Forsa-Umfrage: Schulleiter fühlen sich von Politik alleingelassen
Schulleiter sind zwar hochmotiviert - fühlen sich aber von der Politik alleingelassen. Mehr als 80 Prozent denken, dass die Schulpolitik bei ihren Entscheidungen den Schulalltag nicht berücksichtigt, zeigt eine Umfrage.
Schulleiter in Deutschland lieben ihren Job und sind motiviert – fühlen sich aber von der Politik alleingelassen. So lässt sich eine bundesweite Forsa-Umfrage unter 1200 Direktorinnen und Direktoren im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) zusammenfassen, die am Freitag vorgestellt wurde.
Zwar gehen demnach nur vier Prozent der Befragten ungern ihrer Arbeit nach, während es 58 Prozent „sehr gern“ und 37 Prozent „eher gern“ machen. Gleichzeitig sagen aber auch 82 Prozent, dass Politiker bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachten – im Schnitt vergeben sie eine wenig schmeichelhafte Note 3,8 an die Schulpolitik. Angesichts von Großbaustellen im Schulbereich wie Lehrermangel oder Inklusion sei das ein Zeichen, dass die Politik Schulleitungen „öffentlich als Mangelverwalter im Regenstehen lässt“, kritisierte Udo Beckmann, der Bundesverband des eher konservativen Verbandes VBE.
Zufriedenheitswerte in allen Schulformen gleich hoch
Die Zufriedenheitswerte sind über alle Schulformen hinweg praktisch gleich hoch. 83 Prozent der Befragten geben an, dass sie trotz aller Probleme zumindest häufig zu ihrer eigenen Zufriedenheit ihre Aufgaben erfüllen können. Drei Viertel würden den Beruf weiter empfehlen. Nach Bundesländern wurde in der Umfrage nicht unterschieden.
Die unter 40-Jährigen, also die „Neueinsteiger“, fühlen sich aber tendenziell durch die Politik noch mehr vernachlässigt als diejenigen, die schon eine lange Erfahrung bei der Leitung einer Schule mitbringen. So sagen in dieser Gruppe 81 Prozent, dass knappe Ressourcen die größte Belastung für sie darstellen (der Bundesschnitt beträgt 70 Prozent). 59 Prozent der unter 40-Jährigen halten sich für unzureichend vorbereitet auf die Position einer Schulleitung, während das bei den über 60-Jährigen nur 25 Prozent sagen. Für Udo Beckmann zeigen diese Werte, dass „die neue Generation Schulleiter von Anfang an demoralisiert wird“.
Tatsächlich vollziehe man de facto einen „Berufswechsel“, wenn man das Amt des Direktors übernehme – das sagt Ralf Treptow, Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin und Leiter des Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasiums. Schulleiter zu sein bedeute, wie der Manager eines mittelständischen Unternehmens agieren zu müssen. Treptow würde sich „Coaches für die Eingangsphase“ wünschen, also Personen, die Schulleiter zu Beginn ihrer Aufgabe zur Seite stehen. Das könnten Schulleiter im Ruhestand sein, die ihre Erfahrungen weitergeben wollen.
Die Probleme: Lehrermangel und zu viele Verwaltungsaufgaben
Lehrermangel, Inklusion, marode Gebäude: Es sind laut der Umfrage auch die großen, öffentlich immer wieder diskutieren Problemlagen, die den Schulleitern am meisten zu schaffen machen. Mit Abstand am häufigsten wird der Mangel an Lehrkräften als größtes Problem an der eigenen Schule genannt (57 Prozent). Im Mittel sind an den Schulen, die aktuell nach Lehrkräften suchen, zehn Prozent der Stellen nicht besetzt. Jeder Dritte der Befragten beschäftigt an der eigenen Schule inzwischen Quereinsteiger. Diese wurden aber oft im Vorfeld nicht ausreichend und systematisch qualifiziert – das berichten 65 Prozent der Schulleiter, wobei das Problem an Grundschulen noch größer ist.
Belastet werden Schulleiter auch von Verwaltungsarbeiten, die aus ihrer Sicht immer mehr zunehmen. „Als Schulleiter ist man Chef, Personalstelle und Verwaltung in einem“, sagt Heidrun Quandt, die Vorsitzende des VBE in Berlin. Der pädagogische Aspekt der Arbeit sei längst in den Hintergrund gerückt: etwa, pädagogische Konzepte für die gesamte Schule aufzustellen. Dass der eminent wichtige Austausch mit Kolleginnen und Kollegen wegen der Verwaltungsaufgaben viel zu kurz kommt, kritisiert auch Ralf Treptow. Ein Beispiel, das für ihn den irrwitzigen Verwaltungsaufwand illustriert: Allein für jeden Museumsbesuch einer Klasse müssten verschiedene Angebote eingeholt werden. Immerhin würden die an einigen Berliner Schulen eingestellten Verwaltungsleiter Abhilfe schaffen.
Gefordert werden "Leitungskontingente" für die Schulen
Treptow fordert daher seit Langem „Leitungskontingente“ für die Schulen. Sprich: einen Pool von Stunden, in denen Kollegen vom Unterricht befreit werden können und in denen sie Organisationaufgaben übernehmen. Bisher müssten sie das praktisch ohne Ausgleich zusätzlich machen. Selbst die stellvertretenden Schulleiter würden in Berlin kaum vom Unterricht befreit. Auch laut der Umfrage wünschen sich Schulleiter am vordringlichsten mehr „Anrechnungsstunden“ für Kollegen, damit sie an diese Verwaltungsaufgaben delegieren können.
Dringender Handlungsbedarf ist auch deswegen gegeben, weil viele Leitungsstellen unbesetzt sind. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht davon aus, dass bundesweit allein 1000 Direktoren und Konrektoren an Grundschulen fehlen. In Berlin sind derzeit mehr als 100 Stellen unbesetzt. Nur mit mehr Gehalt werden die Posten nicht attraktiver, sagt Heidrun Quandt: „Das hilft auch nicht weiter, wenn man permanent am Rande des Nervenzusammenbruchs steht.“
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