Medizin: Rheuma-Therapien wirken lebensverlängernd
Rheuma trifft neben Gelenken auch Gefäße, Kranke können ein höheres Risiko für Herzleiden tragen. Doch inzwischen gibt es Therapien, die lebensverlängernd wirken.
Was man im Leben nicht groß ändern kann, das sollte man lieber nicht so wichtig nehmen. Entzündliche Veränderungen an den Gelenken waren noch bis vor wenigen Jahrzehnten ein gutes Anwendungsgebiet für diese kluge Maxime. Der Trost lautete dann meist: „An Rheuma leidet man, doch an Rheuma stirbt man nicht.“
Zunächst spricht einiges dafür, dass das stimmt: Die meisten der rund 1,5 Millionen Menschen, die in Deutschland eine Erkrankung aus dem großen Kreis der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen haben, leben viele Jahre lang mit ihrer chronischen Krankheit. Und sie sterben eines Tages „an etwas anderem“. Doch hinter diesem „anderen“ kann ihre rheumatische Erkrankung stecken. Das Rheuma, das sich für die Schmerzgeplagten oft nur in den Gelenken bemerkbar macht, ist kein Zipperlein, sondern eine Entzündungsreaktion, die den gesamten Organismus betreffen kann.
Besonders Herz und Gefäße sind gefährdet. Schlägt die Krankheit direkt aufs Herz, kommt es zu Entzündungen des Herzmuskels, einer Myokarditis. Sind die Herzklappen betroffen, kann das die Leistung des Herzens stark einschränken.
Höheres Risiko für Herz- und Gefäßleiden
Inzwischen ist aber auch belegt, dass Menschen, die an einer Rheumatoiden Arthritis leiden, zugleich ein höheres Risiko für weit verbreitete Herz- und Gefäßleiden tragen, die nicht direkt mit dem Rheuma zu tun haben, etwa für Arteriosklerose, Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen sowie Herzinfarkt.
Zudem wirken sich Risikofaktoren wie zu hoher Blutdruck, starkes Übergewicht und das Rauchen bei ihnen stärker aus als bei Personen, die nicht unter entzündlichem Rheuma leiden. Wer lange Zeit Kortison-Präparate und Schmerzmittel aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika einnimmt, erhöht das Risiko für Herz und Gefäße nochmals.
Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht. Das Risiko sinkt, wenn Basis-Medikamente wie Methotrexat und moderne Antikörper die Krankheitsaktivität in Schach halten.
Zuletzt belegten Daten aus einem großen schwedischen Krankheitsregister: Patienten, bei denen Injektionen oder Infusionen mit Wirkstoffen, die den an Entzündungsreaktionen beteiligten Tumornekrosefaktor hemmen, gut anschlagen, tragen im Vergleich zu Altersgenossen ohne Rheuma kein erhöhtes Risiko für eine Verengung der Herzkranzgefäße und einen Infarkt. „Die Daten zeigen, dass eine Kontrolle der Entzündung ein wesentlicher Faktor für das Überleben der Patienten ist“, sagt Matthias Schneider vom Uniklinikum Düsseldorf, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
Schmerzen nicht schicksalsergeben erdulden
Es empfiehlt sich also aus doppeltem Grund, rheumatische Veränderungen und Schmerzen an den Gelenken nicht schicksalsergeben zu erdulden. Die Medikamente, die die Symptome lindern, verlängern zugleich das Leben.
Wenn an mehreren Gelenken immer wieder weiche, schmerzhafte Schwellungen auftreten, zum Beispiel in den Fingern, wenn die Gelenke am Morgen steif und überhaupt nicht „gelenkig“ sind, wenn die Hände seltsam kraftlos werden und der Rücken nachts so weh tut, dass die Beschwerden einem den Schlaf rauben, wenn man dazu eventuell Symptome wie bei einer Grippe hat – dann sind das Gründe, zum Arzt zu gehen.
Dass Menschen mit entzündlichem Gelenkrheuma inzwischen besser versorgt sind als noch vor 25 Jahren, belegen Vergleichsdaten. Gegenüber dem Jahr 1993 haben krankheitsbedingte Arbeitsausfälle und Frühberentungen drastisch abgenommen. „Es geht den Patienten heute deutlich besser als vor 25 Jahren“, sagt Angela Zink vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin.
Sind Patienten zu Beginn der 90er Jahre im Schnitt erstmals zwei Jahre nach Beginn der Symptome zum Arzt gegangen, so vergeht heute nur ein Jahr. „Das ist eine deutliche Verbesserung, doch immer noch nicht das, was wir wollen.“ Denn nur zwei Drittel der Betroffenen landen bei einem Internisten, der sich auf Rheumatologie spezialisiert hat, viele Patienten warten bis zu fünf Monate auf einen Termin bei einem der begehrten Experten.
Es werden mehr Rheumatologen gebraucht
In einem gerade erschienenen Memorandum der Fachgesellschaft zur Versorgungsqualität wird ein Mindestbedarf von 1350 niedergelassenen Rheumatologen errechnet, derzeit stehen nur 776 zur Verfügung.
Ziel sei es, dass alle Patienten, bei denen der Hausarzt einen Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung hat, innerhalb von zwei Wochen einen Termin beim Rheumatologen bekommen. Inzwischen werden dort „Früherkennungssprechstunden“ angeboten.
„Je eher ich die Aufsummierung von Entzündungen kontrolliere, desto besser ist das Ergebnis“, fasst der Rheumatologe Matthias Schneider die Erfahrungen der letzten Jahre zusammen. Im besten Fall erinnern einen dann nur die Medikamente daran, dass man Rheuma hat.