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Bildungsexperten. Schüler und Studierende haben außerdem ein hohes demokratisches Potenzial, meinen unsere Autoren.
© Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Mehr Mitbestimmung wagen: Jugendliche in den Nationalen Bildungsrat!

Bund und Länder planen einen Nationalen Bildungsrat. Das ist eine Chance, endlich auch junge Leute an der Bildungspolitik zu beteiligen. Schließlich sind sie die besten Experten, meinen unsere Gastautoren Susanne Czaja und Rainald Manthe

Junge Menschen werden an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes kaum beteiligt. Es herrscht „Alte-Säcke-Politik“ (Wolfgang Gründinger) mit etwas Scheinpartizipation. Zu jung seien sie, zu unreif, und wüssten sowieso zu wenig vom Leben. Ein Beispiel ist die Bildungspolitik: Hier verbringen sie einen großen Teil ihrer Zeit, mitgestalten können sie aber kaum. Gleichzeitig hören sie von 16 Länderinteressen, eine Vielzahl an unterschiedlichen Schulformen, Noteninflation, Kompetenznormen – und finden sich nicht wieder. Das kann zu Frust führen. Was hält sie davon ab, irgendwann Steine zu schmeißen oder sich ganz von der Politik abzuwenden? Zum Beispiel echte Beteiligung.

Manchmal lohnt es sich, alte Ideen zu recyceln. Beispielsweise die des Nationalen Bildungsrats. Einen solchen gab es einmal. 1975 beendete er allerdings nach nur acht Jahren seine Arbeit. Nun wird diese Idee von der großen Koalition wieder aufgegriffen. Ein Nationaler Bildungsrat soll laut Koalitionsvertrag Vorschläge für mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen vorlegen. Auch die Kultusministerkonferenz hat sich diese Forderung zu eigen gemacht.

Neue Impulse sind zu erwarten

Das ist aus vielerlei Gründen zu begrüßen. Zum Beispiel, weil durch ein unabhängiges Beratungsgremium neue Impulse zur Weiterentwicklung des Bildungssystems zu erwarten sind – und zwar losgelöst von Tagespolitik und Wahlkampfkalkül. Oder weil dadurch das Thema Bildungsgerechtigkeit einen festen Platz im bildungspolitischen Diskurs erhält.
Ein wichtiger Aspekt fehlt bei der Diskussion um den Bildungsrat bislang allerdings: die Beteiligung junger Menschen. Und das, obwohl das deutsche Bildungssystem ein massives Beteiligungsdefizit hat. Diejenigen, die derzeit über dessen Ausgestaltung entscheiden, haben es zumeist vor 30 bis 40 Jahren durchlaufen. Junge Menschen hingegen werden an Veränderungen im Bildungssystem, die maßgeblich sie betreffen, derzeit wenig bis gar nicht beteiligt. Zwar heißt es in den Koalitionsvereinbarungen ebenfalls, dass die Teilhabe junger Menschen gestärkt und diese für Politik begeistert werden sollen. Konkrete Angebote wie das geschehen soll, werden nicht gemacht. Dabei können junge Menschen gut Auskunft geben über Vor- und Nachteile ihrer Bildungseinrichtungen: Sie wissen, welche Probleme es gibt und haben oft differenzierte Vorstellungen davon, wie es anders laufen kann. Sie sind nah dran am Geschehen, und bemerken Schwierigkeiten und Probleme frühzeitig. Junge Menschen sind Expert_innen ihres Alltags, der weitgehend in Schulen und Hochschulen stattfindet.

Junge Menschen haben ein großes demokratisches Potenzial

Ein Nationaler Bildungsrat mit jungen Menschen hätte ein großes demokratisches und kreatives Potenzial: Indem Bildungsbetroffene an der Ausgestaltung ihres Bildungssystems beteiligt werden, lernen sie ihre Zukunft aktiv mitzugestalten und als Expert_innen ihres Alltags ernstgenommen zu werden. Politik ist noch weit davon entfernt, junge Menschen als ernstzunehmende Diskussionspartner anzunehmen. Zugleich profitiert aber auch der Bildungsrat selbst von der Beteiligung junger Menschen: Vorschläge zur Verbesserung des Bildungssystems werden nicht über die Bildungsbetroffenen hinweg benannt, sondern unter Einbezug ihrer Expertise und Meinungen. Ideen werden so direkt auf den Prüfstand gestellt und von Beginn an um die Perspektive derer erweitert, die damit in der Praxis konfrontiert werden.

Der Bildungsrat ist ein kleiner, schnell umsetzbarer Schritt, um junge Menschen an für sie wichtige Themen und Entscheidungen zu beteiligen. Damit das Gremium breit legitimiert ist und der Einbezug junger Menschen nicht der Scheinpartizipation dient, müssen Vertreter_innen der jungen Generation mindestens die Hälfte der Mitglieder stellen. Diese sollten die unterschiedlichen Bildungsbereiche abdecken und der gesellschaftlichen Vielfalt gerecht werden.

So oder ähnlich kann der neue Bildungsrat zur demokratischeren Gestaltung unser Gesellschaft beitragen. Für das Bildungssystem würde das bedeuten, dass die bisherigen Entscheider_innen auf einen Teil ihrer Macht verzichten. Lassen sie sich darauf ein, könnte sich das Bildungssystem grundlegend ändern. Und Bildungsbetroffene können endlich zu Bildungsbeteiligten werden. - Czaja und Manthe sind engagiert bei „Was bildet ihr uns ein?“, einer ehrenamtliche Initiative aus Schüler_innen, Studierenden und Promovierenden, die das deutsche Bildungssystem aus der Perspektive der jungen Generation kritisieren.

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