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Chemie-Doktorandin Rhea Christodoulou an ihrem Profilreaktor "Argos Panoptes".
© TU Berlin/Christian Kielmann

Neuer Tenure Track an der TU Berlin: „Junge Talente identifizieren“

Die TU Berlin führt einen neuen Tenure Track ein, um sich für die zweite Runde des Bundesprogramms aufzustellen. Vizepräsidentin Angela Ittel erklärt, was sich ändern soll.

Frau Ittel, was ändert sich für Nachwuchswissenschaftler an der TU durch den neuen Tenure Track, den die Uni jetzt beschlossen hat?
Wenn Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bisher nach ihrer Promotion eine Juniorprofessur angetreten haben, wissen sie: Diese Anstellung ist auf sechs Jahre befristet und führt nicht zu einer festen Stelle an ihrer Uni. Sie müssen ihre Leistungen evaluieren lassen und sich dann wieder auf eine neue feste Professur bewerben. Der Tenure Track hingegen ermöglicht es uns, herausragende junge Wissenschaftler jetzt zu identifizieren und sie bereits mit Aussicht auf eine Lebenszeitprofessur bei uns anzustellen. Die Stelle ist im Prinzip schon da, wenn sie ihre Nachwuchsprofessur antreten. Sie müssen sich dafür aber noch in Forschung und Lehre bewähren. Dafür gibt es klare Kriterien.

Was ist das Besondere am neuen TU-Modell, das für eine neuerliche Bewerbung im Bundesprogramm für die Einrichtung von bundesweit insgesamt 1000 solcher Stellen entwickelt wurde?

Viele Gestaltungsmöglichkeiten haben wir bei diesem Modell nicht – wegen der rechtlichen Bedingungen für den Tenure Track und der Vorgaben im Bundesprogramm. Allerdings sind bei uns fast zwei Drittel der Professuren ingenieurwissenschaftlich ausgerichtet. Ihr typischer Weg ist es, zu promovieren, in die Wirtschaft zu gehen und dann an eine Universität zurückzukehren. Jetzt müssen wir sehen, wie wir in diesen Fächern trotzdem einen Tenure Track unterbringen.

In der ersten Runde des Tenure-Track-Programms ist der Antrag der TU vor einem Jahr ja ebenso durchgefallen wie der der FU, während die HU alle 26 beantragten Professuren durchbrachte. Was hat die angekündigte Fehleranalyse der TU ergeben?

Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass unser Antrag nicht überzeugend genug im „Anstoßen des Kulturwandels“ war. Tatsächlich gibt es auch berechtigte Skepsis in den Fakultäten: Wie können wir junge Talente identifizieren und wie können wir sichergehen, dass sie die in sie gesetzten Hoffnungen nach sechs Jahren und langfristig auch wirklich erfüllen? Wenn jemand am Ende durch die Evaluation fällt und nicht auf die Lebenszeitprofessur übergeleitet wird, verbauen wir ihm oder ihr die Zukunftsperspektiven. In den USA ist es nicht ungewöhnlich, zunächst an Spitzenunis durchzufallen und sich dann an anderen Unis erneut zu bewerben. Aber so weit sind wir in Deutschland noch nicht.

Wie reagiert die TU auf die Vorbehalte?

Wir richten zum Beispiel eine Kommission ein, die das Qualitätsmanagement des gesamten Prozesses kontrolliert. Und in unserer Bewerbung für die zweite Runde des Bundesprogramms setzen wir auf den Berliner Verbund gemeinsam mit der FU, der HU und der Charité, mit dem wir in der Bewerbung um die Exzellenzstrategie antreten. So sind in den jeweiligen Kommissionen auch Mitglieder anderer Unis vertreten, und wir werden noch verstärkt gemeinsame Unterstützungsprogramme für den Nachwuchs anbieten.

Angela Ittel, seit 2014 Vizepräsidentin für Strategische Entwicklung, Nachwuchs und Lehrkräftebildung an der Technischen Universität Berlin.
Angela Ittel, seit 2014 Vizepräsidentin für Strategische Entwicklung, Nachwuchs und Lehrkräftebildung an der Technischen Universität Berlin.
© TUB/David Ausserhofer

Früher gab es ja massive Bedenken gegen Hausberufungen, wie sie auch der Tenure Track mit sich bringt. Gilt heute nicht mehr, dass die Wissenschaft einen immer frischen Zustrom und den Austausch junger Kräfte braucht?

