Diskussion über die Viertelparität an der TU: Mitbestimmen, aber wie?
Kommt die Viertelparität? An der TU Berlin diskutierten Berliner Experten mit Gästen aus NRW über juristische Grenzen und alternative Modell der Teilhabe.
Am leidenschaftlichsten wird Jürgen Zöllner, der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator. Entmachtung der Professorinnen und Professoren an der Technischen Universität? „Sie riskieren, dass ein Präsident gegen die Stimmen aller Professoren gewählt wird. Viel Spaß damit!“, ruft Zöllner den rund 120 TU-Angehörigen zu, die am Dienstag einer Diskussion zu dem Thema im Lichthof der Uni folgen. Und Zöllner fährt erregt fort: „Wie gut, dass ich das nicht mehr als Senator mitmachen muss!“
Geraune im Publikum, einzelne Protestrufe von Studierenden. „Das kommt mir alles so ein bisschen vor wie die Männer, die einst das Frauenwahlrecht abgelehnt haben“, entgegnet Franz-Josef Schmitt, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Initiator des Antrags zur Viertelparität, aus dem Publikum heraus – was Zöllner sofort als „unter Niveau“ zurückweist.
Wird die TU in ihrem Basisgremium, dem Erweiterten Akademischen Senat (EAS), die Viertelparität einführen und so dort die Mehrheit der Professoren brechen? Einen Tag vor der Entscheidung tauschten noch einmal Politiker und Wissenschaftsmanager ihre Argumente aus, geladen vom TU-Präsidenten, der selber nicht auf dem Podium saß.
"Der Schicksal des Antrags ist vorprogrammiert"
Eine Frage, die das Podium beschäftigte: Ist es juristisch überhaupt zulässig, was die Initiatoren der Viertelparität vorhaben? Laut Bundesverfassungsgericht müssen Professorinnen und Professoren bei Entscheidungen, die „unmittelbar“ die Lehre betreffen, über die Hälfte der Stimmen verfügen, bei Entscheidungen, die „unmittelbar“ Fragen der Forschung betreffen, die Mehrheit. Das Berliner Hochschulgesetz geht noch weiter: Die Professoren müssen in allen Gremien, die über Angelegenheiten der Forschung und der Lehre beschließen, die Mehrheit haben. Zöllner hatte das während seiner Amtszeit aus „pragmatischen Gründen“ so formulieren lassen, wie er am Rande sagte: Um den Gremien endlose Debatten zu ersparen, was denn unmittelbare Fragen von Forschung und Lehre sind.
Der EAS – um den es an der TU geht – wählt den Präsidenten und entscheidet über die Grundordnung. „Wenn Sie aber denken, dass es dabei nicht um Forschung und Lehre geht: Da kommen mir die Tränen“, sagte Zöllner während der Diskussion. Auch der Rechtsanwalt Matthias Dombert, der die TU bei dem Thema juristisch berät, war eindeutig: „Das Schicksal des Antrags ist vorprogrammiert: Der ist verfassungswidrig.“ Auch könnten sich die Befürworter nicht auf die Erprobungsklausel im Berliner Hochschulgesetz berufen – wie es zuvor Anja Schillhaneck, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus getan hatte. Der entsprechende Paragraph falle gar nicht unter diese Klausel, argumentierte Dombert. Für Schillhaneck dagegen würde es der TU „in ihrer Autonomie zustehen,“ sich für die Viertelparität entscheiden: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“
Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen hat sei 2014 die Möglichkeit der Viertelparität in den Gremien gesetzlich verankert. Dennoch sagte auch Thomas Grünewald, Wissenschafts-Staatssekretär in NRW, bei der Präsidentenwahl habe man „null Spielraum“: „Das ist eine spaßfreie Zone.“ Die Hochschulwahlversammlungen in NRW, die den Präsidenten wählen, seien daher nicht paritätisch besetzt.
"Wir sollten ideologisch abrüsten"
Nordrhein-Westfalen hat es den Hochschulen selber überlassen, auch kreative Lösungen zur Teilhabe jenseits der Viertelparität zu finden. Das sei oft gelungen, sagt Grünewald. Nur drei von 37 Hochschulen hätten sich schließlich für eine „echte“ Viertelparität entschieden, während die anderen „hybride“ Lösungen wählten – etwa durch den Senaten vorgeschaltete Kommissionen, die je nach Thema unterschiedlich besetzt sind.
Eine Uni, die sich für die Viertelparität entschied, ist die Uni Siegen. Ihr Rektor Holger Burckhart sagte: „Das hat die Abstimmungsprozesse nicht schwieriger gemacht, sondern interessanter“: „Ich habe Frieden in meinem Haus.“ Wichtig sei, alle Uni-Angehörigen schon vor den Entscheidungen im Senat einzubeziehen. Weniger euphorisch war Stephan Becker, Kanzler der Uni Bielefeld. Diese entschied sich gegen die Viertelparität im Senat und richtete stattdessen teils paritätische besetzte Kommissionen ein, die Senatsentscheidungen vorbereiten. Besser sei dadurch nichts geworden, sagte Becker – schlechter aber auch nicht: „Wir sollten ideologisch abrüsten: Es ist nicht der Untergang des Abendlandes.“
Die NRW-Vertreter appellierten schließlich an die TU-Angehörigen, sich nicht zu sehr auf die Viertelparität im EAS zu versteifen. Eine Kultur der Teilhabe hänge nicht nur von den Stimmenverhältnissen in den Gremien ab, sagte Burckhart. Grünewald empfahl ein „ganzheitliches Partizipationsmodell – von unten nach oben“.
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