Neue Präsidentin der Humboldt-Universität: Große Erwartungen an Sabine Kunst
Sabine Kunst, die als künftige Präsidentin der HU nominiert wurde, gilt in Unikreisen als teamfähig und durchsetzungsstark zugleich. Unzufrieden sind die Studierenden.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst als Präsidentin der Humboldt-Universität – das halten in der Berliner Wissenschaft viele für eine gute Idee. Aber es gibt auch kritische Töne.
Senatorin Scheeres spricht von "Teamfähigkeit"
Großes Lob kommt von Kunsts Berliner Amtskollegin Sandra Scheeres (SPD). Es sei "hervorragend, dass sich Sabine Kunst bereit erklärt hat". Auch die öffentliche Debatte der letzten Wochen habe unterstrichen, welche Qualitäten an der Spitze der Universität gefragt sind: wissenschaftliche Expertise, Managementstärken, Teamfähigkeit sowie politisches Gespür.
"Genau diese Kompetenzen und Qualifikationen zeichnen Professorin Kunst aus", sagt Scheeres. Sie wünsche sich, dass das Konzil Kunst mit der HU-Präsidentschaft betraut.
Kunst kann "helfen, die HU wieder flott zu kriegen"
Auch Günter Stock, der Vorsitzende der Berliner Einstein-Stiftung und frühere Kuratoriumsvorsitzende der HU, ist voll des Lobes für Kunst: „Es ist schön, wenn die Humboldt-Universität wieder jemanden bekommt, der was vom Geschäft versteht.“ Kunst werde helfen, die HU „wieder flott zu kriegen“. Sie werde „standfest, transparent und klar“ führen. Kunst habe die Uni Potsdam als Präsidentin „nach vorne gebracht“, als Ministerin in Brandenburg habe sie „Gestaltungswillen“ gezeigt. Stock war Mitglied einer Expertenkommission, die im Jahr 2012 eine engere Zusammenarbeit der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz empfahl. Über diese Expertise setzte Kunst sich hinweg, als sie die Fusion beider Hochschulen beschloss.
"Froh, dass eine Frau gefunden wurde"
Dass Kunst sich von der Debatte über das Kanzlermodell an der HU nicht abschrecken lässt, findet Stock richtig: Die Humboldt-Universität habe „andere Sorgen“. So müsse Kunst nun die Professoren hinter sich bringen, um die nächste Runde der Exzellenzinitiative vorzubereiten. „Die Humboldt-Universität ist eine wunderbare Uni“, sagt Stock. „Die Aufgabe ist eine Herausforderung. Aber Sabine Kunst sucht Herausforderungen.“ Außerdem sei er „froh, dass eine Frau gefunden wurde: Das ist eine sehr gute Sache.“
Kritik: Studierende stimmten mit Nein
Als das Kuratorium Kunst am Freitag zur einzigen Kandidatin kürte, gab es sieben Ja- und eine Nein-Stimme. Die Abstimmung war geheim, doch die Studentenvertreterin im Kuratorium erklärte nach Tagesspiegel-Informationen im Anschluss, die Nein-Stimme sei von ihr gekommen. Die Studierendenvertreter kündigen an, Kunst vor der Wahl noch viele kritische Fragen stellen zu wollen. Als Ministerin in Brandenburg setze sie Studierende unter Druck, die ihre Regelstudienzeit überschreiten, und als DAAD-Präsidentin und damit Vorstandsvorsitzende von UniAssist habe sie ausländische Bewerber nicht vor den hohen Gebühren der Serviceagentur bewahrt, sagt Joao Fidalgo, Vertreter der HU-Studierendenvertretung Refrat. „Es gilt abzuwarten, wie gut sie mit der Statusgruppe der Studierenden über diese und andere Themen ins Gespräch kommt.“
Bitte um "Vertrauensvorschuss und Unterstützung"
