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Christian Thomsen, Präsident der TU Berlin, Charité-Vorstand Max Einhäupl, FU-Präsident Günter M. Ziegler und HU-Präsidentin Sabine Kunst bei der Entscheidungs-Verkündung zur Exzellenzstrategie.
© Paul Zinken/dpa

Zehn Unis und ein Verbund gekürt: Fünf Thesen zur Exzellenzentscheidung

Gute Wissenschaftspolitik zahlt sich aus und die Unis ächzen unter dem Wettbewerbsdruck: Unsere fünf Thesen zum Finale in der Exzellenzstrategie.

„Berlin rockt als Team.“ Überschwängliche Statements wie das des Berliner Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), Bilder von fröhlichen Sektempfängen und Partys zeigen: Die Entscheidungen, die am Freitag in der Exzellenzstrategie für die deutschen Unis gefallen sind, werden zumindest an den elf erfolgreichen Standorten begeistert gefeiert. Und doch gibt es bereits einen gar nicht so kleinen Wermutstropfen. Weil fast alle Unis den vollen Exzellenzzuschuss von 15 Millionen Euro für eine Einzelhochschule und von 28 Millionen für einen Verbund – also für Berlin – beantragt hatten, werden diese Mittel pauschal gekürzt.

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) bestätigt gegenüber dem Tagesspiegel, dass die Kürzung mit etwa 17,5 Prozent bei der Entscheidung in Bonn für alle Exzellenzunis festgelegt wurde. Die Konsequenzen für die Hamburger Uni seien noch nicht klar. „Wir waren so im Freudentaumel, dass wir darüber noch nicht gesprochen haben“, gibt Fegebank zu. In den kommenden Wochen werde sie sich mit der Unileitung zusammensetzen und klären, „wie das geschultert werden kann“. Der Berliner Verbund wird jetzt nur 24 Millionen Euro jährlich bekommen, sagte FU-Präsident und Verbundssprecher Günter M. Ziegler auf Anfrage. Das sei aber zu erwarten gewesen, die Unis hätten bereits besprochen, was sie im Fall der Kürzung machen: „Nichts vom Berliner Projekt ist dadurch ernsthaft gefährdet.“

Wollen die Länderchefinnen und -chefs vom Bund fordern, die fehlenden Millionen auszugleichen? „Wünschen könnte man sich das, allein der Glaube fehlt“, sagt Fegebank. Eine Nachjustierung sei ja bereits ausgeblieben, nachdem der Bund die Zahl der geförderten Cluster hochgesetzt hatte. – Im Folgenden fünf Thesen zur Exzellenz-Entscheidung.

1. Die Wissenschaftler gaben den Takt vor

Als die Wissenschaftsministerinnen und -minister am Donnerstagabend zu den Gutachterinnen und Gutachtern aus der Forschung stießen, war eigentlich schon alles entschieden. Die Gutachter hatten dem Vernehmen nach elf Anträge auf „grün“, also förderungswürdig, gestellt, und die anderen acht auf „rot“. Zweifelsfälle („gelb“) gab es aus Sicht der Wissenschaft nicht mehr – auch eine Reaktion auf einen Eklat im vergangenen Jahr. Damals wurden bei der Entscheidung über Exzellenzcluster auf Drängen von Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) zehn Anträge durchgedrückt, die auf der Kippe standen.

Jetzt stimmten den elf grünen Anträgen am Ende auch die Ministerinnen und Minister einstimmig zu, wobei die Konzepte auf der entscheidenden Sitzung am Freitag noch einmal gemeinsam mit dem Expertengremium ausführlich diskutiert wurden. Die Zustimmung dürfte den Ministern auch deshalb leichter gefallen sein, weil die Gutachter sich an die vorgesehene Anzahl von elf Unis hielten und diese nicht etwa auf einige wenige verknappten. Gleichzeitig waren mit der Gutachterentscheidung Norden, Süden, Osten und Westen bereits genauso vertreten wie unionsgeführte Länder (Bayern, NRW, Sachsen), SPD-geführte (Berlin, Hamburg) und Grünen-geführte (Baden-Württemberg).

Daran, dass schon nach der Entscheidung über die Forschungscluster im September 2018 feststand, dass es einen großen exzellenzunifreien Korridor geben würde, konnten die Länderchefs im Bonner Finale ohnehin nichts mehr ändern.

2. Gute Wissenschaftspolitik wird honoriert

Die Rolle der Wissenschaftspolitik würdigte Peter Strohschneider, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), ausdrücklich bei der Pressekonferenz in Bonn. Die internationalen Gutachter und die entscheidenden Gremienmitglieder im Finale habe „das enge Zusammenwirken von Wissenschaft und Politik in der Förderung von Spitzenforschung“ geradezu in Staunen versetzt. Dieses „vertrauensvolle Zusammenwirken“ sei weltweit einmalig – auch vor dem Hintergrund, dass die Wissenschaftsfreiheit derzeit weltweit in etlichen Staaten zunehmend unter Druck gerate.

