Sein Urahn startete in Schöneberg: Jungfernflug des Helikopters „Ingenuity“ auf dem Mars
Erstmals fliegt ein von Menschen gebautes Luftfahrzeug auf einem anderen Planeten. Ein Meilensteil auf dem Weg dorthin wurde vor 120 Jahren in Berlin gesetzt.
Nach ein paar Verzögerungen hat es in den Morgenstunden des 19. April 2021 (Erdzeit) geklappt: Ein nahezu federleichtes, batteriegetriebenes Maschinchen setzte 287 Millionen Kilometer von der Erde entfernt seinen Rotor in Betrieb, hob ab, machte sogar Fotos, und landete wieder sicher. Es war der erste Flug eines von Menschen gebauten Helikopters auf dem Mars – und überhaupt auf einem anderen Himmelskörper als der Erde.
„Perseverance“ hat etwa drei Millionen Follower bei Twitter
Das am 18. Februar an Bord des Rovers „Perseverance“ („Ausdauer“) auf den Mars gelangte Fluggerät verlangte seinen Ingenieuren und den inzwischen sehr zahlreichen Fans auf der Erde („Perseverance“ hat derzeit etwa drei Millionen Follower bei Twitter) in den letzten Wochen seinerseits sehr viel Ausdauer ab. Der Start musste wegen technischer Schwierigkeiten mehrmals verschoben werden.
Und zumindest in den USA musste man auch lange aufbleiben, denn statt Prime Time entschied sich die Nasa für einen Starttermin mitten in der amerikanischen Nacht: Der Hubschrauber namens „Ingenuity“ startete, stieg drei Meter auf, machte Fotos seines eigenen Schattens und landete wieder sicher. Das alles geschah ziemlich autonom und Befehlen folgend, die lange zuvor gesendet worden waren. Denn ein solches Gerät direkt von der Erde aus zu steuern ist wegen des großen Abstandes und der Minuten brauchenden Funksignale unmöglich.
„Ingenuity“ bedeutet „Erfindergeist“ oder „Einfallsreichtum“. Tatsächlich aber ist Ingenuity „nur“ ein an Mars-Verhältnisse angepasster Hubschrauber nach sehr irdischem Vorbild. Er nutzt wie die meisten Drohnen Lithium-Ionen-Akkus als Energiequelle und ist etwa 1,8 Kilogramm schwer – was allerdings nur für die Erde gilt, auf dem Mars wiegt er nur etwa ein Drittel davon.
Fliegen auf dem Mars deutlich schwieriger als auf der Erde
„Es ist wahr, es ist wirklich wahr“, jubelte Projektmanagerin MiMi Aung im Kontrollzentrum in Pasadena nahe Los Angeles. Das Team applaudierte, nachdem die Daten auf der Erde angekommen und ausgewertet worden waren.
Trotz aller prinzipiellen Ähnlichkeiten zu Hubschraubern auf der Erde ist Fliegen auf dem Mars deutlich schwieriger. Das liegt auch an den extremem Temperaturunterschieden mit bis zu minus 90 Grad Celsius in der Nacht, was auf der Erde kein normales Lithium-Akku aushält. Und die Atmosphäre ist nur etwa ein Hundertstel so dicht wie die der Erde auf Meereshöhe. Der Rotor muss sich deshalb sehr schnell drehen, um ausreichend Moleküle zu bewegen und so den nötigen Druckunterschied für ein Abheben zu schaffen. Bis zu 2537 Umdrehungen pro Minute sind nötig. Was ein bisschen hilft ist aber die schon erwähnte geringere Anziehungskraft des Mars.
Die Ingenieurinnen und Ingenieure betonen, es gehe vor allem um den Nachweis, dass Helikopterflug auf dem Mars überhaupt möglich ist. Außer bei der Routenplanung des Rovers möglicherweise hilfreiche Luftaufnahmen wird er kaum etwas zur Marserkundung selbst beisteuern. Zahlreiche weitere Flüge sind geplant – und natürlich Nachfolgemodelle.
Spielzeug-Hubschrauber schon vor 2500 Jahren
Wann auf der Erde erstmals ein Helikopter flog, weiß niemand genau. Wie so oft gibt es die ersten Hinweise darauf aus China, und wie so oft sind sie sehr alt. Schon vor etwa 2500 Jahren sollen dort Spielzeug-Hubschrauber aus Bambusstöcken und oben daran befestigten Federn oder Holzstückchen abgehoben haben. Angetrieben wurden sie zunächst, indem man die Stöcke schnell zwischen den Händen drehte und dann loslies. Danach wurden die Geräte dort, wenn man etwa den Schriften Ge Hongs aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert glaubt, vielfach weiterentwickelt, etwa mit verdrehten Lederriemen als Antrieb.
Leonardo da Vinci hat, soweit bekannt, als einer der ersten in Europa mit solchen „Luftschrauben“ experimentiert. Dass ein per Motor angetriebener Helikopter einen Menschen erstmals in die Luft hob, jährt sich in diesem Jahr zum 120. Mal. Erfinder: der Berliner Hermann Ganswindt. Ort des historischen Ereignisses: Berlin Schöneberg.
Ähnlich wie bei "Ingenuity" wurde auch dieses Ereignis gefilmt. Doch die Filmrollen gelten bis heute als verschollen.