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Die Frage der Sicherheit eines Impfstoffes spielt eine große Rolle.
© Sakchai Lalit/AP/dpa

Europaweite Corona-Umfrage: Nur die Hälfte will sich impfen lassen

In der Bevölkerung nimmt die Sorge um die Sicherheit eines Corona-Impfstoffes zu. Parallel zur Angst vor Ansteckung wächst aber auch die Sorglosigkeit.

Zu recht gegenläufigen Ergebnissen kommt eine repräsentative europaweite Befragung des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg zur Coronakrise. Während fast jeder Vierte der Befragten in Deutschland davon ausgeht, ein hohes Ansteckungsrisiko zu haben, halten sich immer weniger Menschen an die Abstands- und Hygieneregeln.

Zu einem überraschenden Ergebnis kam die seit April alle zwei Monate  durchgeführte Untersuchung auch in Bezug auf eine mögliche Impfung gegen SARS-CoV-2: Während im April noch 70 Prozent der in Deutschland Befragten angaben, sich impfen lassen zu wollen, waren es bei der jüngsten Befragung nur noch knapp über die Hälfte. Diese Entwicklung zeige sich in allen an der Umfrage beteiligten EU-Ländern. Unverändert blieb hingegen die Zahl der Befragten, die in dieser Frage noch unschlüssig sind (22 Prozent).

Das Center for Health Economics der Universität Hamburg untersucht die Einstellungen, Sorgen und das Vertrauen der Menschen in Bezug auf die Corona-Pandemie seit April 2020 in mehreren Befragungswellen. Dazu nahmen bislang mehr als 7000 Befragte in Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und Großbritannien an jeder Befragung teil.

Die Befragung ist ein Kooperationsprojekt mit den Universitäten Nova School of Business and Economics (Portugal), Bocconi University (Italien) und Erasmus University Rotterdam (Niederlande). Die Universität Hamburg fördert das Projekt aus Mitteln der Exzellenzstrategie.

Sorge vor Ansteckung steigt wieder

Die Sorge vor einem hohen Ansteckungsrisiko war den Ergebnissen nach zwischen April und Juni gesunken, seit Juni ist sie allerdings wieder um drei Prozent angestiegen. Eine Tendenz, die sich in allen befragten Ländern aktuell zeige, so das Team. In Frankreich und Portugal liegen diese Zahlen im September nun sogar deutlich höher als zum Beginn der Pandemie. Während die Sorge vor Ansteckung also steigt, halten sich allerdings der Befragung zufolge immer weniger Menschen an die Abstands- und Hygieneregeln. 

Nur noch 45 Prozent der Menschen in Deutschland gaben an, die Abstandsregeln zu beachten. Nur noch 39 Prozent halten sich demnach an die empfohlene Handhygiene. Im April waren das beim Abstand noch  59 Prozent und bei der Handhygiene 49 Prozent.  Und während im April noch ganze 77 Prozent versuchten, direkte Kontakte wie Umarmungen, Küsse und Händeschütteln zur Begrüßung zu vermeiden, waren dies nun nur noch 58 Prozent.

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Der wissenschaftliche Direktor des HCHE, Jonas Schreyögg, deutet diese Ergebnisse mit einer Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung: „Wir stellen fest, dass die steigenden Infektionszahlen die Bevölkerung zwar ängstigen, aber gleichzeitig auch, dass eine gewisse Müdigkeit bei der Einhaltung der Regeln zu erkennen ist.“ Auf die Routine folg nun ein Nachlassen bei der Achtsamkeit. „Es   schleicht sich nun unbewusst ein, dass man die Maßnahmen nicht mehr ganz so sauber praktiziert“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler dem Tagesspiegel. „Diese Routinen müssen wieder eingeübt werden.“ Auf der anderen Seite würden die Menschen die steigenden Infektionszahlen sehen: „Und darauf reagieren sie nun mit Besorgnis. Das sei nicht unbedingt widersprüchlich, sondern vielmehr zwei unterschiedliche Vorgänge.

Mit Bildungsstand sinkt Impfbereitschaft

Bei den Impfgegnern konnten die Wissenschaftler feststellen, dass dies vor allem Personen betrifft, die für sich kein gesundheitliches Risiko durch Corona sehen – oder kein Vertrauen in die Informationspolitik ihrer Regierung beziehungsweise Organisationen wie der WHO haben.

