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Brucheis. Der Riss durch einen Teil des Schelfeises Larsen C ist komplett.
© Nasa

Nach Abbruch des Eisbergs: Schelfeis "Larsen C" in der Antarktis wohl stabil

Erst vor wenigen Tagen brach ein riesiger Eisberg vom Schelfeis "Larsen C" ab. Die schwimmende Eisplatte scheint dennoch zu halten.

Das Schelfeis „Larsen C“ bleibt wahrscheinlich vorerst stabil, nachdem ein riesiger Eisberg von ihm abgebrochen ist. Das geht aus Befunden deutscher und amerikanischer Glaziologen hervor, die Larsen C seit Jahren erforschen.

Irgendwann zwischen Montag und Mittwoch dieser Woche entstand an der Küste der Antarktis der Eisberg-Koloss „A68“, der mit einer Fläche von 5800 Quadratkilometern größer als das Ruhrgebiet ist. Anhand von mehreren Satellitenaufnahmen im Infrarotbereich konnten Wissenschaftler den Tafeleisberg auch während der Polarnacht beobachten.

Natürliche Barrieren halten Larsen C zusammen

Nun ist Larsen C ein Zehntel kleiner als zuvor, mit 44 200 Quadratkilometern aber immer noch fast so groß wie Niedersachsen. Die auf dem Meer schwimmende Eisplatte hat eine durchschnittliche Dicke von 300 Metern und wird von Gletschern gespeist, mit denen sie fest verbunden ist.

Eine wichtige Frage lautet, ob Larsen C stabil bleibt. Es gibt Beispiele dafür, dass das nicht so sein muss. Larsen A war im Jahr 1995 zerfallen. Ein großer Teil von Larsen B zerbrach im Jahr 2002. Diese beiden Schelfeise waren nördliche Nachbarn vor der Antarktischen Halbinsel.

Zwei Untiefen im Meer stützen aber Larsen C. Am „Bawden Ice Rise“ im Nordwesten und dem „Gipps Ice Rise“ im Südosten des Schelfeises wird das Schelfeis vom felsigen Meeresgrund – sowie durch die Eigenbewegung – ein Stück in die Höhe gepresst. Die beiden Erhebungen wirken sich aus wie eine seitliche Verankerung der Eisplatte.

Wissenschaftler hatten befürchtet, dass der Spalt in Larsen C über die nordwestliche Verankerung des Schelfeises, also über Bawden Ice Rise hinausgehen würde. Aber das ist nicht passiert. „Ich sehe darum keine kurzfristigen Anzeichen dafür, dass dieses Kalben zum Kollaps von Larsen C führen wird“, sagt Chris Shumann, ein Glaziologe am Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland.

Künftig werden mehr Eisberge von Larsen C abbrechen

Ähnlich beurteilt das Johannes Fürst von der Universität Erlangen-Nürnberg. Er unterscheidet zwischen „aktivem“ und „passivem“ Schelfeis: Das aktive vermag die Gletscher, die das Schelfeis speisen, zu stützen. Bricht so ein Teil des Schelfeises weg, führt das zur Destabilisierung. Das abgebrochene Eisstück bestehe aber hauptsächlich aus „passivem Schelfeis“.

Was allerdings ausgelöst werden kann, ist eine Zunahme des Kalbens: Möglicherweise bilden sich nun vermehrt kleine Eisberge. Dadurch würde Larsen C nach und nach schrumpfen. Das würde die Möglichkeit einer Destabilisierung allmählich vergrößern.

Meeresspiegel steigt kaum

Schmilzt ein Eisberg oder ein Schelfeis, so ändert sich der Meeresspiegel nicht. Das Eis schwamm ja schon vorher im Wasser – an der Verdrängung hat sich also nichts geändert. Anders verhält es sich, wenn Gletscher schneller Richtung Meer rutschen, wie dies bei Larsen B beobachtet wurde.

Wenn Larsen C nach und nach zerfiele und sich die Gletscher dahinter beschleunigen würden, wären die möglichen Folgen für den Meeresspiegel aber ziemlich gering. Gemäß einer Berechnung von Eric Rignot an der University of California könnte es dann zu einem zusätzlichen Meeresspiegelanstieg um maximal einen Zentimeter kommen. Die in der Öffentlichkeit ebenfalls kursierende Angabe von zehn Zentimetern ist laut Rignot ein Fehler.

Ein erster Ansatz des Spalts in Larsen C wurde übrigens schon in einer Satellitenaufnahme des Jahres 1963 entdeckt. Jahrzehntelang blieb der Spalt unverändert. 2014 begann er sich dann schubweise in Richtung Nordwesten auszudehnen - eine Entwicklung, die schließlich zur Entstehung von A68 führte.

Vom Eisberg profitiert die Meeres-Fauna

Was mit dem Eisberg A68 passieren wird, ist derzeit unsicher. „Er könnte als ganzer Eisberg erhalten bleiben oder schnell in viele kleinere Stücke zerfallen“, sagt Thomas Rackow vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Falls er im Ganzen bestehen bleibt, dürfte er nach Norden und später nach Nordosten treiben. In dem wärmeren Wasser des antarktischen Zirkumpolarstroms würde er dann immer schneller schmelzen, was insgesamt aber mehrere Jahre dauern würde.

Von dem Schmelzen so eines gigantischen Eisbergs profitieren viele Lebewesen im Meer. Eisenhaltige Staubpartikel, die im Eis eingeschlossen sind, werden dabei frei. Sie dienen als Nahrung für das Plankton, dem ersten Glied der Nahrungskette im Südpolarmeer. b

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