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RKI-Chef Lothar Wieler legte die aktuelle Lage dar.
© Michael Kappeler/Reuters

„Tun Sie es für Oma und Opa“: RKI-Chef Wieler schlägt wegen Schicksal der Älteren Alarm

Mit einem Appell hat RKI-Chef Wieler das Schicksal Älterer in Fokus gerückt. Er rechnet mit vielen weiteren Toten.

Die Fallzahlen in der Coronavirus-Pandemie in Deutschland bleiben zu Beginn der Verlängerung des Teil-Lockdowns auf hohem Niveau. Zudem sterben aktuell viele Menschen an Covid-19 – am Donnerstag wurden 497 weitere Todesfälle binnen 24 Stunden gemeldet.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, appellierte daher in seiner wöchentlichen Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin eindringlich an die Bundesbürger, daran mitzuwirken, „die Infektionen auf ein Level zu senken, mit dem wir alle umgehen können“.

Wieler sagte: „Die Lage bleibt weiter sehr angespannt.“ Die Zahl der Neuinfektionen hätte sich zwar auf einem hohen Niveau stabilisiert. Dies sei ein erster Erfolg. „Aber es infizieren sich noch immer zu viele.“

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Immer seltener gelinge es zudem, das Virus aus Altenheimen herauszuhalten. Auch einige Krankenhäuser würden an die Belastungsgrenze stoßen, so Wieler. Die Zahl der Todesfälle steige von Woche zu Woche. Im weiteren Zeitverlauf sei mit „vielen weiteren Toten“ zu rechnen. „Diese Entwicklung ist leider nicht überraschend“, sagte er.

„Covid-19 ist eine vermeidbare Erkrankung“, sagte Wieler. Man könne sich prinzipiell überall anstecken. Der RKI-Chef betonte aber: „Wir sind dem Virus nicht hilflos ausgeliefert.“ Es gehe um die AHA-Regeln. Es müsse überall, auch im häuslichen Umfeld, auf Abstand, Alltagsmasken, Hygiene und regelmäßiges Lüften geachtet werden.

Infektionen bei Älteren steigen weiter an

„Bitte beherzigen Sie diese Regeln immer und überall“, appellierte er an die Bevölkerung. „Diese Maßnahmen werden uns noch lange begleiten“, sagte er. „Sie schützen sich selber, und Sie schützen aber auch andere, und Sie tun es auch für Oma und Opa.“

In den vergangenen drei Wochen habe sich die Zahl der Infektionen in älteren Altersgruppen deutlich erhöht. Die Dynamik der Infektionen in Krankenhäusern sei dagegen wesentlich geringer. „Unseren Altenheimen fehlen gewisse Möglichkeiten, die Krankenhäuser haben“, sagte Wieler. In der Gruppe der über 80-Jährigen seien bislang mehr als 11.500 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 registriert worden.

Der Schutz vulnerabler Gruppen sei von Anfang an sehr wichtig gewesen, so der RKI-Chef. „Die Alten- und Pflegeheime benötigen die notwenigen Ressourcen, um die empfohlenen Hygienekonzepte umsetzen zu können“, mahnte er.

„In den Pflege- und Altenheimen sollten die Konzepte, die wir erarbeitet haben, besonders intensiv eingesetzt werden“, betonte der RKI-Chef. Auch Testung spiele dabei eine Rolle. Diese seien in erster Linie dafür da, zu überprüfen, ob ein Hygienekonzept funktioniere.

„Das ist eine ethische Kapitulation“

Nach einer sehr erfolgreichen Eindämmung im Frühjahr bekomme Deutschland die Zahlen derzeit „nicht mit aller Verve runter“. Der RKI-Präsident äußerte aber die Hoffnung, dass die Mitmach-Bereitschaft der Menschen zunehme, da inzwischen auch mehr aus eigener Anschauung merkten, wie ernstzunehmend die Krankheit sei. „Diese Krankheit wünschen wir keinem. Und wir wollen sie auch selber nicht haben“, sagte Wieler.

Mit Blick auf die von Bund und Ländern angestrebte Senkung der Neuinfektionen auf unter 50 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen sagte Wieler, dies sei „prinzipiell machbar“. Es hänge aber maßgeblich vom Verhalten der Menschen ab, wie schnell es machbar sei.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) rückte die derzeit hohe Zahl an Covid-19-Toten am Donnerstag in den Fokus. Bei einem Besuch im Corona-Hotspot Passau forderte er, diese in der öffentlichen Debatte über die Corona-Auflagen stärker zu berücksichtigen.

Es sei für ihn nicht erklärbar, warum dieser Aspekt nicht höher bewertet werde. „Das ist eine ethische Kapitulation.“ Am Vortag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten grundsätzlich darauf verständigt, dass die bestehenden Auflagen bis zum 10. Januar verlängert werden sollen.

Die Gesundheitsämter in Deutschland hatten dem RKI am Donnerstag 22.046 neue Coronavirus-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Damit liegt der Wert knapp unter den 22.268 Fällen der Vorwoche. Mit 479 neuen Todesfällen binnen eines Tages meldeten die Gesundheitsämter außerdem den zweithöchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Den bisherigen Höchstwert von 487 Todesfällen gab es am Mittwoch. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg am Donnerstag auf 17.602.

Positivrate stagniert

Wie das RKI in seinem Lagebericht vom Mittwochabend unter Berufung auf das Divi-Intensivregister schreibt, lagen Stand Mittwochmittag 3957 Patienten auf Intensivstationen, 38 mehr als am Vortag. Von ihnen mussten zu diesem Zeitpunkt 2353 beatmet werden.

Das RKI zählt in Deutschland seit Beginn der Pandemie 1.106.789 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 (Stand: 03.12., 00.00 Uhr). RKI-Schätzungen zufolge sind rund 800.000 Menschen inzwischen genesen.

Der sogenannte Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Mittwoch bei 0,89 (Vortag: ebenfalls 0,89). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch 89 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor acht bis 16 Tagen ab. Liegt der Wert für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.

Auch die Positivrate der Tests zeigt, dass das Infektionsgeschehen in Deutschland auf hohem Niveau stagniert. Sie ging dem Lagebricht zufolge in der Woche vom 23. November leicht auf 9,28 Prozent zurück. In der Woche zuvor betrug der Wert 9,34 Prozent. Getestet wurden 1,36 (KW 47) beziehungsweise 1,31 Millionen Menschen (KW 48).

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