, zählt nach fünf Jahren teilweise nicht mehr. Erste Hinweise von Betroffenen etwa zur fehlenden Transparenz von Entscheidungsprozessen hat die Stiftung schon 2016 in den Auswahlbestimmungen aufgenommen. Das Gutachterteam empfiehlt zusätzlich, Statements der Unis zur Verstetigung einzufordern – dazu, „was bleibt und was sich ändert“.
Schon bei der Nominierung müssten die Unis nun angeben, welche Leistungen sie für die Zeit nach dem Abschluss der Förderung zusagen, ergänzt Generalsekretär Enno Aufderheide. Die künftigen Humboldt-Professoren würden außerdem vom Hochschulverband bei ihren Berufungsverhandlungen beraten.
Etliches hat sich also seit dem Start vor zehn Jahren bewegt. Dabei das „Potenzial an kritischem Geist“, das die Preisträger mitbringen, einzubeziehen, gehört zu den Empfehlungen der Gutachter. Aufderheide sieht etwa bei Dual-Career-Angeboten für Partner und Partnerinnen „Luft nach oben“. Häufig sei das ein Knackpunkt bei der Entscheidung über den (dauerhaften) Wechsel nach Deutschland.
Ist es nach zehn Jahren nicht auch Zeit, die Zahl der Professuren zu erhöhen – zumal angesichts der Entwicklungen etwa in den USA mit weiter steigender Nachfrage zu rechnen ist? „Hierüber sind wir bereits im Gespräch mit unseren Geldgebern“, sagt Enno Aufderheide. Wichtiger sei es aber zunächst, Verbesserungen am Programm selbst vorzunehmen. Die konstruktive Kritik ist also angekommen.
So funktioniert die Forschungsförderung
Von der ersten Idee, welchen internationalen Spitzenforscher man für einen Wechsel nach Deutschland gewinnen will, bis zum ersten Arbeitstag an der neuen Universität ist es ein langer Weg. Und auch nach Ablauf der fünfjährigen Förderung wirkt eine Humboldt-Professur fort. So funktioniert’s:
Nominierung
Die Hochschulen nominieren – allein oder zusammen mit außeruniversitären Einrichtungen – geeignete Kandidatinnen und Kandidaten. Sie legen Konzepte zu deren strategischer und langfristiger Einbindung vor. Die Forschungs- und Rahmenbedingungen müssen ausgezeichnet sein, denn die weltweite Konkurrenz ist groß.
Auswahl
Gutachter aus dem In- und Ausland bewerten die Nominierungen: Welche Kandidaten sind exzellent? Wer entfaltet die größte „internationale Strahlkraft“? Und welche Hochschule überzeugt mit ihrem Konzept? Die Auswahl trifft ein mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen besetzter Ausschuss der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Berufung
Nun ist das Verhandlungsgeschick der Universitäten gefragt: In der Berufungsphase besprechen sie mit den ausgewählten Forschern die Details der Professur. Dabei geht es um den konkreten Einsatz des Preisgeldes in Höhe von fünf Millionen Euro, aber auch um die Zeit nach der fünfjährigen Förderung. Die berufliche Integration des Lebenspartners am Hochschulstandort ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Nicht in jedem Fall kommen Uni und Preisträger zusammen; 62 von insgesamt 88 Auserwählten traten ihre Humboldt-Professur tatsächlich an.
Aufbau
Wird man sich einig, werden die Preisträger schließlich von der Hochschule berufen. Nun folgt der „Unterbau“: Qualifizierte Wissenschaftler müssen gewonnen werden, um Arbeitsgruppen aufzubauen. Geräte müssen beschafft und Netzwerke – national und international – geknüpft werden.
Etablierung
Mit Start der Arbeitsgruppe beginnt die Mitarbeit im Kontext der Hochschule. Ob sich deren Erwartungen an eine Humboldt-Professur erfüllen, kann nun nach und nach beobachtet werden: Bildet die Uni ein besonderes Profil heraus und erlangt international mehr Bedeutung? Macht sie im Wettbewerb mit anderen Hochschulen Boden gut? Gelingt all dies, profitiert nicht nur die einzelne Einrichtung, sondern auch der Forschungsstandort Deutschland, so die Intention der Humboldt-Stiftung.
Verstetigung
Nach fünf Jahren läuft die Förderung aus. Macht die Universität es richtig, hat sie diesen Übergang aus der Drittmittelfinanzierung in den regulären Etat bereits in den Berufungsverhandlungen geregelt. Nur wer seine Preisträger langfristig und zu attraktiven Bedingungen weiterbeschäftigt, wird sie in Deutschland halten können.
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