Astronomie: Sonderbare Sonnen
Manche Sterne flackern seltsam unregelmäßig – ein Hinweis auf Aliens oder doch nur auf ein All voller Staubwolken?
Roberto Saito war auf der Suche nach Supernovae – nach Sternen, die am Ende ihres Lebens in einer gewaltigen Explosion vergehen. Dazu stöberte der brasilianische Astronom gemeinsam mit Kollegen in den Bildern und Daten, die das 4,2 Meter große Teleskop der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile beim Beobachten der Zentralregion der Milchstraße gesammelt hatte. Doch wie so oft in der Forschung stießen die Wissenschaftler nicht nur auf das, wonach sie suchten – explodierende, also plötzlich heller werdende Sterne –, sondern auch auf etwas ganz Unerwartetes: auf einen Stern, dessen Helligkeit sich unerklärlich abschwächte. Und zwar um bis zu 80 Prozent. Eine Überprüfung des „VVV-WIT-07“ genannten Objekts in Archivdaten zeigte wiederholte starke Helligkeitsschwankungen, die offenbar völlig willkürlich und unregelmäßig auftreten.
Und genau das ist ein Problem für die Forscher. Zwar sind veränderliche Sterne keineswegs ungewöhnlich – doch sie verhalten sich üblicherweise ordentlich. So können Sterne in bestimmten Phasen ihrer Entwicklung regelmäßig pulsieren. Und in Doppelstern-Systemen können die Sterne sich gegenseitig abdecken und damit ebenfalls periodisch zu Helligkeitsänderungen führen. Doch für ein völlig unregelmäßiges Flackern in dieser Stärke haben die Astronomen bislang keine befriedigende Erklärung.
Ursache des Flackerns könnte der Ring eines Planeten sein
Dabei ist VVV-WIT-07 nicht der erste Stern, der Astronomen Kopfzerbrechen bereitet. Bereits 2012 stießen der US-Amerikaner Eric Mamajek und seine Kollegen bei der Suche nach Planeten bei anderen Sternen auf ein seltsames Gestirn. Zieht ein solcher „Exoplanet“ bei geeigneter Orientierung seiner Umlaufbahn regelmäßig vor seinem Stern vorüber (von der Erde aus gesehen), so verursacht das ein geringfügiges, periodisches Flackern. Nach solchen Helligkeitsschwankungen suchten Mamajek und sein Team.
Die über viele Jahre angesammelten Daten der Forscher zeigten, dass die ansonsten völlig konstante Helligkeit des 430 Lichtjahre entfernten Sterns J1407 sich im Jahr 2007 über einen Zeitraum von 56 Tagen völlig unregelmäßig abgeschwächt hatte – um bis zu 95 Prozent. Das Team interpretierte die Helligkeitsschwankungen damals als Anzeichen für einen Planeten mit einem großen Ring. Auf seiner Umlaufbahn sei 2007 nicht der Planet selbst, sondern ein Teil des Rings vor dem Stern vorübergezogen. Die unterschiedlich dichten Regionen des Rings hätten des Sternenlicht abgeschwächt und zum Flackern gebracht. Dafür müsste der Ring allerdings von gewaltiger Größe sein – 200-mal größer als das Ringsystem des Saturn in unserem Sonnensystem. Gleichwohl gaben die Astronomen sich zunächst mit dieser Erklärung zufrieden.
"Tabby": Fangen Außerirdische die Energie des Sterns ab?
Im September 2015 berichtete dann die US-amerikanische Forscherin Tabetha Boyajian von der Entdeckung eines seltsam flackernden Sterns in den Daten des Satellitenteleskops Kepler. Auch hierbei handelte es sich um einen Zufallsfund: Kepler war von März 2009 bis Oktober 2018 ebenfalls auf der Suche nach Planeten bei anderen Sternen. Das nach seiner Entdeckerin „Tabbys Stern“ genannte Himmelsobjekt verdunkelte sich jedoch nicht periodisch, sondern völlig unregelmäßig – und viel zu stark für einen Planeten. Diesmal schossen die Spekulationen ins Kraut, das Wort „Dyson-Sphäre“ machte die Runde. Darunter verstehen Wissenschaftler ein von intelligenten Wesen geschaffenes Gebilde, das den Stern zu einem großen Teil umhüllt, um seine Energie aufzufangen. War das Flackern von Tabbys Stern vielleicht ein Hinweis auf eine außerirdische Zivilisation, auf eine im Bau befindliche Dyson-Sphäre? Nahrung erhielt diese Hypothese durch den – allerdings umstrittenen – Nachweis einer zusätzlichen langsamen Helligkeitsabnahme des Sterns im Verlauf der vergangenen hundert Jahre.
Doch „außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnlich starke Beweise“, wie es in den 1980er Jahren der US-amerikanische Astronom Carl Sagan in Bezug auf außerirdisches Leben formulierte. Deshalb finden zwar auch Himmelsforscher durchaus Gefallen an derart exotischen Spekulationen – zugleich bemühen sie sich aber, durch weitere Beobachtungen natürliche Erklärungen für neuartige Phänomene zu finden. Tatsächlich haben weitere Messungen der Helligkeit von Tabbys Stern inzwischen gezeigt, dass seine Helligkeit im langwelligen Bereich stärker abnimmt als im kurzwelligen. Das wäre typisch für aus sehr kleinen Partikeln bestehende Staubwolken, die vor dem Stern vorüberziehen. Allerdings sollte sich Staub durch das Sternenlicht erwärmen und dann im Infrarotbereich leuchten. Eine solche infrarote Strahlung ließ sich bei Tabbys Stern aber bislang nicht nachweisen. „Das ist ein Problem“, gesteht Boyajian.
Dichte Staubklumpen, die um die Sterne kreisen
Probleme wirft unterdessen auch das vermeintliche Ringsystem von J1407 auf. Denn wenn dort ein beringter Planet seine Bahn zieht, müssten Bedeckungen des Sterns durch die Ringe regelmäßig auftreten. Eine Suche in historischen Daten zeigte jedoch keine weitere Abschwächung der Sternenhelligkeit. Und auch die Suche nach dem postulierten Planeten war bislang erfolglos. Schließlich zeigten Computersimulationen, dass ein derart großes Ringsystem durch die Schwerkraft des Sterns schnell zerstört wird. Längere Zeit stabil könne es nur sein, wenn sich die Ringe umgekehrt zur Rotationsrichtung des Planeten drehen. Das demonstrierten der in Japan tätige Computerspezialist Steven Rieder und Matthew Kenworthy von der Sternwarte Leiden in den Niederlande. Eine solche Konfiguration wäre allerdings äußerst ungewöhnlich.
Und VVV-WIT-07? Könnte auch hier ein Planet mit einem Ringsystem die Ursache des unregelmäßigen Flackerns sein? Oder dichte Staubwolken, entstanden etwa beim Zusammenstoß von Planeten? Staub sei für das Flackern der drei Sterne nach wie vor die beste natürliche Erklärung, sagt Mamajek: „Dichte Staubklumpen in unterschiedlichen Konfigurationen, die um die Sterne kreisen.“ Das Problem der fehlenden infraroten Strahlung erklärt der Astronom so: „Dichte, kühle Staubwolken senden nur wenig Infrarotstrahlung aus.“
Wirkliche Aufklärung kann letztlich nur eine weitere, detaillierte Beobachtung dieser Objekte bringen – und die Entdeckung weiterer ähnlicher Sterne. Vielleicht handelt es sich auch um ein noch völlig unbekanntes Phänomen im Inneren der Sterne. Oder eben doch um Bauwerke von Aliens.