Tenure Track ist keine Hausberufung. Während der sechs Jahre bis zur Überleitung auf die Lebenszeitprofessur entwickeln sich die Nachwuchskräfte ja noch sehr. Diskutiert wird jetzt, wie wir zum Zeitpunkt der Berufung die Richtung der künftigen wissenschaftlichen Ausrichtung mit den Kandidaten verhandeln. Der Tenure Track ist auch kein Instrument, um den eigenen Nachwuchs auf die Professorenlaufbahn zu setzen. Die Stellen werden international ausgeschrieben. Nur mit dieser Aussicht auf eine Dauerstelle bekommen wir auch Bewerbungen von den international Besten. Also wirkt der Tenure Track genau gegen die früher befürchtete Verkrustung.

Auch bereits berufene Juniorprofessorinnen und -professoren fordern die Überleitung und drohen, sich andernfalls frühzeitig anderswo zu bewerben.

Das ist bundesweit ein großes Problem. Deutschland hat durch die Juniorprofessur eine Generation geschaffen, die sich jetzt benachteiligt sieht, weil es erst jetzt das breite Programm für den Tenure Track gibt. Nachträglich können sie dafür nicht mehr berücksichtigt werden. Wenn uns Juniorprofessorinnen vor Ablauf der sechs Jahre verlassen, weil sie anderswo eine feste Stelle bekommen, ist das für die TU aber nichts Nachteiliges. Im Gegenteil: Sie haben hier vier, fünf Jahre eine super Forschung und Lehre betrieben – und sich an der TU Berlin qualifiziert.

Bekommen auch exzellente Mitarbeitende eine Stufe unterhalb der Juniorprofessor oder Forschungsgruppenleitung eine Überleitung auf eine unbefristete Stelle an der Hochschule?

Der Berliner Senat hat uns im Hochschulvertrag auferlegt, 30 neue unbefristete Dauerstellen im Mittelbau schaffen. Auch darüber sind wir jetzt mit unseren Fakultäten im Gespräch. Hinauslaufen wird es auf eine Mischung an Stellen für Wissenschaftsmanager an großen Instituten, auf Stellen etwa im Marketing für Studiengänge, aber auch in Forschung und Lehre.

Jährlich schließen 500 Doktoranden ihre Promotion an der TU ab und aktuell forschen und lehren dort 400 Postdocs. Die Zahl derer, denen die TU eine dauerhafte Karriereperspektive bieten kann, wird weiterhin gering sein. Was bieten Sie ihnen an?

Dass nicht alle jungen Wissenschaftler eine Dauerstelle an der Uni erhalten können, daran kann das Programm nichts ändern. Ein Viertel unserer 267 Strukturprofessuren in Tenure-Track-Stellen umzuwandeln, wird viele Jahre dauern. Die Zahl der zusätzlichen Stellen, die wir im Bundeswettbewerb holen können, ist ebenfalls relativ überschaubar. Aber wir bilden ja nicht nur für die Wissenschaft aus, sondern für den Arbeitsmarkt! Es ist nur relativ neu, dass sich Unis dazu so deutlich bekennen.

Nachwuchswissenschaftler wünschen sich heute „planbare Karrieren“. Aber wenn es um Perspektiven außerhalb der Wissenschaft geht, kann die Uni kaum helfen, oder?

Doch, künftig beraten wir noch mehr als heute unseren wissenschaftlichen Nachwuchs auf jeder Karrierestufe zu Alternativen. Dazu unterstützen wir derzeit auch unser Nachwuchsbüro. Wir nutzen teilweise externe Expertisen oder die Erfahrungen unserer Alumni und bilden unser eigenes Personal fort. Es muss aber auch immer klar sein, dass man für seine Karriere eigenverantwortlich ist. Hierzulande gibt es manchmal – anders als etwa in den USA – den Anspruch, dass sich eine öffentliche Institution zu kümmern hat. Die TU hilft gern, aber es gilt: Egal, welchen Weg du gehst, du muss selber aktiv werden.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

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