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String-Praxis. Hummeln können komplizierte Aufgaben lösen, etwa an einer Schnur Gefäße unter einer Scheibe hervorziehen. Für Lars Chittka, der sein Verhältnis zu den Hautflüglern gerne über seine Kleidung kommuniziert, ist das Intelligenz.
© Sylvain Alem

Die besondere Intelligenz von Bienen und Hummeln: Maximum im Minihirn

Der Biologe Lars Chittka sagt, dass Bienen eine Art Bewusstsein haben. Experimente aus seinem Labor zeigen jedenfalls, dass die Tiere Fähigkeiten haben, die diese These alles andere als absurd erscheinen lassen (mit Video).

Am Wissenschaftskolleg in Berlin – präziser: „zu Berlin“ – ist die Welt noch in Ordnung. Ein paar sehr schlaue und intelligente Leute stehen immer irgendwo herum und unterhalten sich, auf Englisch. Wenn einer oder eine von ihnen etwas braucht – Kaffee, Taxi, die Zeitung von vorgestern – ist sofort jemand zur Stelle. Trotz 30 Grad draußen weht eine kühle Brise durch die hohen, von dicken Mauern eingefassten, holzvertäfelten Räume. Lars Chittka lässt sich in einen tiefen Sessel fallen. Die von ihm aufgestellte These, Bienen seien intelligent und hätten sogar eine Art Bewusstsein, hat ihm ein Jahr an diesem mondänen Ort verschafft.

Message on a T-Shirt

Sein schwarzes T-Shirt ist mit einem Darwin-Zitat bedruckt, in dem der Gelehrte unter anderem bekennt, sich selbst und Bienen zu hassen (weil ihm aufgefallen war, dass eine seiner Theorien über diese Tiere falsch sein musste). Es hat offensichtlich auch schon einige Schleudergänge in der Maschine hinter sich und passt nicht unbedingt zum Interieur. Als Chittka zum ersten Mal nach Berlin kam, in den Westsektor als Biologiestudent in den wilden Achtzigern, lag das eher an der Subkultur, die sich auch in ganz anderen Räumlichkeiten abspielte. Nur weil man ja auch irgendetwas als Projekt brauchte und man ihm in Göttingen gesagt hatte, dass da eigentlich nur eine Forschergruppe infrage kam, begann er damals an Bienen zu forschen. Das macht er noch heute. Auf seinem Gebiet ist er einer der führenden Wissenschaftler weltweit, eigentlich als Professor in London, aber derzeit als Stipendiat in Grunewald.

Zu den Annehmlichkeiten, die er hier genießt, gehört „dieser unglaubliche Bibliotheksservice“, sagt Chittka, die Hände im Genick verschränkt. Ein Buch, das ihm der fleißige Bienenstock von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier innerhalb weniger Tage besorgt hat, stammt von einem Francois Huber. Der blinde schweizerische Privatgelehrte beschrieb darin schon vor über 200 Jahren etwas, das für Chittka ein Beleg dafür ist, dass Bienen nicht nur viel lernen können, sondern dass ihre geistigen Fähigkeiten weit größer sind als man es ihnen je zugetraut hätte. Huber beobachtete mit Hilfe seines Dieners und dessen Frau unter anderem, wie Honigbienen ihre normalerweise flachen Waben 90 Grad um die Ecke weiterbauen, sobald auf der Seite des Nestes, wo die Wabe eigentlich enden sollte, eine für das Anheften ungünstige Glasscheibe angebracht wird. Keiner weiß, wie sie das machen, wie sie die Veränderung bemerken und dann vereint derart präzise umplanen. Einen solchen „Plan“ zu haben und diesen auch anpassen zu können – die Konsequenzen des eigenen Handelns vorherzusehen – ist für Chittka ein Zeichen von Bewusstsein.

Hummeln schauen sich Problemlösungen ab

Er meint, Hinweise auf solch flexibles, vorausschauendes Verhalten nicht nur bei jenen gerne auch als „Superorganismen“ bezeichneten Kolonien zu sehen, sondern auch bei Individuen von Honig- und Wildbienen, Wespen und Hummeln. Mit letzteren, die auch zur Gruppe der Bienen gehören, machen er und seine derzeit etwas vernachlässigten Mitarbeiter an der Queen Mary University viele ihrer Experimente. Dass das Verhalten dieser Tiere weit jenseits von reinen Reiz-Reaktions-Mustern und simplen Lernprozessen liegt, zeigen viele solcher Versuche.

Hummeln etwa lernen nicht nur, dass am gelben Töpfchen die Zuckerlösung ist, weil sie mehrfach die Gelegenheit bekommen haben, das volle gelbe und das leere rote Töpfchen zu testen. Sie erarbeiten sich etwa auch die Technik, ein Nektargefäß an einem Bindfaden unter einer Glasscheibe hervorzuziehen (siehe Abbildung). Und wenn sie vor einer solchen schwierigen Herausforderung wie „Nektar von Glasscheibe verdeckt“ stehen, versuchen sie sich bei anderen abzuschauen, wie diese an das Futter kommen. „Das ist ist ein kulturelles Phänomen“, sagt Chittka. Sie können das, was richtig ist – also Futter bringt – sogar indirekt aus Beobachtungen ableiten, „zeigen also auch Verhaltensweisen, die sie so gar nicht gelernt haben“, sagt Chittka.

