RKI nennt Entwicklung „erwartbar“: Mehr Patienten nach Impfdurchbrüchen auf Intensivstationen
Die Zahl der Menschen, die trotz Impfung intensivmedizinisch behandelt werden müssen, ist gestiegen. Hintergrund sei die gestiegene Impfquote, so das RKI.
Ungefähr jeder zehnte der im August und September wegen Corona auf Intensivstationen behandelten Patienten war vollständig geimpft. Das geht aus einer Ende September übermittelten Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht hervor. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten zuerst darüber berichtet.
Die Angaben entsprechen in etwa auch früheren Aussagen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der hatte Anfang September im Werben für die Corona-Schutzimpfung gesagt, 90 Prozent der Covid-Patienten auf Intensivstationen seien ungeimpft. Später hatte er von 90 bis 95 Prozent gesprochen.
In der Antwort des Ministeriums wird auf die Wochenberichte des Robert Koch-Instituts verwiesen, in denen die Zahl der Impfdurchbrüche veröffentlicht wird. Als Impfdurchbruch wird nach Angaben der Regierung eine Corona-Infektion mit „klinischer Symptomatik“ bei einer vollständig geimpften Person bezeichnet.
Insgesamt wurden demnach von Februar bis Mitte September 11.419 Corona-Patienten intensivmedizinisch versorgt. Bei 210 davon wurde von einem Impfdurchbruch ausgegangen (1,84 Prozent). Im Zeitraum von Mitte August bis Mitte September waren 1186 Corona-Patienten auf Intensivstationen, bei 119 davon wurde ein Impfdurchbruch angenommen, was 10,03 Prozent der Fälle entspricht.
Wie die Zeitungen weiter berichteten, hängt der gestiegene Anteil der geimpften Corona-Patienten auf deutschen Intensivstationen nach Angaben von Behörden und Fachleuten vor allem mit der stark gestiegenen Zahl der Geimpften insgesamt zusammen. Mittlerweile sind in Deutschland mehr als 65 Prozent der Bevölkerung doppelt gegen das Virus geimpft.
RKI: Mehr Fälle, da auch wieder mehr Neuinfektionen
Das RKI erklärte dem Bericht zufolge: „Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, ist erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich Sars-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen.“
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Das Gesundheitsministerium hob den Blättern die Schutzwirkung der Impfung vor einer schweren Erkrankung an Corona hervor. „Fakt ist, dass Impfungen schützen und ein fehlender Impfschutz der Hauptgrund ist, warum Personen mit einer Covid-19-Infektion intensivmedizinisch behandelt werden müssen“, teilte das Ministerium demnach mit.
Auch der Präsident der Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (Divi), Gernot Marx, sagte: „Die Patientinnen und Patienten mit schweren und tödlichen Corona-Verläufen sind in fast allen Fällen ungeimpft.“ Die Impfdurchbrüche mit schweren Verläufen dagegen seien noch immer im einstelligen Prozentbereich.
Impfdurchbrüche meist bei Alten und Vorerkrankten
Zudem treffe der Impfdurchbruch meist Menschen, deren „Immunsystem etwa durch eine Chemotherapie oder eine dauerhafte Kortisonbehandlung geschwächt ist, oder die älter als 80 Jahre sind“. Der Intensivmediziner sagte demnach weiter: „Leider sehen wir auch immer mehr Menschen unter 60 mit schweren oder tödlichen Verläufen, die nicht geimpft sind“. Es gelte: „Die Corona-Impfung ist ein wirksamer Schutz vor schweren Erkrankungen.“
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Bei der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland gibt es wenig Dynamik. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Dienstagmorgen mit 65,8 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 66,5 gelegen, vor einer Woche bei 63,6 (Vormonat: 80,2). Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 4971 Neuinfektionen. Vor einer Woche hatte der Wert bei 4799 Ansteckungen gelegen.
Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden 88 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 90 Todesfälle gewesen. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg damit auf 94.297. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 4.318.355 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen – den für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigsten Parameter – gab das RKI am Montag mit 1,58 (Freitag: 1,67) an. Ein bundesweiter Schwellenwert, ab wann die Lage kritisch zu sehen ist, ist für die Hospitalisierungs-Inzidenz unter anderem wegen großer regionaler Unterschiede nicht vorgesehen. Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit bei rund 15,5. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 4.106.300 an. (dpa, AFP)