Flüchtlinge und mehr Geburten: Grundschulen müssen wieder wachsen
Im Jahr 2021 werden bundesweit knapp 2400 Grundschulklassen fehlen, um Flüchtlingskinder und geburtenstärkere Jahrgänge aufzunehmen, prognostiziert Bildungsökonom Klaus Klemm.
Insgesamt 2363 Grundschulen wurden in Deutschland seit 1992 geschlossen – vor allem, weil die Geburtenraten bundesweit rückläufig waren. Rund 200 bis 300 Standorte müssen in den kommenden Jahren wieder oder neu eröffnet werden, hat der Essener Bildungsökonom Klaus Klemm errechnet. Die Grundschulen müssten sich auf einen Schüleransturm einstellen, heißt es in einer Expertise Klemms für den Grundschulverband, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Die Schülerzahlen steigen nicht nur wegen der Flüchtlingskinder, die nach Deutschland gekommen sind – nach Schätzungen der Kultusminister waren es 2014/15 rund 325 000. Gleichzeitig gilt in Deutschland der Geburtenrückgang als gestoppt: In den vergangenen vier Jahren stieg die Zahl der Geburten bundesweit um 75 000 mit Stand 2015, das sind gut zehn Prozent mehr als 2011.
Mit der "demografischen Rendite" ist es vorbei
Die „demografische Rendite“ sei damit obsolet, stellt Klemm fest. Die Länder und Kommunen haben den Schülerrückgang teilweise genutzt, um zu sparen, sich aber gleichzeitig verpflichtet, die Personal- und Raumausstattung der Schulen zu verbessern. Jetzt müssten sich die meisten Länder darauf einstellen, ihre Grundschulen wieder auszubauen.
Aufgrund der insgesamt positiven Wanderungsbilanz und der Geburtenentwicklung ergebe sich ein erheblicher Mehrbedarf, erklärt Klemm, der sich auf Angaben des Statistischen Bundesamts beruft. Derzeit könnten Zuwächse bei den Erstklässlern teilweise noch kompensiert werden, weil in den aufrückenden dritten Klassen weniger Kinder sind als in den abgehenden vierten Klassen. Doch zwischen 2016/17 und 2021/22 werde die „Schulbevölkerung“ an den Grundschulen um 48 767 Kinder wachsen. Klemm dividiert diese Zahl durch eine Grundschulklassenfrequenz von im Schnitt 20,7 Schülern. Demnach müssten bundesweit 2356 neue Klassen gebildet werden, das wären 295 zweizügige beziehungsweise 195 dreizügige Grundschulen.
Berlin braucht 764 zusätzliche Klassen
Gefordert seien insbesondere die Stadtstaaten: Hamburg habe einen Zuwachsbedarf von 15 Prozent, Berlin von 13 Prozent und Bremen von sieben Prozent. Aber auch Flächenländer müssten sich auf den neuen Schüleransturm vorbereiten, allen voran Bayern, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Der Grundschulverband fordert von Ländern und Kommunen, ihre Standortplanung kurzfristig zu aktualisieren, notwendige Neu- und Umbauarbeiten zu starten, mehr Grundschullehrkräfte auszubilden und schon jetzt das Personal aufzustocken.
Für Berlin hat Klemm bis 2021/22 ein Schülerplus von 17 408 bei den Sechs- bis unter Zehnjährigen errechnet und damit einen Mehrbedarf an 764 Klassen. Dabei geht er von einer Klassenfrequenz von 22,8 Kindern aus. Brandenburg gehört demnach weiterhin zu den Ländern mit sinkenden Schülerzahlen (minus 4964), dort könnten 230 Klassen wegfallen.