Stasi-Debatte um Andrej Holm: "Ich habe keine Erinnerungslücken"
Der Ex-Staatssekretär verteidigt sich in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" - er habe versucht, ehrlich zu sein. Die Regierung habe von seiner Vergangenheit gewusst.
Es war ein kurzes Gastspiel für Andrej Holm - und es hat ihn viel gekostet. Erst verlor er wegen seines Umgangs mit seiner Stasi-Vergangenheit den Posten als Staatssekretär für Wohnen, dann auch seine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität. "Ich empfinde viel Frust über die Art, wie das behandelt wurde", sagte er in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" vom Montag.
Dass ihm seine Tätigkeit als junger Mann zum Verhängnis werden könnte, habe er nicht geahnt. "Meine Stasi-Vergangenheit war selbst bei Wikipedia dokumentiert." Die gesamte Berliner Regierungsriege, auch Michael Müller, habe davon gewusst. "Sie haben gesagt, das ist nicht schön, aber wir machen es."
"Persönliches Reflektieren ist nicht erwünscht"
Von Verschleierungstaktiken will Holm nichts wissen. "Einige reden von Erinnerungslücken. Ich habe keine Erinnerungslücken." Er habe sich um eine ehrliche Darstellung bemüht, aber "dieses persönliche Reflektieren, das Nachvollziehen ist nicht gewünscht." Auch habe er seinen Arbeitgeber, die Humboldt-Universität, anders als von HU-Präsidentin Sabine Kunst vorgeworfen, nicht "arglistig getäuscht". Im Fragebogen für seine Einstellung habe er keine hauptamtliche Tätigkeit angegeben, weil er sich in der Ausbildung befand. Auf seine Anstellung bei der "Wach- und Sicherheitseinheit" angesprochen, entgegnete Holm: "Erst als ich meine Akte eingesehen habe, ist mir der Begriff begegnet."
Wie berichtet, hatte der Stadtsoziologe bei seiner Anstellung an der Humboldt-Universität 2005 seine hauptamtliche Tätigkeit für die DDR-Geheimdienstpolizei in einem Fragebogen verneint und stattdessen die falsche Angabe gemacht, lediglich einen Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ absolviert zu haben. (Tsp)
Im Rahmen der Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften durch Studierende, findet am Montag, dem 23. Januar, ein Gespräch zwischen Tagesspiegel-Berlinchef Robert Ide und dem Sozialwissenschaftler Ulf Kadritzke über den „Tagespiegel und die Causa Holm“ statt (Universitätsstraße 3b).