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Ein Lehrer sitzt an seinem Pult vor der Klasse.
© dpa

Nationaler MINT-Gipfel 2016: Professionelle Lerngemeinschaften bilden

Lehrkräfte sollten sich an ihren Schulen im Team gegenseitig fortbilden, etwa zur Inklusion oder zur digitalen Bildung. Ein Gastbeitrag.

Ob Inklusion oder Flüchtlingsklassen, ob individuelle Förderung oder digitale Bildung – über einen Mangel an Herausforderungen brauchen sich die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land wahrlich nicht zu beklagen. Die Crux ist nur, dass kaum einer von ihnen im Studium auf diese Aufgaben vorbereitet wurde. Insbesondere den älteren Kollegen, die schon viele Dienstjahre auf dem Buckel haben, fällt es schwer, ihren Unterricht an die neuen Erfordernisse anzupassen. Was also tun?

Konventionelle Fortbildungen bringen eher wenig

Sicher, es gibt eine Vielzahl an Fortbildungen, durchgeführt von den unterschiedlichsten staatlichen und privaten Trägern. Doch wer sich auskennt, weiß: Das System ist in weiten Teilen ineffektiv. Sofern Schulleitungen ihren Lehrkräften überhaupt einmal eine Fortbildung genehmigen (Stichwort Unterrichtsausfall), bringen diese Seminare erfahrungsgemäß kaum Nutzen. Oft werden sie isoliert angeboten, sind beliebig, außerdem viel zu kurz, als dass bei den Teilnehmern wirklich etwas hängen bliebe.

Da fährt ein Lehrer für einen Tag, maximal zwei, an ein Institut, lässt sich berieseln zu einem Thema, das nicht hundertprozentig die Wirklichkeit an seiner Schule trifft. Geboten wird also Konfektionsware von der Stange statt Maßanzug. Anschließend ist er vielleicht kurzzeitig motiviert, das neugewonnene Wissen auch anzuwenden, bevor er schnell wieder in den alten Trott verfällt. Nein, mit dem konventionellen Lehrerfortbildungswesen ist heute keine Schule mehr zu machen.

Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung und Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen des MINT-Forums.
Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung und Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen des MINT-Forums.
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Reformen mahnt deshalb das Nationale MINT-Forum an, ein Zusammenschluss von mehr als 30 Institutionen, welcher sich unter anderem für eine bessere Lehrerbildung in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) engagiert und am heutigen Donnerstag in Berlin sein jährliches Gipfeltreffen veranstaltet: Statt nur einmal im Jahr oder noch seltener ein Seminar zu besuchen, müssten Lehrkräfte sich in ihrem Alltag kontinuierlich fortbilden, fordert das Forum in einem Thesenpapier. Der beste Rahmen dafür wären sogenannte professionelle Lerngemeinschaften (PLGen) zur fachbezogenen Unterrichtsentwicklung. Dabei nehmen beispielsweise die Mathematik-Lehrkräfte einer Schule das Heft selbst in die Hand: Sie besuchen sich gegenseitig im Unterricht, fokussieren dabei das Lernen der Schüler, reflektieren in regelmäßigen Treffen die Lernangebote und ihre Effekte und entwickeln kooperativ neue Ideen für die Praxis. Im Idealfall greifen sie dabei auch auf aktuelle fachwissenschaftliche und -didaktische Forschungsergebnisse zurück.

Prinzipiell sind Lehrkräfte für Kooperation aufgeschlossen

Nun bilden solche komplexen Formen der Lehrerkooperation hierzulande noch eher die Ausnahme. Zwar sind über 90 Prozent der Lehrkräfte einer Zusammenarbeit mit Kollegen gegenüber aufgeschlossen, wie kürzlich eine Studie zutage brachte, deren Auftraggeber unter anderen die Deutsche Telekom Stiftung war. Meist beschränkt sich das tatsächliche Teamwork aber auf den Austausch von Unterrichtsmaterialien beziehungsweise über Schülerleistungen oder Vertretungsstunden. Je mehr Aufwand, Struktur und Verbindlichkeit hingegen die Kooperation erfordert, desto seltener ist sie bislang an unseren Schulen zu beobachten.

Für neue Ansätze braucht es vor allem Freiraum

Darüber kann man sich nun ärgern und einmal mehr auf die vermeintlich faulen Lehrer schimpfen, die ihr Einzelkämpfer-Image pflegen, sich ungern in die Karten schauen lassen und ihren Unterricht ohnehin für perfekt halten. Das wäre jedoch ein Zerrbild, denn bei den meisten Lehrkräften ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ja vorhanden. Betrachtet man das ganze Bild, so erkennt man vielleicht, dass Lehrerkooperation nicht nur Typsache ist, sondern in erster Linie eine Frage der Rahmenbedingungen. Um professionell zusammenarbeiten zu können, benötigen Lehrkräfte nämlich vor allem eines: Freiraum. Und der ist an unseren Schulen heute kaum gegeben – weder im Stundenplan, noch im Schulgebäude. Den Schulleitungen, die wirklich an einer kontinuierlichen professionellen Entwicklung ihres Personals interessiert sind, sei deshalb empfohlen, gerade an diesen Stellschrauben anzusetzen. Und die Bundesländer mögen prüfen, ob sie nicht Mittel aus dem konventionellen Fortbildungssystem umschichten und so verstärkt schulinterne Teamentwicklung, zum Beispiel in Form von PLGen, ermöglichen können.

Höhere Zufriedenheit im Team

Den Lehrerinnen und Lehrern, so viel steht fest, wäre das nur recht. Denn auch dies ist bei der Studie der Bildungsstiftungen herausgekommen: Intensive Zusammenarbeit unter Lehrkräften im Schulalltag geht in der Regel mit höherer Berufszufriedenheit, höherem Kompetenzempfinden, höherem Enthusiasmus fürs Unterrichten und geringerer emotionaler Erschöpfung einher. Das allein sollte doch Argument genug sein.

Der Autor ist Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung und Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen des MINT-Forums.

Ekkehard Winter

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