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Erst die Hefe macht das Bier - indem sie Zuckerbestandteile der Gerste in Alkohol und andere Stoffe umwandelt.
© Wikicommons/Mogana Das Murtey and Patchamuthu Ramasamy

Interview mit dem Berliner Brau- und Biotechexperten Ulf Stahl: Hopfenloses Bier wäre "ein Schritt weg von der Natürlichkeit"

Bier ohne Hopfen? Zwiespältig sieht das der Mikrobiologe Ulf Stahl, lange Jahre Leiter des Instituts für Gärungsgewerbe der TU Berlin.

Professor Stahl, US-Forscher haben Hefe so verändert, dass sie die zwei wichtigsten Bestandteile des Hopfen-Geschmacks im Bier produzieren. Lässt sich die Bedeutung des Hopfens für das Bier allein auf den Geschmack, allein auf zwei Aromastoffe reduzieren?
Hopfen hat ja nicht nur den typischen Hopfengeschmack, sondern wurde ursprünglich dem Brauprozess zugesetzt, um das Produkt Bier haltbar zu machen. Hopfen enthält viele antibakterielle Substanzen. Hefe mit Hopfen-Geschmack zu verwenden, wäre ein Schritt weg von der Natürlichkeit und auch von der Geschmacksvielfalt, die der Hopfen mit sich bringt. Denn der Hopfengeschmack beruht ja nicht nur auf Monoterpenen wie Linalool. Insbesondere Aromahopfen weist eine weit darüber hinausgehende Geschmacksvielfalt auf, was insbesondere bei Craft-Bieren leicht überprüfbar ist. Im Grunde ist es wie mit dem Vanille-Geschmack: Das aus Holz extrahierte Vanillin kann der Geschmacksvielfalt der Vanilleschote nicht mithalten.

Sie haben bis zu Ihrer Pensionierung an der Technischen Universität Berlin geforscht und auch mit gentechnisch veränderten Hefen gearbeitet. Haben Sie ähnliche Versuche gemacht, um die Bierhefe zu optimieren?

Ja, wir haben etwa Ende der 1990er die Erbinformation für ein "Schaum-Protein" - also ein Eiweiß aus der Gerste, das zu der Schaumkrone beiträgt - in das Erbgut der Hefe eingebracht, sodass sie dieses Schaum-Protein auch ohne Gerste produziert. Das hat damals einiges Aufsehen erregt, durchaus auch negative Kritik, weil man befürchtete, nun auf Gerste bzw. vermälzte Gerste verzichten zu können.

Vom Geschmack abgesehen: Wäre die Verwendung dieser neuen "hopfigen" Hefe in deutschen Bieren überhaupt erlaubt?

Nein, weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern wäre das ohne weiteres möglich, da es sich bei der verwendeten Hefe eindeutig um einen gentechnisch veränderten Organismus (GVO) handelt, der erst überprüft und zugelassen werden müsste.

Der Mikrobiologe und Genetiker Ulf Stahl forscht mittlerweile in Südkorea an der Dongseo-Universität in Busan, wo er im Studiengang "Bioengineering" für den Bereich Mikrobiologie/industrielle Mikrobiologie und Mikrobengenetik zuständig ist.
Der Mikrobiologe und Genetiker Ulf Stahl forscht mittlerweile in Südkorea an der Dongseo-Universität in Busan, wo er im Studiengang "Bioengineering" für den Bereich Mikrobiologie/industrielle Mikrobiologie und Mikrobengenetik zuständig ist.
© privat

Das "Reinheitsgebot" für Bier ist zwar kein Gesetz, wird in Deutschland aber geschätzt. Widerspräche es diesem Gebot, wenn die veränderte Hefe eingesetzt würde?

Eine solche Hefe würde dem Reinheitsgebot entsprechen, da dieses klar aussagt, dass Bier aus Wasser, Gerste und Hopfen hergestellt wird, Hefe wurde erst später hinzugefügt, denn als das Reinheitsgebot entstand, war noch nicht bekannt, dass Hefe die genannten Komponenten zu einem trinkbaren Produkt vergärt. Übrigens sollte das Reinheitsgebot damals vor allem die Trennung von Brotgetreide, also Weizen und Roggen, und Biergetreide, der Gerste, regeln. Außerdem hat man versucht dem "Bierpanschen" ein Ende zu setzen, da damals auch andere Produkte wie zum Beispiel Brot und andere Pflanzenmaterialen hinzugesetzt wurden.

Die Forscher äußern die Hoffnung, mit der neuen Hefesorte, die den Hopfengeschmack mitliefert, die teure Hopfenproduktion zu reduzieren. Ist das realistisch? 

Natürlich gäbe es Vorteile, wenn Hopfen nicht mehr direkt kultiviert werden müsste. Hopfen ist eine recht anspruchsvolle Pflanze. Es gäbe also durchaus Effekte für die Produktivität.

Was halten Sie selbst, als Mitgründer der Berliner Firma "Adler Spirituosen", von Bier, für das gentechnische Veränderungen der Zutaten nötig sind?

Nicht alle gentechnischen Errungenschaften bereichern unser Leben. Aber es wäre durchaus überlegenswert, Hopfenvarianten zu züchten, die weniger Wasser benötigen, also an Trockengebiete angepasst wären.

Fragen: Sascha Karberg

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