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Oberflächlichkeiten. Strukturen außen am Virus (hier MERS, ein dem derzeit problematischen Virus sehr ähnliches) sind entscheidend für die Infektiosität.  
© NIAID

Coronavirus bekommt einen Namen: So soll der neue Erreger aus China voraussichtlich bald heißen

Bisher heißt das Coronavirus, das die Welt in Atem hält, „2019-nCoV“. Das soll sich bald ändern, die Ähnlichkeit zum Sars-Virus soll auch im Namen deutlich werden.

„Sie werden bald hören, dass das einen neuen Namen bekommt“, sagt der Mann, mit gesenkter Stimme. Mit „das“ meint er das, was derzeit "2019-nCoV" heißt. „Es ist nämlich eigentlich nur eine neue Form des Sars-Virus, und demnächst wird sie so heißen, dass das ganz deutlich wird.“

Coronavirus: Sars-CoA 2019

Die Worte stammen von einem der weltweit führenden Experten für Coronaviren. Es ist einer dieser Sätze, die man als Journalist zwar gesagt bekommt, aber eigentlich nicht schreiben soll. Und schon gar nicht namentlich zitieren.

Derzeit, beim Thema „2019-nCoV“, hört man dergleichen wieder besonders häufig von Experten – nicht um etwas zu vertuschen, sondern eher, um Kollegen nicht vorzugreifen. Verschweigen wir also den Namen des Forschers. Aber nicht den, den „2019-nCoV“ wohl bald tragen wird: Sars-CoA 2019.

Noch vor wenigen Tagen hatten chinesische Wissenschaftler allerdings betont, wie „unterschiedlich“ das neue Wuhan-Virus und der Lungenentzündungserreger von 2002/03 seien. Sie hatten dies aus den Viren geschlossen, die sie aus einer Gruppe der ersten Patienten isoliert hatten.

Es waren neun Menschen, die sich fast alle auf dem Wuhaner Fischmarkt angesteckt hatten. Die neuen Viren hatten ein Genom, dass zu 89 Prozent mit zwei Fledermausviren übereinstimmte. Aber „nur“ zu 79 Prozent mit dem Menschen infizierenden Sars-CoV.

Coronavirus aus Wuhan: Das virale Benennungskomitee

Zuständig für die Benennung alter und neuer Viren ist das ICTV – International Committee on Taxonomy of Viruses. Es gibt eine Arbeitsgruppe, die für einzelsträngige RNA-Viren bei Tieren zuständig ist. Ein Unterkomitee nur für Coronaviren gibt es dort auch noch. Dessen Vorsitzender ist John Ziebuhr, Virologe an der Universität Gießen. Er bestätigt gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Virus demnächst ordentlich benannt werden wird. Nur wie, das will er nicht verraten.

Was er aber verrät, ist, dass er selbst das Virus für sehr Sars-artig hält. „Es ist nicht nur mit dem Sars-Virus, sondern auch einer ganzen Reihe Sars-ähnlicher Viren eng verwandt, alle gehören zur gleichen Untergattung“, sagt er. Und mit Bezug auf die chinesische Arbeit: „Dass sich zwei Viren um 20 Prozent ihrer Erbgutbausteine unterscheiden, sagt nicht viel.

Um die Verwandtschaft zu beurteilen, sollte man auch die anderen Viren einer gesamten Familie in die Analyse miteinbeziehen.“ Er hat das offenbar schon gemacht: „Dann sieht man deutlich, dass Sars-CoV und 2019-nCoV sehr nah miteinander verwandt sind.“

Ein Name sagt gar nichts – auch bei nicht beim Coronavirus

Es geht dabei wirklich nur um einen Namen. Welche medizinischen Maßnahmen angesichts des aktuellen Ausbruches geboten sind, wie ansteckend oder wie tödlich die Infektion verläuft, all das lässt sich nicht aus genetischer Verwandtschaft von Viren ableiten. „Zum Beispiel unterscheiden sich Impfviren manchmal nur in einigen wenigen Bausteinen vom krank machenden Wildtyp-Virus, und trotzdem verursacht das Impfvirus keine Infektion“, sagt Ziebuhr.

Was wäre also so schlimm, wenn das neue Virus auch Sars hieße? Bis vor wenigen Tagen wäre das Argument dagegen schlicht der Schrecken, den der Ausbruch 2002 verursachte, gewesen. Die Vorstellung, dass die Krankheit – zumal in einer vielleicht gefährlicheren Variante – zurück ist, könnte zu Verunsicherung und vielleicht auch Panik beitragen. Die Realität des Ausbruchs und der Maßnahmen innerhalb Chinas allerdings haben dieses Argument inzwischen mit Sicherheit irrelevant gemacht.

Nach einer Hochrechnung von Epidemiologen aus dem südchinesischen Kanton hat das neue Virus eine Inkubationszeit von rund fünf Tagen. Und weil die Erkrankung langsamer Fahrt aufnimmt, wurden die Patienten auch im Schnitt erst drei Tage nach den ersten Symptomen isoliert. Deshalb habe 2019-CoV „ein deutlich höheres Pandemie-Potenzial“ als Sars. Dazu passt, was die Schwabinger Klinik von den ersten deutschen Patienten berichtet: Um sich anzustecken, reichte bereits der Aufenthalt im selben Zimmer mit der chinesischen Kollegin, die zwar bereits infiziert, aber noch nicht erkrankt war.

Wer das alte Sars überstanden hat, dürfte gegen das neue Coronavirus immun sein

Ein auffälliger Unterschied zu Sars von 2002 könnte das Erfolgsgeheimnis des neuen Virus sein: An seinen Spikes – dicken Proteinkugeln, die Coronaviren auf ihrer Hülle tragen – sind 40 Prozent der Bausteine anders als bei anderen Sars-artigen Viren. Mit den Spikes suchen sie sich passende Wirtszellen aus und verschmelzen mit ihnen. Wie gut die Spikes zu Menschenzellen passen, entscheidet darüber, wie ansteckend ein Coronavirus ist.

Markus Hoffmann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen vermutet ebenfalls, dass sich hier die höhere Ansteckungsfähigkeit erklären lässt. In einem bislang unveröffentlichten Manuskript, das er zusammen mit Kollegen aus Berlin, Hannover und Moskau geschrieben hat, beschreibt er außerdem, dass das Wuhan-Virus denselben Rezeptor wie das Sars-Virus benutzt, um in die menschliche Zellen hinein zu kommen.

Das hat medizinisch auch einen entscheidenden Vorteil: Menschen mit überstandener Sars-Infektion dürften immun gegen die neue Epidemie sein. In Hoffmans Labor schalteten die Antikörper der Sars-Überlebenden das neue Virus schnell und gründlich aus.

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