EuGH-Urteil: Mit Gen-Schere Crispr veränderte Lebensmittel müssen gekennzeichnet werden
Auch Lebensmittel, die mit gezielter Mutagenese verändert wurden, unterliegen Auflagen nach der Gentechnik-Richtlinie der EU. Das entschied der EuGH.
Neuere Gentechnikverfahren fallen nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs unter die geltenden EU-Regeln. Das erklärte das oberste EU-Gericht am Mittwoch in Luxemburg (Rechtssache C-528/16). Damit gelten für Lebensmittel, die mit der sogenannten gezielten Mutagenese verändert wurden, spezielle Kennzeichnungspflichten im Supermarkt. Die Technik wird unter anderem auch als Crispr-Methode, eine Art Gen-Schere, bezeichnet.
Im konkreten Fall wollte ein französisches Gericht vom EuGH wissen, wie die europäischen Regeln zur Gentechnik auf bestimmte neue Verfahren anzuwenden sind. In der entsprechenden EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 sind gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) definiert als Organismen, deren genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise nicht möglich ist. Allerdings sind ältere Mutagenese-Verfahren, die als sicher gelten, von den strengen GVO-Regeln ausgenommen.
Mutagenese ist eine Züchtungstechnik, bei der durch Strahlen, Chemikalien oder durch ein Enzym, das das Erbgut aufschneidet, die genetische Ausstattung von Pflanzen und Tieren verändert wird. Durch Mutagenese können zum Beispiel Saatgutsorten entwickelt werden, denen bestimmte Unkrautgifte nichts anhaben. Dabei werden Änderungen im Erbgut erreicht, ohne dass fremde DNA eingefügt wird.
Französische Verbände hatten in ihrer Klage nun argumentiert, dass mit dem technischen Fortschritt neue Mutagenese-Verfahren entwickelt wurden, mit denen gezielte Mutationen in Genen möglich seien und die schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben könnten. Sie müssten daher speziell überprüft und gekennzeichnet werden.
Deutsche Ministerien äußern sich zu Grundsatzurteil
Die Luxemburger Richter folgten dieser Argumentation nun weitgehend. Mit den neuen Mutageneseverfahren erzeugte Produkte wiesen größere Risiken auf. Ziel der EU-Regelung sei es aber, grundsätzlich schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verhindern.
Das Urteil stößt bei der Bundesregierung auf ein grundsätzlich positives Echo. Ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach am Mittwoch in Berlin von einer guten Nachricht für die Umwelt und für die Verbraucher. Es dürfe keine Gentechnik durch die Hintertür geben. Eine Sprecherin von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßte die rechtliche Klarstellung in einem bedeutenden Forschungsfeld. Trotz großen Innovationspotenzials müsse der gesundheitliche Verbraucherschutz immer an erster Stelle stehen. Staatssekretär Hermann Onko Aeikens ließ ähnliches vernehmen, kritisierte allerdings: „Aus Sicht des Verbrauchers ist es ein ambivalentes Urteil. Wir haben eine Situation, dass Innovation ein Stück weit ausgebremst wird.“
Deutscher Bauernverband kritisiert die Entscheidung
Der Deutsche Bauernverband hat das Urteil kritisiert. Es verbaue die Möglichkeiten, mit Hilfe von Pflanzenzüchtung auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren, sagte Präsident Joachim Rukwied am Mittwoch. „Die derzeitige Dürre zeigt uns exemplarisch, dass wir zukünftig beispielsweise trockenheitstolerantere Sorten brauchen.“
Das EU-Gentechnikrecht müsse jetzt auf seine Zukunftsfähigkeit überprüft werden, um die Chancen der neuen Züchtungsmethoden nutzen zu können, forderte Rukwied. Sonst laufe Europa Gefahr, den Anschluss an andere Weltregionen zu verpassen.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die sich für eine sozial- und umweltverträgliche Landwirtschaft stark macht, begrüßte das Urteil des EuGH hingegen. „Damit stärkt er das Vorsorgeprinzip und stellt es klar vor die Profitinteressen der Gentechnik-Konzerne“, sagte deren Vorsitzender Martin Schulz. Dadurch, dass sie auf die gentechnikfreie Erzeugung setzten, hätten Bauern das Vertrauen der Bürger gewonnen und einen großen Wettbewerbsvorteil erlangt. Die Bundesregierung müsse nun sicherstellen, dass sich ihre Behörden an das Urteil hielten.(dpa, epd)
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