Protest für Andrej Holm: "Kochen, feiern, putzen - Widerstand leisten"
Die Besetzer an der Humboldt-Universität rufen zur Demo auf - und richten sich darauf ein, lange zu bleiben. Ein Besuch.
Ordnung muss sein. Gleich am Eingang des besetzten Instituts für Sozialwissenschaften sitzt eine Studentin hinter einem Infostand und nimmt freundlich die Fragen der Besucher entgegen. In einem Raum weiter hinten stapeln sich neben Plastikwannen frisch gespülte Teller. In welchen Schritten genau abgewaschen werden soll, erklärt ein ausführlicher Ablaufplan über der Spülecke. Jemand will Transparente malen? Dafür gibt es eine eigens ausgewiesene „Transpi-Malstelle“ mit abgedecktem Boden, falls was daneben geht. Die Studierenden, die das Institut der Humboldt-Universität seit Mittwoch aus Protest gegen die Entlassung des zurückgetretenen Staatssekretärs und Stadtsoziologen Andrej Holm besetzt halten, sind gut organisiert.
"Die Ökonomisierung von Forschung und Lehre stoppen"
„Wir üben Herrschaftskritik, überlegen uns alternative Lebensmodelle, wir kochen, feiern, putzen und machen Kunst. Wir leisten Widerstand. Wir sind politisch“, erklärt Student Jan vom Presseteam der Besetzer zum Auftakt der Pressekonferenz am Dienstag (zum Livestream hier). Im Mittelpunkt steht weiter die Forderung an Sabine Kunst, Präsidentin der HU, ihre Kündigung von Andrej Holm wegen seiner Falschangaben auf seinem Personalbogen zurückzunehmen. Doch der Forderungskatalog ist breiter geworden: So soll neben einer „Wohnungspolitik im Interesse der Mieter*innen“ „die Ökonomisierung von Forschung und Lehre gestoppt“ werden, am Institut sollen zehn Projekttutorien entstehen. Angestrebt wird „eine gleichberechtigte Gesellschaft frei von fremdbestimmten Herrschafts- und Besitzverhältnissen.“ Dafür rufen die Studierenden zu einer Demo am kommenden Sonnabend um 13 Uhr auf.
Unterstützt werden sie unter anderem von Berliner Schülerinnen und Schülern sowie von Mieterinitiativen. Vertreter von letzteren sprachen auch auf der Pressekonferenz: „Jeden Tag verlieren Leute in dieser Stadt ihre Wohnung. Das ist der eigentliche Skandal, nicht Andrej Holm“, sagte Enrico Schönberg vom Bündnis „Stadt von unten“. Und der Politkünstler Kurt Jotter, schon in alten West-Berliner Zeiten aktiv beim „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ und nun auch Mietaktivist, erklärt, Bausenatorin Katrin Lompscher habe nun eine würdige Nachfolge für Holm zu finden. Auch daran werde gemessen, ob die Politik der Linken und der Grünen noch mitzutragen sei.
Büchsenwerfen gegen die HU-Präsidentin und die SPD
Die SPD ist bei den Besetzern sowieso längst unten durch, ebenso wie HU-Präsidentin Kunst, zu der es aktuell keinen Kontakt gibt, wie Jan vom Presseteam berichtet. Die Besetzer geben ihren Mitstreitern Gelegenheit zum Büchsenwerfen auf „Kunst – SPD – HU-Präsidium“, wie auf einer Büchsenpyramide steht. „Reiß das Präsidium ein“, lautet das Motto. Als Hauptpreis winkt „eine autonome Uni“.
30 bis 70 Besetzerinnen und Besetzer bleiben am Institut auch über Nacht, sagt ein Student, der seinen Namen nicht nennen will. Dazu ziehen sie sich in Seminarräume im Untergeschoss zurück. Etwa 1000 Studierende sind an dem Institut eingeschrieben, ihre Veranstaltungen finden in anderen Uni-Räumen statt. Die Besetzer richten sich darauf ein, lange zu bleiben. Ein großer Suppentopf steht neben einer tragbaren Herdplatte. Unlängst habe ein Bäcker zehn Kilo Brot gespendet, erzählt der Student, und ein Falafel-Laden habe nachts „alles vorbei gebracht, was noch übrig war“. Die Studierenden laden alle Berlinerinnen und Berliner ein, mit ihnen zu diskutieren.
"Wir kämpfen zusammen"
Student Jeremy Cerna, der Spanisch auf Lehramt studiert, kommt jeden Tag für ein bis zwei Stunden vorbei: „Wir kämpfen zusammen“, sagt er. Eine Studentin, die anonym bleiben will, stellt fest: „Seit langem ist an der HU nichts Kritisches und Politisches mehr passiert.“ Sie sei beeindruckt von den vielen selbstorganisierten Veranstaltungen, in denen die Studierenden rund ums Thema diskutieren und sich weiterbilden (zum Programm hier). „Awareness“ steht auf einem Schild, das auf dem Rücken einer Studentin klebt.
Wie es mit der Besetzung in den Semesterferien weitergeht, die Mitte Februar beginnen, haben die Studierenden noch nicht besprochen: „Das ist noch weit weg“, sagt einer.