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Friederike Otto arbeitet am "Enviromental Change Institute" der University of Oxford. Sie ist Physikerin, Philosophin und Mitbegründerin der "Attribution Science" (Zuordnungswissenschaft).
© Geraint Lewis

Klimaforscherin zur Hitze in Europa: „Künftig wahrscheinlich jeden Sommer über 40 Grad“

War die Junihitze einfach nur extremes Wetter, oder spielte der Klimawandel eine Rolle? Die Oxforder Forscherin Friederike Otto weiß die Antwort. Ein Interview.

Der Juni brachte in Berlin und anderswo in Deutschland die höchsten je gemessenen Temperaturen in diesem Monat. Welchen Anteil der Klimawandel an solchen Ereignissen hat, gilt als umstritten. Die deutsche Physikerin Friederike Otto von der Universität Oxford allerdings ist sich sicher: Sie kann genau das berechnen - und auch die Wahrscheinlichkeit von mehr Extremwetterereignissen in der Zukunft. Für die Hitze vor ein paar Tagen hat sie - gemeinsam mit ihren Kollegen des "World Weather Attribution Projects", das sie leitet - jetzt Ergebnisse vorgestellt. Wir haben sie dazu befragt.

Frau Otto, war die Hitzewelle Ende Juni ein gewöhnliches Wetterereignis oder hatte der Klimawandel einen Anteil daran?

Alle Hitzewellen in Europa sind wahrscheinlicher und intensiver geworden aufgrund des menschgemachten Klimawandels. Es gibt keine europäische Hitzewelle in der heutigen Zeit, bei der der Klimawandel keine Rolle spielt. Wie groß diese im Einzelfall ist, hängt davon ab, wo die Hitzewelle ist, in welchem Monat und ob man sie in einem größeren Gebiet anschaut, etwa Europa oder Deutschland, oder ob sie auf kleinerem Raum betrachtet wird, etwa einzelne Städte.

Sie haben aktuell mit Ihren Kolleginnen und Kollegen die Hitze in Frankreich angeschaut, was ist das Ergebnis?
Wir waren zufällig in der vergangenen Woche auf einer Konferenz in Toulouse und haben die Hitze selbst erlebt. Da wollten wir natürlich wissen, wie groß der Anteil des Klimawandels in diesem konkreten Fall ist. Daher haben wir Frankreich und insbesondere die Stadt Toulouse angeschaut. Unsere Analyse zeigt, dass der Klimawandel diese Hitzewelle mindestens fünffach wahrscheinlicher gemacht hat.

Das Ausmaß war beträchtlich, in Südfrankreich wurde ein neuer Temperaturrekord aufgestellt mit 45,9 Grad Celsius in Conqueyrac.

Ja, solche Ereignisse bestimmen die Schlagzeilen. Wenn es aber darum geht, wie sich Hitzewellen auf die Gesundheit auswirken, sind die Maximaltemperaturen weniger wichtig, sondern vielmehr wie hoch die Tag- und Nachttemperaturen insgesamt liegen und wie lange diese andauert. Deshalb haben wir die Temperaturen über drei Tage hinweg angeschaut. Zudem haben wir uns auf Juni beschränkt, weil Hitzewellen dann meist stärkere Auswirkungen haben. Die Kinder sind noch in der Schule, viele Menschen arbeiten, aber auch weil zu Beginn des Sommers viele noch nicht an Hitzewellen gewöhnt sind und die Auswirkungen stärker sind. Wenn man für diese speziellen Voraussetzungen Beobachtungsdaten und Klimamodelle zusammenführt, dann besagt die Abschätzung, dass der Klimawandel dieses Ereignis mindestens fünffach wahrscheinlicher gemacht hat. Konservativ geschätzt.

Um wie viel Grad lag die aktuelle Hitzeperiode über dem, was man üblicherweise in Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarten konnte?

In den Beobachtungsdaten ist Frankreich im Vergleich zu anderen Ländern dieses Mal besonders extrem gewesen. Diese Hitzewelle letzte Woche wäre zu Beginn der Wetteraufzeichnungen vier Grad kälter gewesen.

