"Pille", Spirale und Krebs: Riskante Verhütung
Dänische Studie: Die Hormone in Verhütungsmitteln wie "Pille" und Spirale erhöhen die Brustkrebs-Gefahr leicht.
Von 7690 Frauen, die ein Jahr lang die „Pille“ zur Verhütung nehmen, erkrankt eine mehr an Brustkrebs als in einer gleich großen Gruppe von Altersgenossinnen, die das nicht tun. Auf 100 000 umgerechnet sind es 13 mehr: 68 statt 55 Frauen. Es ist ein kleiner, aber statistisch aussagekräftiger Unterschied, von dem dänische Wissenschaftler um Lina Mørch von der Universität Kopenhagen im „New England Journal of Medicine“ berichten. Bedeutung erhält das Ergebnis aber durch die Fülle der ausgewerteten Daten: Die Geschicke von 1,8 Millionen Däninnen, zu Beginn 15 bis 49 Jahre alt, wurden über fast elf Jahre verfolgt.
Risiko war schon in kleineren Studien erkennbar
Register sammeln in diesem skandinavischen Land zum Nutzen der Wissenschaft Informationen sowohl über die Medikamenten-Einnahme als auch über Krebserkrankungen. So ließ sich erstmals anhand großer Zahlen auch ein Zusammenhang zwischen hormonhaltigen Spiralen (etwa der "Mirena") und Brustkrebs-Risiko ermitteln, der sich schon in kleineren Studien abzeichnete. Dass auch sie das Risiko leicht erhöhen, deutet auf die wichtige Rolle von Gestagenen, die das Hormon Progesteron synthetisch nachahmen. „Wichtig ist aber nun auch, langfristig zu schauen, wie sich das auf die Sterblichkeit auswirkt“, kommentiert Horst Lübbert, Gynäkologe und Hormonexperte an der Berliner Uniklinik Charité.
Widersprüchliche Ergebnisse
Eine ganze Reihe von Studien wurde speziell zur „Pille“ seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts durchgeführt – mit durchaus widersprüchlichen Ergebnissen. Bisher fehlten allerdings derart große Datensätze zu den neuen, niedriger dosierten Präparaten. Zuletzt werteten Forscher um Lisa Iversen von der Universität Aberdeen die Daten von über 46 000 Frauen aus, die Ende der 60er Jahre, also in der Frühzeit der „Pille“, für eine Langzeit-Untersuchung gewonnen werden konnten. Ihre Studie erschien im März in „The American Journal of Obstetrics and Gynecology“. Die Auswertung ergab, dass unter den Nutzerinnen der oralen Kontrazeptiva etwas mehr Brustkrebs auftrat, während sie vor anderen Krebsarten langfristig besser geschützt waren als die Frauen, die niemals die „Pille“ genommen hatten. Die Bilanz sei neutral, so folgerte Epidemiologin Iversen.
Der "Fluch der Nonnen"
Dass weibliche Geschlechtshormone und Brustkrebs in enger Beziehung zueinander stehen, ist lange bekannt. Einiges ist dabei genetisch festgelegt, etwa die Zeitspanne, in der eine Frau im Verlauf ihres Lebens schwankenden Hormonspiegeln ausgesetzt ist. Wer früh seine erste Menstruationsblutung bekommt und erst spät in die Wechseljahre kommt, gilt als Brustkrebs-gefährdeter. Eine lange Folge ununterbrochener Monatszyklen erhöht zudem das Risiko für einige weitere gynäkologische Tumorerkrankungen. Schon im 18. Jahrhundert wurden sie als der „Fluch der Nonnen“ bezeichnet. Im Jahr 1969 belegte eine Studie des Nationalen Krebsinstituts der USA dann auch statistisch, dass Ordensschwestern deutlich häufiger an Krebs der Brust, der Eierstöcke und der Gebärmutter sterben als die weibliche Gesamtbevölkerung.
Wird das monatliche Auf und Ab der Hormone durch Schwangerschaften und Stillzeiten unterbrochen, dann wirkt das umgekehrt schützend: Je mehr Kinder eine Frau ausgetragen hat und je länger sie stillt, desto niedriger ist ihr Brustkrebsrisiko. Um sich diesen Wunsch zu erfüllen, unterzieht sich eine Gruppe von Frauen aber auch Kinderwunsch-Behandlungen, in deren Rahmen sie für einen bestimmten Zeitraum teilweise hochdosierte Hormonpräparate einnehmen müssen. Ob sich das auf das Brustkrebs-Risiko auswirkt, ist noch nicht ausreichend geklärt.
Paradox: Die Pillen-Hormone schützen auch vor Krebs
Was man dagegen weiß: Die „Pille“ kann auch vor Krebs schützen. Präparate mit den weiblichen Hormonen Östrogen und Gestagen, die den Eisprung unterdrücken, senken nämlich das Risiko, Krebs in Gebärmutter und Eierstöcken zu bekommen. Große epidemiologische Studien konnten zeigen, dass die Sterblichkeit an Gebärmutter- und Eierstockkrebs von Nutzerinnen der Pille gegenüber Gleichaltrigen, die niemals Mittel zur hormonellen Empfängnisverhütung eingenommen hatten, halbiert war. Iversens Untersuchung belegt nun, dass dieser Schutz über 30 Jahre lang anhält. Die beiden Tumorarten sind zwar seltener. Sie werden jedoch auch mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit früh entdeckt, so dass die Heilungschancen schlechter sind.
In der Bewertung der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO (die zuletzt durch ihre strenge Bewertung der Krebsrisiken durch Glyphosat in die Schlagzeilen kam) aus dem Jahr 2012 wird zudem ausdrücklich vermerkt, dass die „Pille“ das Risiko für den – recht häufigen – Darmkrebs senken könnte.
Lässt man ihren eigentlichen Zweck nicht ganz außer Acht und nimmt unseren gesamten Globus in den Blick, dann muss man die hormonellen Mittel zur sicheren Empfängnisverhütung und Geburtenkontrolle ohnehin als große Unterstützer von Frauengesundheit, Bildung und Wohlstand betrachten.