Riss im Schelfeis: In der Antarktis entsteht ein Eisberg
Von der Antarktis bricht eine gigantische Eisfläche ab. Sie ist doppelt so groß wie das Saarland. Nur noch 20 Kilometer Eis halten den Brocken am Festland - ein Sturm reicht, dann könnte der Berg losziehen.
Aus der Luft sieht die gigantische Eisfläche makellos weiß aus, die sich von der Antarktischen Halbinsel mehr als hundert Kilometer weit ins Weddell- Meer zieht. Wenn da nicht diese hässliche Narbe wäre, die 175 Kilometer lang das Larsen-C-Schelfeis spaltet. „Das ist ein riesiger Riss, der bereits vor vielen Jahren entstanden ist, sich aber in der letzten Zeit sehr schnell vergrößert hat“, erklärt Daniela Jansen vom Alfred-Wegener-Institut (AWI), dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. In ein paar Wochen oder Monaten könnte dieser Riss ein 5000 Quadratkilometer großes Eisfeld abspalten, das sich als unvorstellbar großer Eisberg mit der doppelten Fläche des Saarlands auf den Weg nach Norden machen wird.
Der Klimawandel könnte der Grund für den Riss sein
Genau wie Daniela Jansen fragen sich viele Forscher längst, ob denn der Klimawandel und die steigenden Temperaturen auf der Erde für diesen Riss im vermeintlich ewigen Eis verantwortlich sind. Ob also das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas hinter dem Entstehen solcher riesigen Eisberge steckt. Einfach lässt sich diese Frage kaum beantworten. Schließlich gab es gigantische Eisberge auch schon in Zeiten, als noch niemand Kohle verbrannte. So kamen AWI-Forscher Jan Erik Arndt und drei seiner Kollegen erst vor Kurzem gewaltigen Eismassen auf die Spur, die mit 1200 Metern so hoch wie ein Mittelgebirge waren und irgendwann in den vergangenen 800.000 Jahren zwischen Grönland und der Inselgruppe Spitzbergen im Nordpolarmeer Richtung Europa trieben.
Vor dieser Höhe wirkt der Eisberg, der gerade im Larsen-C-Schelfeis entsteht, wie ein Zwerg. Dort hat das Eis zwar auch noch Wolkenkratzer-Format, ist am Riss selbst aber gerade einmal 150 Meter dick. Ursprünglich kommt dieses Eis aus dem Inneren der Antarktischen Halbinsel, wo fast alle Niederschläge als Schnee fallen. Im Laufe der Jahrhunderte pressen sich die weißen Schichten unter ihrem eigenen Gewicht zu dicken Eisschichten zusammen, die ähnlich wie ein zäher Sirup langsam Richtung Meer fließen. Einige Kilometer fließen sie dann am Meeresgrund weiter, bevor das Wasser das etwas leichtere Eis vom Grund abhebt. So entstehen bis zu tausend Meter dicke Eisplatten – das Schelfeis. Es schwimmt auf dem Ozean, bleibt an der Landseite aber fest mit dem Gletscher verbunden.
Ein weiterer Sturm reicht - dann kann das Eis reißen
An der Meerseite brechen allerdings immer wieder große Eisberge ab. Normalerweise ist das kein Problem, da vorne nicht mehr Eis verschwindet, als die Gletscher von Land her nachschieben. Anders im Larsen-C-Schelfeis. Dort entstand aus Gletscherspalten schon vor etlichen Jahren eine riesige Spalte. 2014 wurde der Riss dann rasch 30 Kilometer länger. 2016 kamen noch einmal 43 Kilometer dazu.
Vermutlich liegt das am Wetter. Immer wieder drücken Stürme das Eis in Richtung Meer. Dadurch steigt die Spannung im Inneren stark an und reißt das Eis auf. Vom Ende des Risses fehlen inzwischen nur noch zwanzig Kilometer bis zur Schelfeiskante. Nur an diesem seidenen Faden ist die Eisplatte noch mit dem Rest des Schelfeises verbunden. Ein Sturm kann genügen, um diesen seidenen Faden reißen zu lassen. Ein rund 175 Kilometer langes und 35 Kilometer breites Stück Schelfeis wird sich dann ablösen und als Eisberg nach Norden treiben.
Dort ist das Wasser zwar eiskalt, schmilzt den Eisberg aber dennoch langsam ab. Allerdings dauert es eine Weile, bis eine Fläche von der doppelten Größe des Saarlands zu Wasser wird. Solche Giganten erreichen daher manchmal auch Länder wie Brasilien, Südafrika, Australien und Neuseeland.
Und was passiert in der Antarktis? Schließt das vom Land nachfließende Eis die Lücken wieder, die der abbrechende Gigant gerissen hat? Die Forscher untersuchen das am Schelfeis Larsen B, von dem gleich in der Nachbarschaft bereits in den 1990er Jahren riesige Eismassen abgebrochen waren. „Bisher hat sich dort der noch vorhandene winzige Rest der Schelfeiskante praktisch noch kaum weiter ins Meer verlagert“, erklärt Daniela Jansen. So schnell lassen sich riesige Verluste eben nicht ausgleichen. Wenn sie überhaupt wieder heilen sollten.