Bienen leben "in einer uns fremden Welt"

Sind das Zeichen für Intelligenz und Bewusstsein? Das sei „auch eine Definitionsfrage“. Allerdings gehören Aufgaben, bei denen Bienen sogar oft besser abschneiden als manch ganz normaler Mensch – etwa räumliche Orientierung, Kategorien bilden, Symbole verstehen, Regeln lernen – zu jedem einigermaßen seriösen Intelligenztest. Tatsächlich geht Chittka aber die Diskussion, was Bienen oder andere Tiere so gut wie oder vielleicht sogar besser können als Menschen, sogar auf die Nerven. Denn Bienen sind eben keine Menschen. Sie haben ein völlig unterschiedliches Nervensystem, können anderes wahrnehmen, etwa Magnetfelder oder polarisiertes Licht. „Sie leben in einer uns fremden Welt“, sagt Chittka.

Dass gerade Bienen immer wieder Fähigkeiten zeigen, die man einem Gehirn von der Größe eines Staubkorns oder – bei großen Arten – maximal eines Stecknadelkopfes eigentlich nicht zutrauen würde, hat für Chittka gleich mehrere Implikationen. Es zeige einerseits, dass die Fähigkeiten eines Nervensystems nicht mit dessen Größe wachsen, sondern eher mit seinen Aufgaben. Im Unterschied zu anderen Insekten etwa müssen Bienen sich extrem gut orientieren können, um Futterplätze zu suchen, wiederzufinden und auch immer wieder zum Nest zurückkehren zu können. Sie müssen ihre Wege optimieren und dafür alle möglichen Informationen integrieren – vom Energieaufwand für eine Strecke bis hin zu Qualität und Quantität einer Futterquelle. Im Vergleich etwa zu einer Stechmücke, die nicht viel mehr können muss als Opfer, Paarungspartner und Plätze für die Eiablage zu identifizieren, haben Bienen also ein deutlich anspruchsvolleres Leben. Andererseits könnte man, wenn man die Prozesse im Mini-Bienenhirn verstünde, potenziell auch Hardware und Programme entwickeln, die ebenfalls auf extrem wenig Raum und mit extrem geringem Energieaufwand hochkomplexe Rechenleistungen ermöglichen. Das ist ein Grund, warum Chittkas Arbeit unter anderem auch vom britischen Ingenieurswissenschaftsrat finanziert wird.

"Unglaubliche" Navigationsleistungen

Beim Spaziergang durch das grüne Grunwald zeigt Chittka auf ein „Bienenhotel“. Es besteht aus einer Menge durch ein kleines Dach geschütztem, löchrigem Holz. Einzeln lebende Wildbienen können dort ihre Eier ablegen und mit Pollen- und Nektarvorräten ausstatten. Und jede findet immer wieder und auch nach kilometerweiten Ausflügen genau ihr Nest, auch wenn das nächste zwei Millimeter daneben genau so aussieht. „Das sind unglaubliche Leistungen und es ist gut möglich, dass es ab einem gewissen Punkt sogar ökonomischer war, sich nicht auf einzelne, im Nervensystem fest verdrahtete und erblich weitergegebene Schaltkreise zu verlassen“, sagt Chittka, sondern auf ein System, das deutlich „offener“ sei. Vielleicht sei dies sogar schon sehr früh in der Evolution passiert und einer der Gründe, warum das tierische Leben sich vor gut 500 Millionen Jahren plötzlich so rasant entwickelte.

Lars Chittka mit Lieblings T-Shirt. Die Quelle für das Darwin-Zitat findet sich hier.
Lars Chittka mit Lieblings T-Shirt. Die Quelle für das Darwin-Zitat findet sich hier.
© Hollis Woodard

Viel Zeit, den Hoteleingang zu beobachten bleibt nicht. Chittka muss zu einer Besprechung. Vorher spricht ihn noch ein älterer Herr an. Er beschwert sich, dass hier im Park das Gras so hoch ist. „Früher war das immer alles schön gemäht“. Der Bienen-Professor findet das, auch weil die Wiesen den Bienen aus dem Hotel Futter bieten, nicht so schlimm. Auch, dass der Mann ihn offensichtlich für den Park-Gärtner gehalten hat, stört ihn nicht. Einer Biene mit ihrer ausgeprägten Fähigkeit zur Mustererkennung wäre das aber sicher nicht passiert.

Am Sonntag, 27.5.2018, um 20 Uhr, hält Lars Chittka am Wissenschaftskolleg seinen Vortrag „Können Bienen denken?“ Infos und Anmeldung unter: wiko-berlin.de/veranstaltungen

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Richard Friebe

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