Unbefleckte Verhütung: Nonnen sollen Pille zur Krebsvorbeugung nehmen
Die etwas andere Weihnachtsbotschaft: Australische Mediziner empfehlen Nonnen, die Pille zu nehmen, um damit einer Krebserkrankung vorzubeugen.
Die Katholische Kirche sollte Ordensfrauen freien Zugang zur Pille verschaffen. Eine starke Forderung, die Kara Britt von der australischen Monash-Universität im Medizinerjournal „Lancet“ vertritt. Und das kurz vor Weihnachten, pünktlich zum heutigen katholischen Hochfest der „ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“.
Die Brustkrebsforscherin und ihr Kollege Roger Short von der Universität von Melbourne sehen sich dennoch im Einklang mit der offiziellen Lehrmeinung des Vatikans. Denn sie argumentieren medizinisch und möchten den rund 95 000 katholischen Nonnen dieser Welt keineswegs ein Mittel zur Verhütung unerwünschter Schwangerschaften an die Hand geben. Als solches hat Papst Paul VI. in seiner Enzyklika „Humanae Vitae“ 1968 allein sexuelle Enthaltsamkeit für zulässig erklärt. Allerdings steht dort auch, dass hormonhaltige Medikamente durchaus zu therapeutischen Zwecken verwendet werden dürfen, „selbst wenn sie kontrazeptive Wirkungen haben“. Und um diese erwünschten Nebeneffekte der Pille geht es Britt und Short in ihrem streitbaren Kommentar. Und zwar im Kampf gegen Krebs.
Schon 1969 zeigte eine Studie des Nationalen Krebsinstituts der USA, dass Nonnen häufiger an Krebs der Brust, der Eierstöcke und der Gebärmutter sterben. Inzwischen belegen Untersuchungen und Statistiken den Zusammenhang zwischen Schwangerschaften, Anzahl der Menstruationszyklen und Anfälligkeit für Krebs an den Organen, die mit der weiblichen Fortpflanzung zu tun haben. Frauen, die keine Kinder geboren haben und die, die ihre erste Blutung früh oder die letzte sehr spät bekamen, haben häufiger mit diesen Tumoren zu kämpfen.
Eine Ordensfrau hat – wie alle Frauen, die keine Schwangerschaften durchleben – im Verlauf ihres Lebens mit bis zu 450 Monatsblutungen zu rechnen. Das mit periodischem Auf und Ab verbundene Wechselspiel der Hormone, das Frauen fruchtbar macht, begünstigt anscheinend das Wachsen bestimmter Krebsformen.
Die Pille kann das Risiko Krebserkrankungen offenbar vermindern
Im frühen 18. Jahrhundert, als es noch die Norm war, dass verheiratete Frauen über Jahre schwanger waren oder stillten, fiel dem italienischen Arzt Bernardino Ramazzini auf, dass Nonnen öfter als ihre Geschlechtsgenossinnen draußen in der Welt an Brustkrebs starben. Als „verfluchte Pest“ der Ordensfrauen bezeichnete er das Leiden. In unserer Gesellschaft, in der Schwangerschaften ohnehin seltener sind, fällt der Unterschied kaum noch auf. Doch der Bevölkerungswissenschaftler Marc Luy von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Daten von 12 000 modernen Nonnen und Mönchen ausgewertet hat, konnte belegen, dass die Sterblichkeit der Nonnen in der Altersgruppe um die 65 höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Das ist die Phase, in der die weiblichen Krebsformen häufig Opfer fordern.
Hier kommt die Pille ins Spiel. Nicht nur Schwangerschaften und Stillzeiten, sondern auch hormonelle Mittel der Empfängnisverhütung, die den Eisprung unterdrücken, vermindern offensichtlich das Risiko, zumindest für einige Formen dieser „Pest“. Die australischen Forscher führen zwei epidemiologische Studien aus dem Jahr 2010 ins Feld, in denen die Sterblichkeit von Nutzerinnen der Pille mit derjenigen gleichaltriger Frauen verglichen wurde, die niemals Mittel zur hormonellen Empfängnisverhütung eingenommen hatten. An Brustkrebs waren in beiden Gruppen gleich viele Frauen gestorben, doch das Risiko, Gebärmutter- oder Eierstockkrebs zu bekommen, war mit Pille um mehr als die Hälfte verringert. Zwar sind die Krebsformen seltener als Brustkrebs, sie werden allerdings oft zu spät erkannt, um heilbar zu sein.
„Der Schutzeffekt gegen Eierstockkrebs bei Frauen, die viele Jahre die Pille genommen haben, hält bis zu 30 Jahre nach Absetzen an, bestätigt der Berliner Gynäkologe und Hormonspezialist Horst Lübbert. Möglicherweise verhindert die Pille eine Entzündung der Eileiter.
1999 hatte der brasilianische Hormonspezialist Elsimar Coutinho in dem Buch „Is Menstruation Obsolete?” geschrieben, dass das zyklische Geschehen in der Normalbiografie jüngerer Frauen der reichen Länder heute mehr Raum einnimmt als je zuvor: „Die Frauen sind von einer Epoche ununterbrochener Fruchtbarkeit in eine der ununterbrochenen Menstruationszyklen gewechselt.“ Coutinho warnte vor erhöhter Krebsgefahr und vor Leiden wie Endometriose, bei denen sich Schleimhaut aus der Gebärmutter in der Bauchhöhle ablagert.
Aber empfiehlt es sich aufgrund solcher Gefahren, die Pille einzig und allein zur Vorbeugung zu empfehlen, wie es bei Nonnen der Fall wäre? Dagegen spricht das erhöhte Risiko, eine Thrombose oder sogar eine lebensgefährliche Embolie zu erleiden – eine Gefahr, die vor allem Raucherinnen droht. „Man muss bedenken, dass Zehntausende von Nonnen die Pille nehmen müssten, um wenige Fälle von Krebs zu verhindern“ gibt der Gynäkologe Michael Untch vom Helios-Klinikum in Berlin-Buch zu bedenken und weist auf die Nebenwirkungen hin.
Die australischen Wissenschaftler heben denn auch hervor, die persönliche Ausgangslage jeder einzelnen Frau müsse berücksichtigt werden. Nimmt man ihre Sorge ernst, muss sie allen Frauen gelten, die keine Kinder bekommen, ob sie nun enthaltsam leben oder lesbische oder heterosexuelle Beziehungen haben. Offensichtlich wollten die Autoren des Kommentars aber pünktlich zum Festtag der „unbefleckten Empfängnis“ zusätzlich noch ein wenig provozieren.