Was Studierende erwartet: Reicht die Nothilfe für den Sommer - und bis ins Hybrid-Semester?
Studentenwerke können 100 Millionen Euro an Studierende in Not verteilen. Und die Berliner Hochschulen einigen sich auf Eckpunkte für das Wintersemester.
Wie geht es nach dem Corona-Semester weiter, wenn die zweite Welle ausbleibt? Bundesweit zeichnet sich ab, was die Berliner Hochschulen und die Senatskanzlei Wissenschaft am Montag offiziell bekanntgaben: Im Herbst kehren Universitäten und Fachhochschulen nicht zum Normalbetrieb mit flächendeckenden Präsenzveranstaltungen in der Lehre zurück.
Vielmehr soll am 1. Oktober an den Fachhochschulen und am 2. November an den Universitäten (sowie für die FH-Erstsemester) ein „hybrides Wintersemester“ starten – mit einem Mix aus digitalen Formaten und Präsenzlehre.
Doch Studierende, die ihre Nebenjobs verloren haben und nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen, haben momentan zweifellos andere Sorgen als den Semesterstart. Ihnen soll jetzt ein mit 100 Millionen Euro aus Bundesmitteln ausgestatteter Nothilfefonds zugute kommen, der über die 57 Studierendenwerke ausgezahlt wird.
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Ab Dienstag, dem 16. Juni, können Studierende Hilfen von monatlich 100 bis 500 Euro online bei ihrem Studentenwerk beantragen – über das zentrale Portal www.ueberbrueckungshilfe-studierende.de, erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Montag.
Studierendenwerke überprüfen Kontostand und -bewegungen
„Mir ist bewusst: Viele Studierende haben ihre Jobs verloren, bei vielen ist die Unterstützung durch ihre Familie weggebrochen“, erklärte Karliczek. Deshalb werde jetzt die Überbrückungshilfe als „Teil eines umfangreichen Pakets“ gestartet.
Der nicht rückzahlbare Zuschuss wird für drei Monate – Juni, Juli und August – denjenigen gewährt, die eine „pandemiebedingte Notlage“ nachweisen können. Dazu müssen sie ihre Kontoauszüge seit den letzten Einnahmen offenlegen, erklärte Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks bei einer Pressekonferenz mit Karliczek.
Der aktuelle Kontostand darf nicht über 500 Euro liegen. Von den Studierendenwerken werde dabei – ab 25. Juni – überprüft, ob es „auffällige Kontobewegungen“ gibt, also das Konto leergeräumt wurde. Eine pandemiebedingte Notlage zeige sich, wenn Einnahmen vom Arbeitgeber, aus selbstständiger Arbeit oder von den Eltern ausgeblieben sind, so Meyer auf der Heyde.
Berliner Studierendenwerk verteilt sechs Millionen Euro
Antragsberechtigt sind alle Studierenden an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen, aus dem In- wie Ausland, unabhängig von Alter oder Semesterzahl. Das Berliner Studierendenwerk kann nach Auskunft der Senatskanzlei Wissenschaft über sechs Millionen Euro verfügen.
Dem Nothilfefonds hatte Karliczek wie berichtet erst auf Druck des Koalitionspartners SPD zugestimmt. Die Bundesbildungsministerin wollte allein auf Erleichterungen für Bafögberechtigte und auf den Studienkredit der KfW-Bankengruppe setzen. Seit Mai seien bereits 167 Millionen Euro abgerufen worden, sagte Karliczek am Montag. Der Kredit werde also „ganz gut angekommen“.
Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, kritisierte das 100-Millionen-Programm als „Alibi-Nothilfe“. Der Fonds sei angesichts von monatlichen Lebenshaltungskosten von im Schnitt 819 Euro unzureichend. Das Geld werde keinesfalls für alle Studierenden in Not ausreichen.
GEW fordert Fonds von bis zu einer Milliarde Euro
Tatsächlich rechnete der Personaldienstleister Zenjob aus einer Umfrage unter knapp 1900 Studierenden hoch, dass eine Million der knapp drei Millionen Studierenden von finanziellen Einbußen betroffen seien. 40 Prozent der Befragten haben demnach wegen der Coronakrise den Job verloren. 22 Prozent waren nicht mehr in der Lage, Miete und Rechnungen zu bezahlen.
Die Grünen, SPD, FDP, Linke, Studierendenwerk und Hochschulleitungen hatten sich für eine vorübergehende Öffnung des Bafögs für alle Studierenden unabhängig vom Einkommen der Eltern stark gemacht. Dies ließ sich aber nicht gegenüber Karliczek durchsetzen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert, Höhe und Dauer der Zahlungen aus dem Notfonds „an den tatsächlichen Bedarf anpassen und das Budget auf bis zu einer Milliarde Euro aufzustocken“.
Für DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde war es am Montag nicht abzuschätzen, ob 100 Millionen Euro für die Nothilfe reichen. Das hänge davon ab, „ob die Konjunktur anspringt und wieder mehr Jobs angeboten werden“. Karliczek sagte zu, gegebenenfalls beim Finanzminister nachzuverhandeln.
Pläne der Berliner Hochschulen für das Wintersemester
Worauf aber müssen sich die Studierenden und auch die Lehrenden an ihren Hochschulen einstellen? Die Berliner Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten (LKRP) und die Senatskanzlei stimmen sie auf ein „hybrides Wintersemester“ ein.
Zwar verstünden sie sich als Präsenzhochschulen und wollten „ein physischer Ort der Begegnung und des Diskurses“ bleiben. Aber wegen der Coronakrise müsse ab Herbst gleichwohl „eine Mischung aus digitaler Lehre und Präsenzlehrbetrieb“ angeboten werden. Dabei gehen die Hochschulen davon aus, „dass ein relevanter Teil der Lehrveranstaltungen auch im Wintersemester 2020/2021 digital angeboten werden wird“.
Unsere Berichte zur Corona-Lage an den Hochschulen
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- Schnell wieder an die Uni? Unser Kolumnist rät von Lockerungen ab
- Lagebericht aus den Unis: Was im Digitalsemester klappt - und was nicht
- Wie das Digitalsemester läuft: Protokolle von Lehrenden und Studierenden
- Ausländische Studierende: Sie fürchten die Schuldenfalle
Lediglich Praxisformate, „ die sich einer digitalen Durchführung grundsätzlich entziehen, wie Labor- oder Werkstattpraktika oder künstlerischer Unterricht an Kunst- und Musikhochschulen“ sollen prinzipiell in Präsenz angeboten werden. Das gilt auch für Prüfungen, die nicht digital abgenommen werden können.
„Besondere Anstrengungen“ will man für Studienanfänger unternehmen, „die den Hochschulbetrieb, seine Abläufe, seine Studienorganisation nicht kennen und auch mangels Präsenzveranstaltungen kaum Gelegenheit haben, Kommiliton*innen kennen zu lernen“.
Von Seminaren und Tutorien in Präsenzform insbesondere für Erstsemester, die am Wochenende Berliner Abiturienten und Studierende aus dem Kinder- und Jugendparlament Charlottenburg-Wilmersdorf gefordert hatten, ist im LKRP-Beschluss keine Rede. Gedacht wird vielmehr an virtuelle Kennenlern-Aktionen für Studienanfänger, ist zu hören.