Vor der Präsidentenwahl: Sabine Kunst empfiehlt sich der Humboldt-Uni
Anhörung vor der Präsidentenwahl an der Humboldt-Universität: Die Kandidatin Sabine Kunst erklärt das Team zum Mittelpunkt.
In einer Woche stellt sich Sabine Kunst an der Humboldt-Universität zur Wahl. Dass die Professorin für Biologische Verfahrenstechnik zur Präsidentin gewählt wird, scheint sicher. Das Kuratorium hat keinen Mitbewerber aufgestellt. Und nach der langwierigen Kandidatensuche sowie dem Flop mit dem überraschend abgesprungenen Würzburger Mediziner Martin Lohse steht die HU unter großem Zeitdruck. Außerdem bringt Kunst genug Erfahrung mit, um bei einer Mehrheit als wählbar zu gelten: unter anderem als Wissenschaftsministerin in Brandenburg (SPD), als frühere Präsidentin der Uni Potsdam und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes sowie als Vizepräsidentin der Uni Hannover. Ein starkes Wahlergebnis könnte Kunst jedoch den für die anstehenden Aufgaben nötigen Wind unter den Flügeln verleihen.
"Bewundernswerte Diskussionskultur"
Am Dienstag hatte Kunst die Gelegenheit, bei den Wählern für sich zu werben. Das Konzil befragte sie, vor vielen neugierigen Uni-Angehörigen. Zwischen dem Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz und den Gremien – und wohl auch im HU-Präsidium – gibt es seit Längerem Reibungen. Kunst reagierte darauf, indem sie immer wieder betonte, wie wichtig ihr Teamarbeit sei. Sie wolle ja gerade an die HU, „weil es für mich sehr attraktiv ist, in die Diskurskultur einer Universität zurückzugehen“, sagte sie. Die Humboldt-Uni sei nicht irgendeine Uni. Ihr besonderes Potenzial liege in ihrer langen Tradition, ihrer „bewundernswerten Diskussionskultur“ in den Gremien und einer hohen Identifikation ihrer Mitglieder, sagte Kunst. Als Präsidentin werde sie ihre Aufgabe darin sehen, „zuzuhören, Diskussionen zu moderieren und zu begleiten, aber auch Verantwortung zu übernehmen und zu entscheiden, wo es unerlässlich ist“.
Die Studierendenvertreter sind skeptisch
Der Studierendenvertreter João Fidalgo fragte skeptisch nach. Bei der umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz sowie bei der Novellierung des Brandenburger Hochschulgesetzes sei Kunst mangelhafte Kommunikation vorgeworfen worden. „Was haben wir zu erwarten?“, fragte er. „Oder kommt das einfach mit dem Ministeramt?“
Kunst zeigte sich lernfähig: „Was die Art und Weise der Vermittlung angeht, würde ich heute das eine oder andere besser machen.“ Aber dass im Zuge der Fusion zu wenig kommuniziert worden sei, sei nicht richtig. Sie habe über hundert Gespräche geführt. Das sei wohl auch der Grund, warum der Hochschulentwicklungsplan von der fusionierten Hochschule ohne Gegenstimme angenommen worden sei und „vor Ort viele sehr zufrieden sind“. Die Fusion sei zwingend gewesen, um der BTU Cottbus angesichts des dramatischen Abiturientenschwunds in Brandenburg das Überleben zu sichern.
Kunst will hart mit dem Berliner Senat verhandeln
Die Studierendenvertreter sind bei der Wahl für Kunst keine sichere Bank. Schon bei der Nominierung im Kuratorium hatten sie als einzige Gruppe gegen Kunsts Kandidatur gestimmt. Besonders kritisieren die Studierenden, dass Kunst als Präsidentin der Uni Potsdam Vorsitzende des Vereins Uni-Assist war, über den viele deutsche Hochschulen Bewerbungen von ausländischen Studierenden gegen Gebühren abwickeln. Kunst sagte, sie wisse, dass es Beschwerden über Uni-Assist gebe. Für Vorschläge, welchen Weg die HU ohne Uni-Assist einschlagen könne, habe sie „ein offenes Ohr“.
Die Probleme mit der Überlast in der Lehre will Kunst angehen, indem sie bei den bald beginnenden Verhandlungen um neue Hochschulverträge mit dem Senat „eine auskömmliche Grundfinanzierung“ erkämpft. Sie habe „ein Gespür, wie sie im Senat ticken“ und werde jedenfalls „keine leichte Verhandlungspartnerin sein – zum Wohle der Humboldt-Universität“. Angesichts der Unterfinanzierung erzeuge der Zustrom von studierwilligen Flüchtlingen „noch mehr Druck auf der Pipeline“, sagte Kunst. Aber die Internationalisierung der deutschen Unis sei sowieso stark ausbaufähig. Die Flüchtlinge seien also eine Chance. Die HU müsse „unbürokratisch und schnell“ handeln.
"Die Verfassung ist, wie sie ist"
Über die Frage, ob die Uni auch mit einem Vizepräsidenten für Haushalt anstatt mit einem Kanzler ihre Finanzen kontrollieren kann, haben sich Olbertz und die HU entzweit. In der Anhörung kam sie erst spät zur Sprache. Kunst sagte: „Die Verfassung ist, wie sie ist.“ Sie halte es für machbar, einen Profi für das Amt des Vizepräsidenten für Haushalt zu gewinnen. Der Posten müsse aber so ausgestaltet sein, dass ihr Inhaber einen Überblick über sämtliche Ressourcen habe, „bei aller Wertschätzung für die Verwaltung“.
Die Verwaltungsleiter, „versteckte Juwelen der HU, wie ich gehört habe“, wolle sie schon in den ersten 100 Tagen kennenlernen. Das Personal in der HU-Verwaltung sei „exzellent“, schmeichelte Kunst weiter. Den von HU-Mitgliedern beklagten Schwächen in der Verwaltung will sie nachgehen, indem sie schnellstmöglich Einblicke in die Abläufe gewinnt.
Das Konzil reagierte mit engagiertem Klopfen
Als ihre erste große Aufgabe sieht Kunst die nächste Bewerbung für die Exzellenzinitiative an. Kunst rechnet damit, dass über das neue Format der Exzellenzzentren eine institutionelle Förderung eingebaut wird und dass es auch eine Linie für Bewerbungen regionaler Spitzenstandorte geben wird. Anders als der Amtsinhaber scheint Kunst keineswegs dafür zu sein, dass die HU sich dennoch allein bewirbt. Vielmehr will sie, dass die Uni neue Netzwerke akquiriert. Kunst zeigte sich über die vielen Möglichkeiten in der Berliner Wissenschaftslandschaft bestens informiert. Der mit der letzten Exzellenzinitiative angestoßenen Fakultätsreform steht sie zurückhaltend gegenüber. Dort, wo die Fusion von Fakultäten inhaltlich motiviert und entsprechend von der Basis unterstützt werde, sei sie gut. „Aber eine Reform um der Reform willen ist ein stacheliges Feld.“
Ob Kunsts Auftritt die Konzilsmitglieder überzeugt hat, besprachen sie im Anschluss an die Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auf Kunsts Ansage, sie könne schon zum nächsten Semester antreten, sollte sie gewählt werden, reagierte das Konzil jedenfalls mit engagiertem Klopfen.
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