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Rauch soll in nachgebildeten Bahnabteilen sichtbar machen, wie sich dort Aerosole verbreiten, die in der Realität Viren enthalten könnten.
© DLR

So fahren Sie möglichst sicher in die Ferien: Reisen ist möglich – aber Urlaub vom Virus gibt es nicht

Mit Küsten, Bergen und Seen sind viele Reiseziele wieder erreichbar. Doch wie infektionssicher reist es sich in Bussen, Bahnen und Flugzeugen?

Was bis vor kurzem noch undenkbar, weil epidemiologisch fahrlässig erschien, ist jetzt möglich: Die ersten Urlauber fliegen nach Mallorca, sitzen in der Bahn nach Österreich oder im Bus nach Italien.

Aber das Hochgefühl, dem im Lockdown zum Büro verkommenen Heim nun doch entfliehen zu können, ist nicht ganz ungetrübt. Die Frage, wie hoch das Infektionsrisiko in vollen Bussen, Bahnen und Flugzeugen ist, reist mit.

„Was wenn in Reihe 13 einer hustet, wie weit werden die Aerosole mit den Viren dann getragen?“ Das fragt sich Andreas Dillmann, Leiter des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR in Göttingen. Und nicht nur, weil er selbst über eine Urlaubsreise nachdenkt.

Reiseveranstalter, Bus-, Bahn- und Luftfahrtfirmen suchen dringend nach Antworten, wie sie Reisende sicher befördern und trotzdem finanziell über die Runden kommen können. Einige können Forscher wie Dillmann geben, andere noch nicht.

Die Kardinalfrage, wie und auf welche Entfernung der Covid-19-Erreger Sars-CoV-2 von einem Infizierten auf einen Gesunden übertragen wird, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. Das hängt auch damit zusammen, dass der Erreger noch so neu ist.

Begrenztes Wissen, wie sich Viren verbreiten

Doch auch bei länger bekannten ist das Wissen begrenzt: „Bei so einigen Virus-Infektionen wissen wir noch nicht genau, wie sie übertragen werden und welcher Übertragungsweg relevant ist“, sagt Melanie Brinkmann von der Technischen Universität und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.

Fliegen für Dummies. Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Göttingen untersuchen Forscher, wie sich Aerosole in Zugabteilen verbreiten und welche Maßnahmen zur Vermeidung von Ansteckungen mit Sars-CoV-2 helfen könnten. Dafür werden die Testpuppen sogar lebensnah zum Atmen und auf Temperatur gebracht.
Fliegen für Dummies. Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Göttingen untersuchen Forscher, wie sich Aerosole in Zugabteilen verbreiten und welche Maßnahmen zur Vermeidung von Ansteckungen mit Sars-CoV-2 helfen könnten. Dafür werden die Testpuppen sogar lebensnah zum Atmen und auf Temperatur gebracht.
© DLR

Zwar können Virologinnen wie Brinkmann das Erbgut des Sars-CoV-2-Erregers in der Atemluft von infizierten Menschen nachweisen, in ihren Exkrementen oder an Gegenständen, die sie angefasst haben. „Nur findet man mit diesen PCR-Tests eben nur das Erbgut des Virus, weiß aber noch lange nicht, ob der Erreger intakt ist und Menschen infizieren kann“, erklärt der Virologe Bernhard Fleckenstein von der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen.

Dazu müssen die Forscher aufwändig testen, ob sich in der Atemluft oder im Stuhl genug infektiöse Viren befinden, um etwa Zellkulturen anzustecken. Und selbst wenn das klappt, muss das nicht heißen, dass die Atemluft infektiös genug ist, um bei einer flüchtigen Begegnung in der Bahn infiziert zu werden. Daher müssen werden Übertragungswege meist mit Hilfe bekannter Infektionen rekonstruiert – eine mühsame Detektivarbeit.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden]

„Ein wesentlicher Übertragungsweg sind demnach winzig kleine Tröpfchen, die ein Sars-CoV-2 infizierter Mensch beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt“, sagt Brinkmann. Diese Tröpfchen sinken relativ rasch zu Boden, kommen kaum weiter als 1,50 Meter.

Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO zu Menschen, die nicht zum eigenen Haushalt gehören, mindestens diesen Abstand einzuhalten. Beim Husten und Niesen können die Tröpfchen allerdings viel weiter geschleudert werden. Deshalb sollte man in seine Armbeuge niesen oder husten und sich dabei von seinem Gegenüber abwenden.

