Tag der Organspende am 2. Juni: Initiativen für neue Regelung der Organspende
Der Tag der Organspende am 2. Juni ist für Patienten eher der Tag des zu langen Wartens auf ein Spenderorgan. Jetzt gibt es Initiativen, die bewirken sollen, dass mehr Organe zur Verfügung stehen.
Es ist genau 50 Jahre her, das Jahr der Herztransplantationen. Ein paar Monate zuvor hatte der südafrikanische Chirurg Christiaan Barnard zum ersten Mal ein Herz von einem Menschen einem anderen verpflanzt. 1968 wurden weltweit bereits 100 solche Transplantationen vorgenommen. Doch das damals erwartete goldene Zeitalter des Organersatzes brach nicht an. Die Erfolge waren gering, Patienten starben meist bald. Im Jahr 1970 war die Zahl solcher Eingriffe auf 18 gesunken. Erst in den 80er Jahren begann mit Hilfe des Medikamentes Ciclosporin, mit dem Ärzte Abstoßungsreaktionen besser in den Griff bekamen, die Ära der routinemäßigen Organverpflanzungen. Neben Herzen wurden auch die schon vor 1968 gelegentlich verpflanzten Nieren, dazu Lungen, Lebern und andere Organe und Gewebe transplantiert.
Organmangel
Ein anderes grundsätzliches Problem ergab sich damit, und besteht bis heute: der Mangel an Spenderorganen. Nach dem so genannten Organspende-Skandal 2010/11, im Zuge dessen einzelnen Transplantationszentren an deutschen Unikliniken Richtlinienverstöße im Procedere der Vergabe von Spenderorganen nachgewiesen wurden, sank die Bereitschaft in der deutschen Bevölkerung noch einmal. Derzeit gibt es in Deutschland Initiativen, die bewirken sollen, dass in Zukunft mehr Organe zur Verfügung stehen. Zudem wird weltweit verstärkt an Alternativen geforscht.
Die Regelungen sind international sehr unterschiedlich. In Deutschland muss ein Verstorbener zu Lebzeiten ausdrücklich eingewilligt haben, dass ihm im Todesfalle Organe entnommen werden dürfen. Normalerweise geschieht das über einen Organspenderausweis, den man bei sich trägt. Oder Angehörige müssen unter großem Druck, denn die Zeit ist immer knapp, die Entscheidung treffen. Diese soll sich am Willen des Verstorbenen orientieren.
Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) will mit einem neuen Vorstoß nun den Organspender-Mangel angehen. Ähnlich wie in den USA sollten die Menschen beim Beantragen von behördlichen Dokumenten wie Personalausweis, Reisepass oder Führerschein angeben müssen, ob sie im Fall ihres Todes Organspender sein wollen oder nicht, sagte Garg der Deutschen Presse-Agentur. Falls jemand bereit sei zur Organspende, würde das Dokument entsprechend gekennzeichnet. Garg sprach von einer verpflichtenden Entscheidungslösung. "Das Recht auf Nichtentscheidung wäre bei dieser Lösung nicht mehr gegeben - und das ist von mir auch so gewollt."
Modell Widerspruchslösung
Garg favorisiert damit im Grunde eine Variante der sogenannten Widerspruchslösung, die etwa in den Niederlanden gilt. Danach sind alle Menschen potenzielle Organspender, es sei denn, sie haben sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen. Die Widerspruchslösung war zuletzt 2011/2012 in Deutschland intensiv debattiert worden, aber auf starken Widerspruch gestoßen und gescheitert.
Rund 10.000 Menschen stehen in Deutschland auf den Wartelisten für ein Spenderorgan. Täglich stürben statistisch gesehen drei von ihnen, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ verfügbar ist, heißt es bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in Frankfurt. Im vergangenen Jahr fiel die Zahl der Organspender mit 797 nach Angaben der DSO auf den niedrigste Stand seit 20 Jahren. Weil im Todesfall oft mehrere Organe gespendet werden, erhielten 2700 Menschen ein fremdes Organ.
Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) favorisiert eine Art Widerspruchslösung. Er sagte am vergangenen Montag, eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob man bereit wäre, Organe zu spenden, müsse "für uns alle zur Selbstverständlichkeit werden."
Weniger Spenden, steigende Spendebereitschaft
Die Widerspruchslösung sei "aus medizinischer Sicht, vor allem aber aus Sicht der vielen schwerkranken Patienten auf der Warteliste" der Idealfall, sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery der Deutschen Presse-Agentur. Ähnlich äußerte sich auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: "Wir könnten damit so vielen Menschen den Tod ersparen oder ein besseres Leben ermöglichen." Auch der Deutsche Ärztetag in Erfurt hatte sich Anfang Mai klar für die Widerspruchslösung ausgesprochen.
Es gibt aber auch kritische Stimmen. Rudolf Henke, Vorsitzender der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund, sagte, das Transplantationswesen lebe von Vertrauen. Dass eine Widerspruchslösung das Vertrauen stärkt, bezweifelt er. Man müsse stattdessen die Menschen überzeugen und die Strukturen verbessern.
Die generelle Sicht auf Organspenden hat sich neuen Umfragedaten zufolge in letzter Zeit wieder verbessert. Positive Einstellungen dazu seien mit 84 Prozent nun so hoch wie noch nie, ergab eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Befragt wurden von November bis Februar 4000 Bürger im Alter von 14 bis 75 Jahren. Einen Organspendeausweis haben demnach inzwischen 36 Prozent, nachdem es 2012 nur 22 Prozent waren. Krankenkassen müssen seit 2012 Versicherte ab 16 Jahren alle zwei Jahre anschreiben und über das Thema informieren.
Synthetische und tierische Alternativen
In der biomedizinischen Forschung wird derweil nach Methoden gesucht, wie die Abhängigkeit von menschlichen Spenderorganen reduziert werden könnte. Künstliche Ersatzorgane werden mittlerweile bereits routinemäßig bei Herzpatienten eingesetzt, um so die Zeit bis zur Verfügbarkeit eines echten Organs überbrücken zu können. Am Deutschen Herzzentrum Berlin arbeitet dessen Chef Volkmar Falk zusammen mit Kollegen aus Zürich an neuen Kunstherzen mit komplett biologischer Oberfläche. Das soll die Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln verringern. Vielleicht könnten solche Pumpen dann auch zu Dauerlösungen für Patienten werden.
Große Hoffnungen werden auch in Spenderorgane von Schweinen gesetzt. Unter anderem mit Hilfe der Genschere Crispr wollen Forscher wie der Harvard-Professor George Church erreichen, dass Schweineorgane nicht mehr abgestoßen werden. Nicht weit entfernt, am Massachusets General Hospital in Boston arbeitet der Mediziner Joren Madsen von der Empfängerseite her am gleichen Problem. Er versucht, dem Immunsystem des Toleranz gegen Spenderorgane beizubringen. Auch das könnte dazu führen, dass etwa Schweinorgane infrage kämen. (mit Material von dpa)