„Symptome anders und milder“: Omikron-Patienten in Südafrika bisher nicht in Lebensgefahr
Die Coronavariante Omikron scheint sich rasch auszubreiten. Ein Ärztin in Südafrika sagt, Jüngere ohne Vorerkrankungen hätten bisher keine schweren Verläufe.
Die neue Coronavirus-Variante Omikron, die zuerst im südlichen Afrika nachgewiesen worden war, hat Wissenschaftler und Politiker alarmiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie als „besorgniserregend“ ein. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der vorhandenen Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte. Etliche Länder haben bereits Reisebeschränkungen erlassen, Israel macht seine Grenzen wieder dicht.
Allerdings ist es noch zu früh, um einzuschätzen, welche Gefahr wirklich von der neuen Variante ausgeht, die inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen wurde. Zudem gibt es aus Südafrika Hinweise darauf, dass Omikron zwar ansteckender als die aktuell vorherrschende Delta-Variante sein könnte, aber eventuell mildere Verläufe verursacht.
Bis vor wenigen Tagen spielte die Pandemie in Südafrika nur noch eine geringe Rolle. Von den enormen täglichen Fallzahlen vieler europäischer Staaten war Südafrika weit entfernt, zudem steuert das Land am Kap auf den Hochsommer zu. Doch dann wurde Omikron identifiziert.
Südafrikanische Wissenschaftler vermuten, dass die Virusvariante für die explosionsartige Zunahme der Neuinfektionen in der Provinz Gauteng verantwortlich ist, in der sich die Wirtschaftsmetropole Johannesburg und die Hauptstadt Pretoria befinden. Die Zahl der Fälle ist von etwa 550 pro Tag in der vergangenen Woche auf zuletzt mehr als 6000 pro Tag gestiegen. Die ersten Fälle der auch mit B.1.1.529 bezeichneten Virusvariante waren aus dem südafrikanischen Nachbarland Botswana bekannt geworden.
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Die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands (Sama), Angélique Coetzee, sagte nun am Wochenende britischen Medien, dass die bisher in ihrem Land festgestellten Fälle nicht schwerwiegend seien. Sie selbst habe in ihrer Praxis in Pretoria bisher rund zwei Dutzend Patienten behandelt, bei denen die neue Virusvariante festgestellt worden sei, sagte sie der Zeitung „The Telegraph“.
Sie sei zum ersten Mal auf die Möglichkeit einer neuen Variante aufmerksam gemacht worden, als Anfang November Patienten mit ungewöhnlichen Covid-19-Symptomen in ihre Praxis in Pretoria gekommen seien. Sie hätten unter starker Müdigkeit gelitten. Keiner von ihnen habe einen Geschmacks- oder Geruchsverlust beklagt. „Ihre Symptome waren so anders und milder als die, die ich zuvor behandelt hatte.“
Coetzee, seit 33 Jahren Allgemeinmedizinerin, war den Angaben zufolge die erste südafrikanische Ärztin, die die Behörden am 18. November auf Patienten mit einer neuen Variante aufmerksam gemacht hatte, als vier Mitglieder einer Familie positiv getestet worden waren, die alle völlig erschöpft waren.
Zu den für Covid-19-Erkrankte bisher ungewöhnlichen Symptomen sagte sie weiter: „Wir hatten einen sehr interessanten Fall, ein Kind, etwa sechs Jahre alt, mit Fieber und einem sehr hohen Pulsschlag, und ich fragte mich, ob ich sie einweisen sollte. Aber als ich zwei Tage später nachsah, ging es ihr schon viel besser.“
Dem Sender BBC sagte Coetzee: „Die Patienten klagen meist über einen schmerzenden Körper und Müdigkeit, extreme Müdigkeit, und wir sehen es bei der jüngeren Generation, nicht bei den älteren Menschen.“ Bisher habe niemand direkt in eine Klinik eingewiesen werden müssen.
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Dem „Telegraph“ sagte Coetzee weiter, beim überwiegenden Teil ihrer Omikron-Patienten handele es sich um Männer ohne Vorerkrankungen, etwa die Hälfte sei ungeimpft. In Südafrika liegt die Impfquote bei nur etwa 25 Prozent.
Coetzee warnte, man müsse sich Sorgen machen, dass die neue Variante ältere Menschen, die zusätzlich an Diabetes oder Herzkrankheiten litten, viel härter treffen könnte. „Was uns jetzt Sorgen macht, ist, dass, wenn ältere, ungeimpfte Menschen mit der neuen Variante infiziert werden, und wenn sie nicht geimpft sind, wir viele Menschen mit einer schweren [Form der] Krankheit sehen werden“, sagte sie.
Allerdings ist die Bevölkerungsstruktur in Südafrika anders als beispielsweise in den Ländern Europas. Nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung am Kap sind älter als 65 Jahre.
Am Freitag hatte Coetzee im „Guardian“ Unverständnis über die Aufregung wegen der neuen Virusvariante geäußert. „In zwei Wochen werde ich vielleicht eine andere Meinung haben, aber das ist es, was wir sehen. Sind wir also ernsthaft besorgt? Nein“, sagte Coetzee. Man beobachte, was passiere. Im Moment gebe es einen „Hype da draußen. Wir sind nicht sicher, warum.“
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Inwieweit die vorhandenen Impfstoffe gegen Omikron schützen, ist derzeit unklar. Der US-Immunologe und Präsidentenberater Anthony Fauci zeigte sich wegen der neuen Variante besorgt, sagte aber wie andere Wissenschaftler auch, dass es möglich sei, dass die Vakzine immer noch funktionierten und schwere Krankheiten verhindern könnten.
Auch der Immunologe der Berliner Charitè, Leif Erik Sander, zeigte sich optimistisch, dass die vorhandenen Impfstoffe weiter wirkten. Zwar könne man dies noch nicht abschließend sagen, weil dies noch erforscht werden müsse, sagt er bei einer Veranstaltung des Bundesgesundheitsministeriums. Aber vermutlich müssen man bei dieser Variante „nicht bei Null“ anfangen.
Sanders Charité-Kollege Christian Drosten hatte am Freitag gesagt: „Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass die Virusvariante sich der Immunabwehr entziehen könnte. „Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen“, erklärte der Virologe.
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In Südafrika habe es im dortigen Winter eine große Welle der Delta-Variante gegeben, so Drosten weiter. Es sei wahrscheinlich, dass das Ende der Verbreitungswelle durch Bevölkerungsimmunität verursacht wurde. „Da das Infektionsgeschehen zuletzt stark reduziert war, ist es denkbar, dass neu auftretende Ausbrüche vor einem sehr kleinen Hintergrund an anderen Viren übergroß erscheinen und dies in anderen Ländern, in denen eine höhere momentane Infektionstätigkeit herrscht, kaum auffallen würde“, so Drosten. Diese Unsicherheit werde sich in wenigen Tagen aufklären. Aber: „Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen.“
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht auch keinen Grund für Panik.
Der Entwickler des Astrazeneca-Impfstoffs geht ebenfalls nicht von einer dramatischen Entwicklung durch Omikron aus. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in einer geimpften Bevölkerung einen Neustart der Pandemie wie im letzten Jahr geben wird“, sagte der Immunologe Andrew Pollard von der Universität Oxford der BBC. Man müsse einige Wochen warten, um sichere Ergebnisse zu haben, es gebe jedoch Anlass zur Hoffnung, dass die Impfstoffe gegen schwere Erkrankungen weiterhin wirken würden.