Plätze in Rekordzeit, aber der Zugang bleibt beschränkt: So kommen Studierende wieder in die Unibibliotheken Berlins
Die Unibibliotheken in Berlin dürfen wieder ihre Lesesäle öffnen. Der Zugang bleibt beschränkt, dafür muss man nicht mehr lange nach einem Platz suchen.
Punkt neun Uhr am Morgen öffnet das Sicherheitspersonal die Tür. Auf dem Vorplatz des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums in Mitte stehen verstreut etwa fünfzehn Studierende, die auf den Einlass in die Bibliothek warten.
Wegen der Corona-Pandemie musste das Grimm-Zentrum wie alle anderen universitären Bibliotheksstandorte der Stadt im März vorerst schließen. Dreieinhalb lange Monate sind seitdem vergangen.
Frauke Engels, Abteilungsleiterin für die Benutzung der Humboldtschen Universitätsbibliothek, freut sich daher, dass sie den Studierenden nun wieder Arbeitsplätze anbieten können: „Wir haben viele Rückmeldungen von Studierenden erhalten, dass sie zu Hause schlechte Arbeitsbedingungen haben und unbedingt wieder in die Bibliothek wollen“, berichtet sie.
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Zwischenzeitlich hatten Engels und ihre Kolleginnen und Kollegen immerhin einen Ausleihservice für Bücher organisiert.
Viele Bibliotheken bieten wieder Plätze im Lesesaal an
Seit vergangener Woche ist die Nutzung der Lesesäle jedoch wieder möglich, im Grimm-Zentrum sowie in den Zweigbibliotheken.
Neben der Humboldt-Universität (HU) bieten auch die Freie Universität (FU), die gemeinsame Bibliothek der Technischen Universität (TU) und der Universität der Künste (UdK) sowie die Staatsbibliothek, die ebenfalls gerne von Studierenden genutzt wird, wieder Plätze an.
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Dennoch ist jetzt einiges anders als es vor der Schließung. Der Zugang ist beschränkt. Ausschließlich HU-Angehörige können das aktuelle Angebot nutzen. Etwa 250 Personen können im Grimm-Zentrum parallel arbeiten. „Wir dürfen im Moment aufgrund der baulichen Situation nur die Garderobe im Erdgeschoss zugänglich machen“, erklärt Engels einen maßgeblichen Grund für die Beschränkung. An einer Erweiterung werde gearbeitet.
Sich seinen Lieblingsplatz auszusuchen ist nicht möglich. Dafür sitzt man in Rekordzeit auf dem zugeteilten Platz - vor der coronabedingten Schließung dauerte die Suche nach einem Platz schon einmal bis zu einer halben Stunde oder länger.
Telefonnummern müssen hinterlegt werden
Die Servicemitarbeitenden im Foyer scannen den Bibliotheksausweis ein. Zusätzlich muss eine Telefonnummer hinterlegt werden. Bis zu vier Wochen werden die persönlichen Daten zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten gespeichert. Eine Online-Buchung vorab, wie sie bei anderen Bibliotheken vorgesehen ist, braucht es lediglich für den Forschungslesesaal und das Archiv.
Mit der ausgehändigten Platzkarte findet sich der Weg blitzschnell. Alle Terrassen des Lesesaals und auch die Plätze zwischen den Freihandbeständen sind entsprechend beschildert.
Nur jeder zweite Platz besetzt
Zur Wahrung des Abstands darf nicht mehr als jeder zweite Platz besetzt werden. Die Plätze dazwischen sind notdürftig mit rot-weißem Absperrband umwickelt – die damit zumindest optisch etwas baustellenartige Atmosphäre im Lesesaal ist schon ein wenig ungewohnt. Bis zum zugewiesenen Tisch muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Es dauert jedoch nur wenige Minuten bis die Ersten dies beim Gang zu den Büchern oder den Toiletten scheinbar wieder vergessen haben.
Einen ganzen Tag in der Bibliothek zu arbeiten ist derzeit noch nicht möglich. Zwei Zeitfenster bietet das Grimm-Zentrum an, von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr. Man muss sich allerdings für eines pro Tag für entscheiden. Ein zweites Mal kommt man nicht rein.
Zwei Stunden Schließung zur Mittagszeit
Die zweistündige Schließung in den Mittagsstunden werde zur Desinfizierung der Arbeitsplätze benötigt. Am Wochenende bleibt das Gebäude geschlossen. Durch den zusätzlich weiter angebotenen Ausleihservice fehlten für eine Erweiterung der Zeitfenster vor allem die personellen Kapazitäten: „Das ist für uns doppelte Arbeit“, sagt Frauke Engels.
Bei der Rückgabestelle der Platzkarten erzählt Jurastudent Eric Schrey, dass er regelmäßig zum Lernen in die Bibliothek geht. Doch die Einschränkung durch die Zeitfenster missfällt ihm. „Ich würde lieber den ganzen Tag zur Verfügung haben. So lohnt es sich nicht richtig.“ Daran stört sich auch Doktorand Fabio La Stella: „Vielleicht wäre es möglich, die Schließung mittags zu umgehen, wenn wir einfach selbst desinfizieren würden.“ Er ist dennoch erleichtert, dass er für die Arbeit an seiner Promotion in Philosophie wieder herkommen kann.
Noch bleibt es im Grimm-Zentrum recht leer
In der Tat blieb es bis zum Mittag im Lesesaal recht leer. Nur wenige Studierende nutzen das neue Angebot bisher – eine Beobachtung, die auch Frauke Engels bestätigt: „Es kann natürlich sein, dass es Zeit braucht bis sich das herumspricht.“ Die Cafeteria im Foyer hat außerdem noch geschlossen. Das Treffen auf einen gemeinsamen Pausenkaffee fällt also ebenfalls weg.
Die Öffnung der Bibliotheken der HU wurde zudem erst am Vortag auf der eigenen Internetseite und den Social-Media-Kanälen publik gemacht. „Ich habe tatsächlich zufällig davon erfahren, als ich hier vor ein paar Tagen Bücher abholt habe“, erzählt Fabio La Stella auf Nachfrage. Es wäre allerdings ganz angenehm, „dass es nicht so voll ist, wie es im Februar war.“
Wer hingegen bei der FU oder bei der Staatsbibliothek einen Platz sucht, sollte vorher online schauen und dort ein Zeitfenster buchen. „Niemand soll umsonst zu uns kommen“, sagt Ringo Narewski von der Universitätsbibliothek der FU. Die Tickets sind für die nächsten Tage fast alle ausgebucht: „Es zeigt sich, dass unsere Angebote notwendig sind und sofort sehr gut angenommen werden“.
Juliane Sprick