Evolution der Musik: Papageien mit Beat im Blut
Australische Palm-Kakadus ertrommeln sich mit Schlagzeugsoli die Zuneigung ihres Balzpartners.
Mit ruhiger Hand gibt der Schlagzeuger einer Band den anderen Musikern den Rhythmus vor. Doch hin und wieder spielt er sich aus dem Hintergrund nach vorn und begeistert das Publikum mit einem Solo, dass den ganz eigenen, persönlichen Stil des Drummers erkennen lässt. Ähnlich wie beim männlichen Palm-Kakadu, der im tropischen Norden Australiens ebenfalls ein Trommel-Solo individueller Prägung hinlegt, das sich vom Spiel anderer Männchen deutlich unterscheidet. Allerdings besteht das Publikum der musizierenden Papageien nur aus einem einzigen Weibchen, das Gefallen an den Rhythmen und dem Perkussionisten finden soll. Das berichten Robert Heinsohn von der Australian National University in Canberra und seine Kollegen in der Zeitschrift „Science Advances“, die auf der Suche nach den evolutiven Ursprüngen musikalischer Fähigkeiten sind.
Musikalischer Werkzeuggebrauch
Insgesamt 131 Drum-Sessions haben die Forscher im Kutini-Payamu-Nationalpark auf der tropischen Kap-York-Halbinsel im Nordosten Australiens aufgezeichnet. „Ich warte schon seit Jahrzehnten darauf, dass jemand dieses Verhalten der Palm-Kakadus wissenschaftlich untersucht“, freut sich Hans Winkler vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Der Wissenschaftler hat das Trommeln von Spechten (Video) untersucht, die mit diesem Verhalten ebenfalls um Weibchen werben. Nur verwenden sie dabei den eigenen Schnabel als Schlagstock und lernen dieses Verhalten nicht, sondern erben es von ihren Vorfahren. „Die Palm-Kakadus aber haben ihr Trommeln wohl gelernt“, meint Hans Winkler.
Als Schlagstock dienen den Papageien meist rund zwanzig Zentimeter lange Stöckchen, die sie sich eigens von dürren Ästen abbrechen. Manche Tiere verwenden auch Fruchtschoten. Diesen Schlagstock halten sie in einem Fuß und trommeln damit auf einen dicken Ast. Derartiger Werkzeuggebrauch ist sowohl von anderen Papageienarten wie dem Goffin-Kakadu als auch anderen Vogel- und Tierarten bekannt. Allerdings werden die Werkzeuge normalerweise benutzt, um an einen sonst unerreichbaren Leckerbissen heranzukommen. Eine Verwendung von Werkzeug zur Brautwerbung via Schlagzeug-Solo dagegen ist erst seit den 1980er Jahren bekannt und nun von Heinsohns Team mit Video- und Ton-Aufnahmen wissenschaftlich analysiert worden.
Sieben Jahre lang Kakadus belauschen
Dabei zeigte sich rasch ein weiterer Unterschied zum Schlagzeuger einer Rock-Band: Die Kakadus trommeln eher leise, im Busch hört man sie keine hundert Meter weit. Die Forschungsarbeiten erleichterte das nicht gerade. Rund hundert Stunden war Christina Zdenek von der University of Queensland in Australien in den Wäldern und auf den Savannen der York-Halbinsel mit ihren Aufnahmegeräten unterwegs, bis sie die erste Kakadu-Session aufgezeichnet hatte. Insgesamt sieben Jahre waren die Forscher unterwegs.
Die Computeranalysen zeigten rasch, dass die Kakadus zwischen den Schlägen sehr regelmäßige Abstände hielten. Sie trommelten also genau wie ein Schlagzeuger in einer Band einen Rhythmus. Und ähnlich wie bei menschlichen Trommlern hat jeder Kakadu seinen eigenen, individuellen Stil. Da kann der Rhythmus schneller oder langsamer sein. Oder das Bein schlägt erst einen langsamen Rhythmus, der sich nach einigen Schlägen deutlich beschleunigt, nur um danach wieder zu einer langsameren Schlagfolge abzubremsen. Auch ein anderes Element menschlicher Schlagzeuger haben die Vögel in ihrem Repertoire: Sie bringen nicht nur bestimmte Schlagfolgen, sondern wiederholen diese auch. Solche individuellen Komponenten erkennt man leicht wieder und schon hat der Schlagzeuger seinen individuellen Beat gefunden.
Die Weibchen reißt der Beat nicht mit
Natürlich trommeln auch andere Tiere. Selbst unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, tun das, um sich mit Artgenossen zu verständigen. Nur verwenden sie weder einen Schlagstock, noch halten sie den Rhythmus. Ein Schlagzeug-Solo ist von einem Schimpansen also kaum zu erwarten. Von einem Palm-Kakadu dagegen schon eher. Die längste Session, die von den Forschern aufgezeichnet wurde, war immerhin 92 Schläge lang. Viel Aufwand für enttäuschend wenig Reaktion. Denn während Menschen (und auch einige Gelbhaubenkakadus wie der web-bekannte "Snowball", siehe Video unten) sich gern zum Rhythmus wiegen und mitwippen, bleiben die Palm-Kakadu-Weibchen ungerührt auf ihrem Ast hocken. Einen der virtuosen Schlagzeuger erwählen sie am Ende aber doch – ob nun aufgrund oder trotz des Getrommels.
- Im Berliner Naturkundemuseum läuft noch mindestens bis Ende des Jahres die Sonderausstellung ARA zur Vielfalt und Lebensweise von Papageien. Invalidenstraße 43, Di-Fr 9:30-18 Uhr, Sa+So 10-18 Uhr, Mo geschlossen.