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Überschießende Nervenimpulse aus dem Gehirn machen koordinierte Bewegungen unmöglich. Daher ist Zittern oft das erste Symptom von Parkinson.
© imago/Science Photo Library

Schrittmacher gegen das Zittern: Neuer Rhythmus fürs Hirn

Feine Stromstöße über Elektroden im Gehirn helfen gegen die Symptome der Parkinson-Krankheit. Forscher wissen jetzt, warum.

Die Prozedur ist fast schon Routine: Durch zwei winzige Bohrungen im Schädel führen Neurochirurgen computergesteuert zwei feine Elektroden in jenen Gehirnteil, der bei Parkinson-Patienten das charakteristische Zittern auslöst. Der angeschlossene Hirnschrittmacher löscht dann mit rasch aufeinanderfolgenden Stromstößen von wenigen Volt Spannung überschießende, chaotische Impulse der Nervenzellen. Dadurch feuern sie regelmäßiger und das Zittern bleibt aus. So zumindest erklärten sich Ärzte bislang die Wirksamkeit dieser Therapie, mit der mittlerweile vielen Parkinson-Patienten geholfen werden konnte.

Wie es allerdings die Impulse des Schrittmachers schaffen, die überflüssigen Nervenimpulse zu unterdrücken, blieb lange ein Rätsel. Jetzt hat ein Forscherteam um Sabato Santaniello von der Johns Hopkins Universität (inzwischen an der Universität Connecticut), mit Hilfe einer Computersimulation herausgefunden, was im Hirn ablaufen dürfte.

Zwanzig Jahre Erfahrung mit Hirnschrittmachern

Die ersten Tiefenhirnstimulationen wagte der französische Mediziner und Biophysiker Alim Louis Benabid Ende der 1980er Jahre. 1998 wurde die Methode für die Behandlung von Parkinson zugelassen, aber auch bei anderen Hirnerkrankungen wie Depressionen wird die Technik inzwischen angewendet - meist dann, wenn medikamentöse Therapien nicht mehr anschlagen. Bei dieser Krankheit fehlt der Botenstoff Dopamin im Nucleus subthalamicus. Dadurch entstehen in diesem Hirnareal überflüssige Nervenimpulse, sodass kaum noch koordinierte Bewegungen möglich sind. Bisher nahm man an, dass die Nervenzellen in der Nähe der Elektroden den Rhythmus der Impulse übernehmen und dann in der Folge alle mit diesen Zellen verbundenen Nerven auch. Das erkläre aber nicht, warum die Stimulation auch Hirnstrukturen erreicht, die nicht direkt mit den stimulierten Nerven kommunizieren und warum sich nur bei bestimmten Frequenzen eine klinische Besserung einstellt, schreibt Santaniello im Fachblatt „PNAS“.

Es handele sich vielmehr um einen „systemischen Effekt“: Die Tiefenhirnstimulation verursache in verschiedenen Hirnstrukturen zunächst zeitlich koordinierte Störimpulse. Diese laufen dann im Putamen, das viele Bewegungsabläufe koordiniert, zusammen. Dort überlappen sie sich und verursachen eine Depolarisation. Das wirkt dann auf alle nachgeschalteten Zellen wie der taktangebende Schlag der Orchestertrommel bei Ravels Boléro. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, dass Hirnschrittmacher genauer platziert und justiert werden und auch Parkinson-Patienten profitieren, bei denen die Technik bislang wirkungslos blieb.

Sascha Karberg

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