Kognitionsforschung: Kakadu lehrt Kollegen Werkzeuggebrauch
Dass Papageien Werkzeuge benutzen, ist bekannt. Neu ist, dass sie kreative Innovationen erkennen, nachahmen und sogar weiterentwickeln können.
Es war im Juli 2012, als der Goffin-Kakadu Figaro zum ersten Mal ein Werkzeug benutzte. Wie andere Kakadus dieser Art es auch gern tun, hatte der Papagei gerade mit einem Stein gespielt. Als ihm das Spielzeug außer Reichweite geriet, holte sich der schlaue Vogel ein Stück Holz und benutzte es als Werkzeug, um danach zu angeln. Alice Auersperg von der Universität Wien, die die kognitiven Fähigkeiten der Vögel untersucht, war begeistert. Am nächsten Tag legte sie Figaro eine Nuss außer Reichweite. Tatsächlich benutzte der Vogel wieder ein Werkzeug – mehr noch, er knabberte sich seine Angel sogar aus einem Stück Holz zurecht. Auersperg hatte nicht nur Werkzeuggebrauch, sondern auch dessen Herstellung nachgewiesen, eine Fähigkeit, die vorher nur Primaten (und teilweise auch Rabenvögeln) zugetraut wurde. Figaro wurde berühmt.
Schlaue Vögel
Jetzt ist Figaro nicht mehr der einzige schlaue Vogel Wiens. Auch Kiwi, Dolittle und Pipin aus der 200 Quadratmeter großen Voliere der Forscher haben den Trick raus. Doch sie sind nicht selbst darauf gekommen: „Nur wenn die Kakadus vorher Figaro in Aktion gesehen hatten, konnten sie den Werkzeuggebrauch lernen und waren erfolgreich“, sagt Auersperg, deren Studie im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht wurde.
Die Kognitionsbiologin hatte zwei Gruppen von je sechs Kakadus gebildet. Die eine durfte Figaro beim Nüsseangeln zusehen. Der anderen wurde nur das Prinzip gezeigt, indem ein magnetgesteuertes Werkzeug die Nuss angelt. So konnten die Forscher unterscheiden, ob die Tiere nur den technischen Akt des Werkzeugsgebrauch beobachten müssen, um ihn nachahmen zu können, oder ob eine soziale Komponente in Form des agierenden Figaro nötig ist. Das Ergebnis war eindeutig: ohne Figaros Vorbild kein Lernen. „Damit haben wir zum ersten Mal in einem kontrollierten Experiment nachgewiesen, dass Vögel einen neu erfundenen Werkzeuggebrauch und dessen Herstellung sozial weitergeben können“, sagt Auersperg.
Besser als der Lehrer
Besonders interessant für die Forscher war, dass Kiwi, Dolittle und Pipin das Vorbild Figaros nicht nur stupide imitieren, sondern sie emulieren - lernen von Figaro also nur das Prinzip und benutzen dann ihre ganz eigene Strategie. „Figaro hielt das Werkzeug am distalen Ende und steckte es an verschiedenen Höhen durch das Gitter, um die Orientierung des Werkzeugs an die sich ändernde Position der Nuss anzupassen und diese somit an sich heran zu bringen“, erklärt Auersperg.
„Seine Beobachter dagegen stecken das Stöckchen auf Bodenhöhe, parallel zur Nuss durch das Gitter und brachten die Belohnung in Reichweite, indem sie es wie einen Hebel seitwärts schnippten.“ Die Tiere scheinen also eher auf das Ergebnis des Werkzeuggebrauchs ihres Vorbilds zu achten und gehen dann eigene Wege, um ihr Ziel zu erreichen. „Die Emulation erfordert einen kreativen Prozess, der durch soziale Interaktion stimuliert wird“, sagt Alex Kacelnik von der Universität Oxford, der mit Auersperg zusammenarbeitet und selbst seit Jahren Werkzeuggebrauch bei Rabenvögeln untersucht. „Die Kakadus scheinen ihren Lehrer in der Effizienz ihrer Methode zu übertreffen und dies ist natürlich etwas, was sich alle Professoren von ihren Studenten erhoffen.“
Intelligenz hilft gegen Juckreiz
Allerdings lernten nicht alle Kakadus den Trick. Die drei Weibchen der Gruppe, die Figaro beobachten durfte, probierten zwar mit dem Werkzeug herum, aber ohne Erfolg. Den Grund kennt Auersperg noch nicht: „Bei Goffin-Kakadus versorgen die Männchen die Weibchen im Nest, vielleicht lösen sie deshalb Probleme besser.“
Als nächstes will Auersperg untersuchen, ob wildlebende Goffin-Kakadus auf den indonesischen Molukken ebenfalls Werkzeuge benutzen und voneinander lernen können. Die Biologin ist zuversichtlich. „Nach unserer ersten Veröffentlichung über Figaros Werkzeuggebrauch haben wir einen Schwall von Emails von Kakadu-Besitzern bekommen, in denen sie ähnliche Beobachtungen schildern.“ Meist hätten die Tiere Stöcke benutzt, um sich an unzugänglichen Stellen zu kratzen.
So interessant und putzig die Goffin-Kakadus auch sein mögen, als Haustiere eignen sie sich nicht, betont die Biologin. „95 Prozent der Kakadus landen in den ersten fünf Jahren nach der Anschaffung im Tierheim“, sagt sie. Die Tiere brauchen nicht nur viel Platz sondern auch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, schließlich sind sie auf einem vergleichbar hohen kognitiven Niveau wie Menschenaffen. „Und einen Orang-Utan würde sich ja auch niemand im Gästeklo halten.“
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