Der Weg der Aerosole durch Restaurants und enge Räume

Die Detektivarbeit der Epidemiologen hat aber inzwischen gezeigt, dass es neben solchen Tröpfchen-Infektionen noch weitere Übertragungswege gibt. So saßen Anfang 2020 in der chinesischen Elf-Millionen-Stadt Guangzhou zwei mit Sars-CoV-2 Infizierte in einem kleinen Restaurant am mittleren von drei Tischen. An der Innenwand des Raumes erzeugte eine Klimaanlage einen leichten Luftstrom in Richtung Fenster.

Alle Menschen am dort stehenden Tisch wurden mit Covid-19 infiziert, obwohl sie mehr als 1,50 Meter von den beiden Infizierten am mittleren Tisch entfernt saßen. Sie dürften sehr kleine Tröpfchen, weniger als einen zweihundertstel Millimeter große „Aerosole“, eingeatmet haben, die leicht genug sind, um minuten-, mitunter stundenlang in der Luft und weiter als 1,50 Meter zu schweben.

„Im Freien scheinen diese Aerosole beim Übertragen von Sars-CoV-2 kaum eine Rolle zu spielen“, sagt Brinkmann, „in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen sieht das aber anders aus“. Die Erfahrung, etwa von den Ansteckungsfällen in einer Après-Ski-Bar im österreichischen Ischgl, zeigt: Je länger und enger ein Mensch mit einem Infizierten Kontakt hat, umso eher steckt er sich an.

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Das trifft auch auf die Karnevalsveranstaltung in Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, auf Gottesdienste, in denen die Menschen beim Singen zudem mehr Aerosole und Tröpfchen produzieren, und Clubs voller Partygänger zu.

Neuere Studien zeigen, dass sich Sars-CoV-2 vor allem über „Super-Spreading-Ereignisse“ verbreitet – also Orte, „wo viele sich meist fremde Menschen auf engem Raum längere Zeit zusammensitzen“, erklärt Fleckenstein. Und das trifft nun mal auch auch Zugabteile, Flugzeugkabinen und Busse zu.

Mit atmenden Dummies den Weg der Aerosole ergründen

Um dennoch Ansteckungen vermeiden zu können oder das Risiko wenigstens so weit wie möglich zu minimieren, wäre es hilfreich zu wissen, wie sich Tröpfchen und Aerosole in Flugzeugen und Zügen verteilen. „Wir untersuchen bereits seit 25 Jahren die Luftströmungen in Flugzeugen und Eisenbahn-Wagen“, sagt Dillmann.

Vor Covid-19 achteten die Wissenschaftler allerdings eher auf den Komfort der Passagiere, etwa dass „sie keine kalten Füße bekommen“, sagt Claus Wagner, Dillmans Kollege vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.

Sein Forschungsteam baut Flugzeug-Kabinen und Eisenbahn-Großraumwagen samt Sitzen und Gepäckablagen nach und platziert dort auch Passagiere - wenn auch nicht immer aus Fleisch und Blut, sondern meist eigens dafür entwickelte Dummies, die sogar mit kleinen Elektroheizungen auf ähnliche Temperaturen gebracht werden wie ein lebender Mensch sie hat: „Kopf und Brust sind ein wenig wärmer, an Füßen und Hände liegt die Temperatur dagegen niedriger“, beschreibt Dillmann die Dummies. Und natürlich atmen sie auch. „Dafür haben wir einen Kolben eingebaut, der Luft in ähnlichen Mengen wie ein Mensch beim Atmen ausstößt.“

In sechs Sitzreihen zu je zwei Sitzpaaren, zwischen denen der Mittelgang eines Hochgeschwindigkeitszuges verläuft, sitzen im Göttinger DLR-Labor dann 24 Dummies und stoßen mit jedem „Atemzug“ bis zu eineinhalb Liter Luft aus, der Tröpfchen und ein Spurengas beigemischt werden. Mit Highspeed-Kameras und Sensoren messen die Forscher dann, wie sich Tröpfchen und Gas im Zug oder der Flugzeugkabine verteilen. „Ähnlich wie Zigarettenrauch schweben dort die Aerosole in der Luft und wir können beobachten, wie sie langsam verdunsten und kleiner werden“, schildert Dillmann die Experimente.