Hier zeige sich auch ein deutlicher Unterschied je nach Bildungsstand. Bei einem hohen Bildungsstand sank die Impfbereitschaft demnach von 77 Prozent im April auf 66 Prozent im September. Bei geringem Bildungsstand sei die Zahlen von 71 auf 54 Prozent gesunken. „Je geringer der Bildungsstand desto größer der Verlust der Impfbereitschaft.“

Bei den Abstands- und Hygieneregeln habe sich Nachlässigkeit eingeschlichen, so die Forscher. 
Bei den Abstands- und Hygieneregeln habe sich Nachlässigkeit eingeschlichen, so die Forscher. 
© dpa

Schreyögg erwartet nicht, dass der Rückgang der Impfbereitschaft durch die aktuell steigenden Fallzahlen wieder gestoppt wird. Er vermutet vielmehr, dass ich dies auf einem Plateau festige. Hintergrund der rückläufigen Impfbereitschaft ist nach Ansicht der Wissenschaftler, dass sich viele Menschen jetzt erst mit dem Impfgeschehen befassen.

Die Frage der Impfung sei ein hoch komplexes Thema, das nun recht kurzfristig auf die Menschen zukomme. Hier würden nun Ängste entstehen, aus der Befragung geht hervor, dass dies vor allem auch die Frage der Sicherheit eines Impfstoffes betrifft.  „Das spielt eine große Rolle“, sagt Schreyögg.

Mangelndes Vertrauen in öffentliche Informationen 

Nur 19 Prozent derjenigen, die Sorge um die Sicherheit eines Impfstoffes haben, sind bereit sich impfen zu lassen. Deutlich geringer sei die Impfbereitschaft auch bei Personen mit wenig Vertrauen in staatliche Institutionen – mit sinkender Tendenz. „Hier ist es wichtig, mehr Informationen mit kurzen und einfachen Botschaften zur Verfügung zu stellen“, sagt Schreyögg. Dabei müsste nach seiner Ansicht auch das Vertrauen in öffentliche Informationen gestärkt werden. Die nächste Befragung wird im November stattfinden. Schreyögg erwartet, dass die Impfbereitschaft weiter sinkt, wenn auch etwas langsamer. 

Der aktuell zunehmenden Sorglosigkeit der Menschen im Umgang mit den Hygienemaßnahmen steht eine Skepsis bezüglich von Großveranstaltungen gegenüber. Nur 25 Prozent der Befragten in Deutschland sind der Meinung, dass Fußballspiele wieder mit Zuschauerinnen und Zuschauern stattfinden sollen, 56 Prozent sprechen sich dagegen aus. Nur 15 Prozent würden derzeit überhaupt in ein Stadion gehen wollen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Befragung bei Musikkonzerten: Nur 24 Prozent der Befragten können sich Pop- und Rockkonzerte mit Zuschauern vorstellen, hingehen würden sogar nur 18 Prozent. Immerhin 38 Prozent haben bei Kinos und Theatern grundsätzlich weniger Befürchtungen, doch auch hier halte es jeder Zweite aktuell für unwahrscheinlich, eine Kino- oder Theater-Vorstellung zu besuchen.

Sinkende Zuversicht angesichts des Winters

Eine wachsende Sorge im Bezug auf die Corona-Pandemie stellt auch eine weitere Umfrage fest. Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Funke-Mediengruppe ergab, dass nur etwa jeder dritte Mensch in Deutschland (36,1 Prozent) zuversichtlich ist, dass die Corona-Pandemie in der kalten Jahreszeit unter Kontrolle bleibt. 41,6 Prozent sind hingegen „eher nicht“ oder „gar nicht“ zuversichtlich. Weitere 21,1 Prozent der Teilnehmer sehen den kommenden Monaten offenbar mit gemischten Gefühlen entgegen und wählten die Antwortmöglichkeit „teils/teils“.

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Unter den Zuversichtlichen sind Männer (39,2 Prozent) etwas häufiger vertreten als Frauen (33,2 Prozent). Die Befragten der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre (42,3 Prozent) gaben sich optimistischer als die 40- bis 49-Jährige (30,7 Prozent) und die Über-65-Jährigen (38,5 Prozent).

Bei den Anhängern der Parteien ist die Diskrepanz zwischen Grünen- und FDP-Wählern am größten: Während nur 25,8 Prozent der Grünen-Anhänger zuversichtlich auf die kalte Jahreszeit blicken, äußerten sich 49,1 Prozent der FDP-Anhänger dementsprechend. (mit dpa)

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