Gentechnik: Genschere verschnippelt sich doch nicht
Hunderte von Fehlschnitten? Eine Facharbeit dämpfte vergangenes Jahr die Hoffnung auf präzise Gentherapien. Nun wurde die Studie zurückgezogen.
Eigentlich sollte die Genschere Crispr/Cas9 nur an einer Position im Erbgut schneiden. Damit wäre es möglich, zuverlässig eine krankmachende Genveränderung zu beseitigen. Doch als Forscher der Stanford Universität in Kalifornien das Erbgut zweier behandelter Mäuse genauer untersuchten, fanden sie hunderte zusätzliche, ungewollte Veränderungen. Diese alarmierende Meldung, veröffentlicht im Mai vergangenen Jahres im Fachblatt „Nature Methods“, hatte weltweit die Hoffnungen gedämpft, mit der Genschere genetisch bedingte Erkrankungen gezielt behandeln zu können. Die Aktien von Biotechfirmen wie Crispr Therapeutics, Editas oder Intellia, die Crispr-basierte Therapien entwickeln, hatten kurzzeitig sogar Kursstürze hinnehmen müssen.
Skepsis von Anbeginn
Experten begegneten der Facharbeit allerdings von Anfang an mit Skepsis. „Die Art und Weise, wie Crispr/Cas9 in diesen Mäusen angewandt wurde, unterscheidet sich deutlich von einer möglichen Anwendung beim Menschen“, hatte der Genforscher Toni Cathomen von der Universität Freiburg dem Tagesspiegel gesagt. Auch hätten geeignete Kontrollexperimente gefehlt. Die Kritik mehrte sich und konnte von dem Forscherteam um Kellie Schaefer nicht entkräftet werden.
Nun hat „Nature Methods“ die Arbeit zurückgezogen, nachdem vier unabhängige Experten die Studie, die Kritik und die Antworten der Forscher darauf begutachtet hatten. In einem Kommentar schreiben die Nature-Redakteure unter anderem, die Studie habe die zentrale These nicht belegen können, dass die beobachteten Genmutationen durch die Genschere ausgelöst wurden. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei den beobachteten Änderungen in der Erbgutsequenz nur um normale genetische Variation zwischen den zwei mit Crispr behandelten Mäusen und der zum Vergleich herangezogenen Maus handelt.