Bienensterben: Detox bei Maja
Enzyme helfen Bienen, Neonikotinoide abzubauen. Doch die Probleme mit den Pestiziden bleiben.
Weltweit wird fast überall ein massiver Rückgang der Populationen von Bienen und anderer natürlicher Bestäuber beobachtet. Der Einsatz bestimmter Insektenvernichtungsmittel gilt dafür als entscheidend mitverantwortlich. Substanzen aus einer „Neonikotinoide“ genannten Wirkstoffgruppe sind besonders für Bienen und Hummeln giftig. In Europa ist ihr Einsatz bereits stark eingeschränkt. Allerdings gibt es riesige Unterschiede in der „Bienengiftigkeit“, je nachdem, welches Neonikotinoid eingesetzt wird. Die Ursache dafür glauben Wissenschaftler nun gefunden zu haben. Sie schreiben darüber in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Current Biology“. Die Erkenntnis soll helfen, neue, bienenschonende Wirkstoffe zu entwickeln. Bienenexperten allerdings sind mehr als skeptisch.
Entgiftung ohne Smoothie
Forscher um Ralf Nauen, der für den Pharma- und Agrochemiekonzern Bayer arbeitet, haben bei Honigbienen und Erdhummeln Entgiftungsenzyme gefunden, die ein bestimmtes Neonikotinoid namens Thiacloprid sehr effektiv abbauen können. Sie heißen CYP9Q3 und CYP9Q4. Der Befund erklärt lange bekannte Ergebnisse, die zeigten, dass Thiacloprid etwa 1000 Mal weniger akut giftig für Bienen und Hummeln ist als das meistangewandte Neonikotinoid namens Imidacloprid.
„Nicht alle Neonikotinoide sind gleich“, sagt Nauen, „und die Ergebnisse zeigen, dass man wahrscheinlich gezielt Wirkstoffe designen kann, die eine wesentlich niedrigere Bienentoxizität mitbringen als andere.“ Ähnliche Gene und Enzyme hätten er und seine Kollegen, unter anderem vom Agrarforschungsinstitut „Rothamstead Research“ und der University of Exeter in England, auch bei Wildbienen gefunden. Allerdings sei unklar, ob auch andere Nützlinge wie etwa Schmetterlinge damit ausgestattet seien. „Aber sicher ist zumindest, dass die wichtigen Schadinsekten, Blattläuse etwa, diese Genvarianten nicht haben.“
Nicht tödlich, aber sehr schädlich
Auf der Suche nach den Ursachen der unterschiedlichen Bienengiftigkeit von Imida- und Thiacloprid hatten sich die Wissenschaftler zunächst um andere übliche Verdächtige gekümmert. Sie untersuchten etwa, ob Rezeptor-Moleküle im Nervensystemen schlicht unterschiedlich empfindlich für die Substanzen waren. Sie fanden aber nichts dergleichen.
Dieser Befund sei aber entscheidend dafür, ob die jetzt veröffentlichten Resultate praktisch bedeutsam sein könnten, sagt Randolf Menzel von der FU Berlin. Denn die Reaktion am Rezeptor sei entscheidend für andere wichtige Effekte auf Bienen. Diese töten die Tiere zwar nicht direkt, aber beeinträchtigen sie massiv, so der Professor für Neurobiologie und weltweit angesehenen Bienen-Experte.
Denn auch in Konzentrationen, die keine Biene umbringen und deshalb in typischen toxikologischen Experimenten als unbedenklich eingestuft werden, sind Neonikotinoide schädlich. Sie attackieren Hirnzellen der Insekten. „Die werden stark erregt und sterben dann ab“, sagt Menzel. Das kann Orientierungs- und Merkfähigkeit in einem Ausmaß beeinträchtigen, dass diese ihr Nest nicht mehr finden. Alleinlebende („solitäre“) Wildbienen sind so nicht mehr in der Lage, ihre Brutkammern mit Proviant zu bestücken. Der Nachwuchs bleibt dann aus. Bei staatenbildenden Arten wie Honigbienen und verschiedenen Hummel-Spezies werden die Völker durch den Verlust von Arbeiterinnen geschwächt.
„Hinsichtlich dieser Effekte ändert sich durch die neuen Befunde zu den Entgiftungsenzymen gar nichts“, sagt Menzel. Die Entgiftungsenzyme würden in diesen Dosisbereichen noch nicht einmal überhaupt aktiviert. „Das hat also mit einander überhaupt nichts zu tun.“
Gutachten bestätigt Risiken
In Europa gelten derzeit bereits vergleichsweise strenge, aber nicht endgültig in Gesetzesform verankerte Regularien. Zumindest wenn sich alle daran halten würden, käme durch Neonikotinoide hier kaum eine Biene mehr akut zu Tode. Aber selbst wenn nur noch Saatgut mit den Substanzen „gebeizt“ wird und nur noch von Bienen nicht besuchte Kulturen gespritzt werden oder die Anwendung nur noch nach der Blüte erfolgen darf, werden nach Ansicht von Bienenexperten immer noch jene „subletal“ schädlichen Konzentrationen erreicht.
Zu dem Ergebnis, dass auch der derzeit erlaubte Einsatz bestimmte Neonikotinoide Bienen schaden kann, kommt auch ein im Februar erschienenes Gutachten der europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Eine Entscheidung über eine Ausweitung der Verbote ist allerdings bisher nicht gefallen. Menzel fordert, dass etwa Saatgutbehandlungen komplett verboten werden. Diese seien so oder so absurd, da ja zum Zeitpunkt der Maßnahme überhaupt kein Schädlingsbefall vorliege. In Ausnahmefällen bei starkem Befall könnte man aber Spritzaktionen weiterhin erlauben.