„Sabine Kunst ist durchsetzungsstark und hat einen klaren Kompass“, sagt der Sozialwissenschaftler Steffen Mau. Er kennt Kunst aus dem Wissenschaftsrat, wo sie als Ministerin Mitglied ist und der Verwaltungskommission vorsitzt. In der Zusammenarbeit von Verwaltungskommission und wissenschaftlicher Kommission, in der Mau sitzt, habe sie „verbindlich, kollegial und gut vernetzt“ agiert. Deshalb traut Mau ihr zu, „ein Stück Integration in die HU hineinzubringen und die Strukturen, die sich festgesetzt haben, aufzulockern“. Kunst stehe mit ihrem Werdegang für die Verbindung von Naturwissenschaft, Geistes- und Sozialwissenschaften, was dem Profil der Universität entspreche. Sozialwissenschaftler Mau appelliert an die Universität, sich jetzt hinter Kunst zu stellen: „Wir müssen dieser guten Kandidatin so viel Vertrauensvorschuss und Unterstützung zukommen lassen, dass sie ihr Amt gut ausüben kann, wenn sie gewählt wird.“
Attraktive Aufgabe, die HU zu leiten
Zwar werde derzeit viel über die Regierbarkeit der Humboldt-Universität diskutiert, kommentiert HU-Historikerin Gabriele Metzler. Nun zeige sich jedenfalls, „dass es erfahrene und profilierte Persönlichkeiten gibt, die es als attraktive Aufgabe sehen, diese lebendige und dynamische Universität zu gestalten“. Positiv sei auch, dass mit Kunst „zwei Jahrzehnte nach der Amtszeit von Marlis Dürkop wieder eine bestens ausgewiesene Frau zur Wahl steht“. Kunsts Chancen, gewählt zu werden, hält Metzler für groß: „Ich sehe das mit Zuversicht.“
Mit ihrem Profil bringe Kunst „sogar mehr mit als seinerzeit Jan-Hendrik Olbertz“, sagt Gerhard Dannemann, Leiter des Großbritannienzentrums der HU. Der Jurist hofft, dass sie mit ihren Erfahrungen aus der Politik, als ehemalige Universitätspräsidentin und als Präsidentin des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) ein gutes Standing an der HU haben wird. „Die nächste Exzellenzinitiative, eventuell eine zweite Fakultätsreform und die Neuordnung des Haushalts: Es kommt jetzt darauf an, ob sie es schafft, die zu Recht selbstbewussten Fakultäten und die vielen anderen Beteiligten zu motivieren, die anstehenden Veränderungen umzusetzen“, sagt Dannemann.
"Mittendrin in wissenschaftspolitischen Debatten"
"Sehr zufrieden mit der ausgezeichneten Kandidatin" ist die Politikwissenschaftlerin Julia von Blumenthal. "Sie bringt das mit, was wir brauchen: Frau Kunst hat Verständnis für unterschiedliche Fachkulturen, hat universitäre Leitungserfahrung, ist politisch überaus erfahren." Zudem sei Kunst bestens vernetzt und "mittendrin in den wissenschaftspolitischen Debatten und Entscheidungen".
Große Uni, hoher Erwartungsdruck
Jörg Steinbach, früher Präsident der TU Berlin und inzwischen Präsident der BTU Cottbus-Senftenberg, sagt: „Ich freue mich, dass sie nach ihrer erfolgreichen Arbeit für die Uni Potsdam und für Brandenburg die Herausforderungen an der HU annimmt.“ Die neue Aufgabe werde aber nicht leicht werden. Die HU sei größer als die Uni Potsdam, und die HU müsse in der Exzellenzinitiative siegen: „Die Erwartungshaltung an der HU wird sicher groß sein“, sagt Steinbach. Kunst sei aber „durchsetzungsfähig“. Dass Kunst keine mit hochkarätigen Preisen dekorierte Forscherin ist, sei für die Aufgabe völlig unerheblich: „Du brauchst heutzutage gute Fähigkeiten im Unimanagement. Und das bringt sie mit“, sagt Steinbach.
Gewählt werden soll am 19. Januar
Als Ministerin habe Kunst seine Arbeit an der BTU immer besonders unterstützt, um das von ihr initiierte Modell der Fusion zum Erfolg zu führen. „Es ist eine positive Allianz“, sagt Steinbach. Er ist davon überzeugt, dass die Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz für die Region richtig war.
Ob Kunst tatsächlich Präsidentin der Humboldt-Uni wird, zeigt sich voraussichtlich in wenigen Wochen. Am 12. Januar hört das Konzil Kunst an, am 19. Januar wollen die 61 Mitglieder zur Wahl schreiten.