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Wissen: Gentherapie bei Parkinson zeigt Wirkung US-Studie beweist erstmals, dass Patienten von der neuen Methode profitieren

Patienten, die an einer fortgeschrittenen Form der Parkinsonschen Krankheit leiden, kann mithilfe der Gentherapie geholfen werden. Dies haben US-Forscher erstmals in einer Studie nachgewiesen, bei der sie die Gentherapie mit einem Scheineingriff verglichen haben.

Patienten, die an einer fortgeschrittenen Form der Parkinsonschen Krankheit leiden, kann mithilfe der Gentherapie geholfen werden. Dies haben US-Forscher erstmals in einer Studie nachgewiesen, bei der sie die Gentherapie mit einem Scheineingriff verglichen haben. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Lancet Neurology“ berichten, verbesserte sich der Zustand von 16 erfolgreich behandelten Patienten binnen eines halben Jahres um rund 23 Prozent.

Wer an der Parkinson-Krankheit leidet, kämpft mit ständig zitternden Muskeln. Einfache Bewegungen, wie das Führen einer Kaffeetasse zum Mund, das Zuknöpfen der Kleidung oder das Schreiben des Namens werden zur zeitraubenden Qual. Viele der hierzulande rund 300 000 Betroffenen sind auf fremde Hilfe angewiesen. Heilbar ist das Leiden, das durch einen Mangel des Botenstoffes Gamma-Aminobuttersäure (GABA) im Gehirn ausgelöst wird, nicht – noch nicht.

An der Gentherapie-Studie im Auftrag des US-Herstellers Neurologix aus Fort Lee im Bundesstaat New Jersey hatten insgesamt 55 Parkinson-Patienten im Alter zwischen 30 und 75 Jahren teilgenommen. Bei allen ließ sich durch eine medikamentöse Behandlung keinerlei Verbesserung mehr herbeiführen. Von ihnen erhielten 22 eine Scheintherapie. Erst ein solcher Ansatz, bei dem zunächst weder Arzt noch Patient weiß, wer eine echte Therapie und wer nur ein Placebo erhalten hat, erlaubt eine objektive Bewertung von Nutzen und Nebenwirkungen und ist meist Voraussetzung für eine Genehmigung durch die Behörden. Im vorliegenden Fall wurde den Placebo-Patienten eine Kochsalzlösung unter die Haut gespritzt. Bei den übrigen 23 wurde die Gentherapie durchgeführt. Ihnen wurden adeno-assoziierte Viren vom Typ 2 (AAV2) in eine bestimmte Hirnregion injiziert. Sie dienen als Genfähren. In der Welt der Viren zählen AAV2 zu den Zwergen. Zehnmal kleiner als ein Herpesvirus ist bei ihnen die Aufnahmekapazität für zusätzliche genetische Fracht begrenzt.

Das Forscherteam um Peter A. LeWitt vom Henry Ford West Bloomfield Hospital in Michigan hat sich jedoch aus gutem Grund für den Einsatz dieses Virentyps entschieden: AAV2 schaden dem Menschen nicht. Die Viren infizieren Nervenzellen im Gehirn und laden dort ihre Genfracht an einer ganz bestimmten Stelle im Erbgut ab. Bei der Fracht handelt es sich um ein Gen für das Enzym GAD. Es produziert den Nervenbotenstoff GABA, der dämpfend auf das Muskelzittern wirkt.

Bei immerhin 16 Patienten, welche die Gentherapie mittels AAV2 erhalten hatten, gelang das Experiment: Ihre Nervenzellen produzierten wieder mehr von dem Botenstoff. Und damit ging es auch den Patienten wieder besser. Das ermittelten die Forscher mit Hilfe eines gängigen Punktebewertungssystems. Danach verbesserte sich die Beweglichkeit der Patienten sechs Monate nach der erfolgreichen Gentherapie um durchschnittlich 23,1 Prozent. Erstaunlich: Von dem Eingriff profitierte auch die Placebo-Gruppe, obwohl die Betroffenen gar keine Gentherapie erhalten hatten. Dennoch verbesserte sich der Zustand der Patienten um durchschnittlich 12,7 Prozent. Nennenswerte Nebenwirkungen, die auf die Gentherapie zurückzuführen sind, seien im Beobachtungszeitraum keine aufgetreten, berichten die Forscher. Der Hersteller wertet die Ergebnisse als Erfolg und plant nun weitergehende Studien um die Zulassung der Gentherapie zu erreichen.

Ermutigende Ergebnisse. „Dennoch ist die hier vorgestellte Therapieform noch nicht über den Status eines erfolgreichen Experiments hinausgekommen“, sagt Professor Wolfgang Oertel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Er möchte allzu hochfliegende Erwartungen dämpfen. Ähnlich sieht das auch Professor Günther Deuschl, Leiter des Koordinationszentrums im Kompetenznetzwerk Parkinson an der Universitätsklinik Kiel: „Erstmals ist in einer doppelblinden Studie die Wirkung einer lokal angewandten Gentherapie bei Morbus Parkinson erfolgreich geprüft worden, darin liegt die Bedeutung“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Andere Experten verweisen darauf, dass es alternative Ansätze zur Behandlung schwerer Fälle gibt, beispielsweise die Implantation eines Hirnschrittmachers.

Die Zurückhaltung hat Gründe. Die Geschichte der Gentherapie ist voller großer Versprechen und tragischer Fehlschläge. Im Jahr 1999 starb in den USA der damals 18-jährige Patient Jesse Gelsinger an den Nebenwirkungen einer Gentherapie, mit der eigentlich sein lebensbedrohliches Leberleiden behoben werden sollte. Zur gleichen Zeit wurden in Frankreich Versuche eingestellt, Kinder, die an einem schweren Immundefekt litten, mit Hilfe der Gentherapie zu behandeln. Von insgesamt elf behandelten Kindern, waren vier an Blutkrebs erkrankt.

Zum Einsatz kamen damals jedoch andere Genfähren. Im Falle Gelsinger hatten sich die Wissenschaftler für gentechnisch entschärfte Adenoviren entschieden, zu denen auch Erkältungserreger gehören. Sie bieten von Natur aus eine große Aufnahmekapazität für zusätzliche Gene. Die französischen Versuche griffen auf entschärfte Retroviren zurück, eine Gruppe, zu der beispielsweise das Aids-Virus gehört. Bei der Entscheidung spielte sowohl die Aufnahmekapazität, als auch die Fähigkeit der Viren eine Rolle, ihre genetische Fracht dauerhaft in das Erbgut einzubauen.

Der fatale Ausgang der Versuche hat Forscher und Behörden vorsichtiger gemacht. Die Sicherheitsanforderungen für die Gentherapie wurden überarbeitet und verschärft. Inzwischen lassen sich Viren, die als Transportvehikel für heilende Gene benötigt werden, komplett künstlich herstellen und so für die geforderte Aufgabe „maßschneidern“. Mit einem solchen Ansatz nahm Michael Kaplitt vom Weill Cornell Medical College in New York die Gentherapie 2003 erstmals bei zwölf an fortgeschrittenem Parkinson erkrankten Patienten vor, nach dem die Methode zuvor eingehend am Tiermodell getestet worden war. Drei Jahre später berichtete der Forscher, der auch zum aktuellen Team gehört, über die erfolgreiche Behandlung und kündigte weitergehende Tests an.

Silvia von der Weiden

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