Lassen sich die Ergebnisse auf Deutschland übertragen?

Quantitativ ist das schwierig, weil sehr viele lokale Faktoren wie Urbanisierung oder Landnutzung einen starken Einfluss auf die Temperaturen haben. Grundsätzlich hat sich aber auch in Deutschland die Wahrscheinlichkeit und Intensität von Hitzewellen erhöht. Wie viel genau, das müsste man im Detail analysieren, das haben wir bisher nicht getan.

Generell lässt sich aber schlussfolgern, dass es in Mitteleuropa künftig noch mehr solcher Hitzewellen geben wird?

Auf alle Fälle. Wir werden mehr und intensivere Hitzewellen erleben.

Was ist die Ursache dafür?

Der Klimawandel beeinflusst das Wetter auf zwei Arten. Zum einen wird die Atmosphäre durch den steigenden Gehalt an Treibhausgasen insgesamt wärmer, daher erhöhen sich auch lokal die Temperaturen und die Wahrscheinlichkeit für Hitze nimmt zu. Zum anderen verändern wir die Zusammensetzung der Atmosphäre und das beeinflusst beispielsweise die Zirkulation und das kann dazu führen, dass man an einem bestimmten Ort noch mehr Hitzewellen bekommt – oder auch weniger.

Was war der Grund für die konkrete Hitzewelle Ende Juni?
Das war ein besonderer Fall, ein sogenanntes „Cut-Off-Low“, ein Tiefdruckgebiet vor der Iberischen Halbinsel, das warme Luft aus der Sahara gebracht hat. Für diesen Fall sehen wir bisher keine Hinweise, dass sich diese meteorologische Situation künftig häufen würde. Aber nicht alle Hitzewellen werden durch so ein Cut-Off-Low verursacht. Bei anderen Arten sehen wir sehr wohl eine Häufung. Man darf nicht vergessen, dass es Rückkopplungen gibt. Zum Beispiel trocknet der Boden schneller aus, dadurch erhöht sich die Temperatur deutlich mehr als über feuchtem Untergrund. Deswegen hat man gerade in Südeuropa im Sommer noch intensivere Hitzewellen als
im Norden.

Welche Folgen haben Hitzewellen für die Gesellschaft?

Da ist zum einen die Gesundheit: Vor allem ältere Menschen und solche, die anfällig für hohe Temperaturen sind, leiden darunter. Es gibt aber auch ökonomische Auswirkungen. Gerade in Deutschland ist die Infrastruktur nicht für Temperaturen über 40 Grad ausgelegt. Es kommt dann zu Zugausfällen, zudem steigt der Stromverbrauch massiv an, die Produktivität geht zurück. Wir müssen uns unbedingt überlegen, wie wir die Infrastruktur bauen sollten, um auch mit hohen Temperaturen zurecht zu kommen. Wir werden künftig auch in Deutschland wahrscheinlich jeden Sommer Temperaturen von über 40 Grad sehen.

Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Bevölkerung vorzubereiten?

Da die gravierendsten Auswirkungen die auf die Gesundheit sind, sollte man da ansetzen. In Frankreich werden Aktionspläne entwickelt, was bei einer drohenden Hitzewelle zu tun ist. Dann werden die Menschen darauf hingewiesen, dass man viel Wasser trinken muss, in Paris werden kühle Räume geöffnet, wo Menschen in der Mittagshitze Rückzugsorte haben. Solche relativ einfachen Maßnahmen haben große Auswirkungen.

Zur Person: Friederike Otto ist Direktorin des Environmental Change Institute an der Universität Oxford. Sie ist spezialisiert auf Attributionsforschung. Dabei geht es darum, mithilfe statistischer Methoden zu ermitteln, wie groß der Anteil des Klimawandels an bestimmten Wettersituationen ist. Ein ausführliches Interview mit Friederike Otto über ihre Forschung und ihr Buch darüber hier auf tagesspiegel.de.

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