Die Messungen fließen in ein Computermodell ein, mit dem sich simulieren lässt, wie sich Abstandsregeln von 1,50 Meter, leere Sitze oder Sitzreihen jeweils auswirken auf die Verteilung der Aerosole. „Dabei können wir allerdings kein Infektionsrisiko, sondern nur das Verhalten der Tröpfchen und Aerosole beobachten“, betont Wagner.

Bis die ersten Ergebnisse der in enger Kooperation mit der Deutschen Bahn gerade beginnenden Versuche vorliegen und die DLR-Forscher daraus ein an Sars-CoV-2 und ähnlich übertragene Infektionen angepasstes Lüftungskonzept entwickeln können, behelfen sich Fluggesellschaften, Bahnunternehmen und Reisebusse, sowie der öffentliche Personen-Nahverkehr mit der Pflicht, einen Mund-Naseschutz zu tragen und die Abstandsregel zu Fremden nach Möglichkeit einzuhalten.

Ein einfacher Mund-Nase-Schutz senkt das Infektionsrisiko etwa um die Hälfte

Auch wie sich ein Mund-Nase-Schutz aller Reisenden auf die Verteilung der Aerosole und somit das Infektionsrisiko auswirkt, erforschen die DLR-Forscher derzeit, indem sie ihren Dummies verschiedene Masken aufsetzen. Die Ergebnisse dieser Tests liegen allerdings noch nicht vor.

Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin (TUB) hat die Wirksamkeit solcher Masken dagegen bereits in Computersimulationen untersucht, in denen etwa 3,5 Millionen virtuelle Berliner zu Bushaltestellen oder S-Bahn-Stationen laufen, in U-Bahn-Abteilen sitzen, sowie mit dem Fahrrad oder im Auto zur Arbeit, zu einem Fußballspiel oder zu einem Konzert fahren.

Die Simulation basiert auf Messungen, wie viele Menschen wie lange etwa in Bussen, U-Bahnen oder in Klassenzimmern zusammensitzen. Da sie auch die Größe der Räume oder Verkehrsmittel kennen, können sie im Modell das Infektionsgeschehen in einer ganzen Stadt oder Region simulieren und das vom Computer abgeschätzte Risiko einer Ansteckung mit dem Geschehen in der realen Welt abgleichen.

Bei Masken gilt: Je mehr Lagen, desto besser der Schutz

„Wenn wir in diesen Computermodellen das Risiko einer Infektion mit Hilfe von Alltagsmasken oder medizinischen Masken verringern, stecken sich jeweils entsprechend weniger simulierte Menschen als ohne einen solchen Schutz an“, sagt Nagel. Selbst mit Alltagsmasken verringern sich die Infektionen noch stark – etwa um die Hälfte. „Beim Niesen kommen durch eine dreilagige OP-Maske praktisch keine größeren Tröpfchen durch, während eine Baumwollmaske mit nur einer Lage schon noch einige Tröpfchen durchlässt“, sagt HZI-Virologin Melanie Brinkmann.

„Die noch kleineren Aerosole hält der Mund-Nasenschutz ohnehin nur zum Teil zurück“, sagt FAU-Virologe Bernhard Fleckenstein. Einen vollständigen Schutz bieten die Alltagsmasken also nicht. Es gilt: Je mehr Lagen Stoff die Luft filtern, umso besser ist die Wirkung.

Eines allerdings darf beim Nachstellen der Bahn-, Flug- und Busreisen im Labor nicht vergessen werden: Die Dummies fragen nicht nach einer Brotzeit oder einem Schluck Cola. In der Realität aber werden Passagiere insbesondere bei Langstreckenflügen und langen Bahnfahrten die Masken zum Essen und Trinken abnehmen müssen. Damit ist der Schutzeffekt natürlich dahin. 

„Das Freihalten des Mittelsitzes im Flugzeug wäre daher durchaus sinnvoll“, meint Fleckenstein. Kollegin Melanie Brinkmann kommt zu einem anderen Schluss. Sie würde „derzeit auch auf Bahnfahrten lieber verzichten, wenn sie nicht unbedingt notwendig sind“. Und Kai Nagel überlegt, ob er für seine nächste längere Reise nicht doch wieder mal das Auto nehmen sollte.

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