Berliner Institut für Gesundheitsforschung: Näher am Patienten forschen
Neue Therapien entwickeln, Krankheiten besser vorbeugen: Wie das Berliner Institut für Gesundheitsforschung in die Weltspitze vorstoßen will.
Werden die Medikamente tatsächlich wirken? Diese bange Frage stellen sich Patienten oft. Mediziner können das heute schon vorhersagen – „und zwar bevor die erste Pille eingenommen wird“, sagt Erwin Böttinger, der Vorstandsvorsitzende des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung. Grundlage für die Prognosen sind Daten aus den Genen der Patienten, die Ärzte inzwischen gewinnen können. Diese Art der präzisen und individualisierten Therapie voranzutreiben und zu verbessern, ist für Böttinger eine der zentralen Aufgaben seines Instituts.
Im BIG (beziehungsweise BIH, was für die englische Bezeichnung Berlin Institute of Health steht) sind bekanntlich Teile der Forschung von Charité und des Max-Delbrück-Centrums vereint. Das 2012 gegründete und zu 90 Prozent vom Bund finanzierte Institut soll Berlin in der weltweiten Konkurrenz der Medizinstandorte nach vorne bringen. Fast 312 Millionen Euro fließen dafür bis 2018 an das BIH. „In zehn Jahren wollen wir eine internationale Leuchtturmfunktion erreicht haben“, sagt Böttinger.
Eine Vision für das BIH
Er sprach am Mittwoch im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses über die Ziele, die er mit dem Institut verfolgt. Seit rund hundert Tagen ist der aus New York nach Berlin gewechselte Mediziner im Amt. Sein Vorgänger Ernst Theodor Rietschel habe ihm eine starke Basis hinterlassen, was Strukturen und Programme angehe, sagte Böttinger. Jetzt gehe es darum, die Grundidee des Instituts weiterzuentwickeln und eine gemeinsame Vision zu entwerfen.
Gründungsauftrag des Instituts ist es, die Translation zu stärken, also Ergebnisse der Grundlagenforschung in Therapien für Patienten anzuwenden. Böttinger will sich dabei auch auf die Prävention von Krankheiten konzentrieren: „Wir müssen uns mehr als bisher fragen, wie man Krankheiten vermeiden kann.“ Die Digitalisierung stelle eine große Chance für das BIH dar. Mithilfe der gezielten Auswertung von Patientendaten könnten die Prognose von Krankheitsverläufen und Therapien verbessert werden. Er sei daher froh, dass Berlin Digitalisierung bereits als großes Zukunftsthema für die Stadt festgeschrieben habe.
Technologietransfer mit der Hilfe von Unternehmen
Insgesamt betonte Böttinger, den Technologietransfer stärken zu wollen – auch mit der Hilfe von Unternehmen. So solle die Entwicklung neuer Medikamente vorangetrieben werden. Böttingers Vorstandskollege Rolf Zettl, ab Anfang März für kaufmännische Fragen zuständig, sprach vom BIH als einem „Ökosystem für Innovationen“: „Es muss Teil der gemeinsamen Kultur werden, bei Forschungsthemen auch immer die Marktsicht einzunehmen.“ Zudem brauche man neue Anreize für Forscher, Technologietransfer werde bisher in der Wissenschaft „nicht genug wertgeschätzt“. Unter den Studierenden der Charité müsse ein „entrepreneurischer Spirit“ entfacht werden.
Wie will Böttinger es schaffen, aus den unterschiedlichen Arbeitskulturen des Max-Delbrück-Centrums und der Charité eine neue gemeinsame Identität zu formen? Und wie geht er mit Ängsten aus der Charité um, dass die Fakultät womöglich nicht hinreichend beim BIH berücksichtigt werde? Das wollten mehrere Abgeordnete wissen. Böttinger antwortete, es sei in der Tat „ein Balanceakt“, eine neue Marke zu entwickeln, ohne dabei den Marken Charité und MDC zu schaden: „Hier müssen wir noch Ängste überwinden.“ Gewachsene Strukturen wolle er nicht radikal ändern.
Hans-Christian Hausmann (CDU) und Anja Schillhaneck (Grüne) warfen die Fragen auf, dass der Name des Instituts wenig einprägsam und daher hinderlich bei der Markenbildung sein könnte. Darauf wollte sich der kaufmännische Vorstand Rolf Zettl aber nicht einlassen: „Wir brauchen keine Diskussionen über Namen und Strukturen.“ Für Böttinger hat das BIH jetzt ohnehin erst mal eine „Bringschuld“: „Wir müssen nachweisen, dass das Institut funktioniert und Fortschritte erzielt.“