Strohschneiders Loblied auf die Forschungsförderung dürfen die erfolgreichen Länderchefs auf sich beziehen. Das gilt insbesondere für die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, deren Unis lange als unregierbare Massenuniversitäten verschrien waren. In beiden Städten ist der Aufschwung enormen Eigenleistungen der Forschenden, Lehrenden und Unileitungen zu verdanken, aber auch den Wissenschaftssenatoren und -senatorinnen.

[Der Exzellenz-Erfolg ist ein goldener Tag für Berlin - und auch das Verdienst eines sehr guten Wissenschaftssenators: Michael Müller. Lesen Sie hier unseren Kommentar zur Entscheidung.]

In Berlin war es Jürgen Zöllner (SPD), der ab 2006 begann, rigide Sparauflagen zurückzunehmen und stärker in die Hochschulen zu investieren. Die konsequente Fortsetzung dieser Politik unter Michael Müller als Regierendem Bürgermeister und Wissenschaftssenator sowie Staatssekretär Steffen Krach zahle sich jetzt für die Stadt aus, sagt Zöllner, heute Vorstand der Stiftung Charité. Der Verbund der Exzellenzuniversitäten, aber auch der Siemens-Campus, die massive Förderung für das Naturkundemuseum und für das Berliner Institut für Gesundheitsforschung würden „über den Wissenschaftsstandort auch einen wirtschaftlichen Impuls auslösen“, sagt Zöllner. „Das ist die indirekte Rendite aus der Forschungsförderung, die sich für die Stadt rentiert.“

3. Die Gewinner: Exzellenz wird konzentriert

Auffällig ist: Bei der Exzellenz gibt es kein Bäumchen-wechsle-dich-Spiel. Ausgezeichnet wurden vor allem die Unis, die bereits den Exzellenztitel trugen, einzige echte Newcomer sind Bonn, Hamburg und die TU Berlin im Berliner Verbund. Für Bernd Huber, Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München, kam das Gesamtergebnis daher kaum überraschend, „auch wenn man natürlich immer bangt“. Es habe sich jetzt eine Gruppe von erfolgreichen Universitäten herausgebildet: „Deren Förderung muss man konsequent fortsetzen.“

Besonders heben sich auf der Wissenschaftslandkarte vier Ballungsräume der Exzellenz hervor: Berlin mit seinen drei großen Unis, München mit zwei Exzellenz-Unis, die Achse Aachen – Bonn sowie die Rhein-Neckar-Region mit Heidelberg und Karlsruhe.

Einsamer Leuchtturm im hohen Norden ist die Universität Hamburg. Dort schaffte Uni-Präsident Dieter Lenzen das Wunder – und zwar zum zweiten Mal, nachdem er 2007 bereits als Präsident der FU Berlin erfolgreich war. „Von heute an möchte ich nie wieder hören, die Universität Hamburg sei ,bestenfalls mittelmäßig’“, kommentierte Lenzen.

4. Die Verlierer: Frust in exzellenzfreien Zonen

Im Gegensatz dazu gehen viele Regionen in der Exzellenzstrategie fast oder komplett leer aus: Es zementiert sich immer mehr eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und das Saarland verfügen weder über eine Exzellenzuni noch ein Exzellenzcluster.

Kaum besser stehen Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen da. Sie konnten zwar ein oder zwei Cluster erringen, erhalten dennoch nur einen Bruchteil der Exzellenzmillionen. Ihr Anteil lag schon nach der Clusterentscheidung bei jeweils nur zwei Prozent der vergebenen Mittel, wie aus einer Analyse der DFG hervorgeht. Ein Vergleich: Hessen erhält aus der Exzellenzstrategie insgesamt 6,4 Millionen Euro im Jahr. Berlin dürfte für Verbund und Cluster dagegen hochgerechnet fast 70 Millionen Euro jährlich erhalten, Baden-Württemberg insgesamt bei deutlich über 100 Millionen Euro liegen.

Martin Grund, der Vorsitzende des SPD-nahen Wissenschaftsforums Mitteldeutschland, fordert für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die Qualität der interdisziplinären und institutionenübergreifenden Zusammenarbeit, die im Exzellenzwettbewerb gefordert ist, müsse in Zukunft „stärker stimuliert werden“. Dresden leiste da schon sehr gute Arbeit – und das wird seit 2012 mit der Exzellenzkrone für die TU honoriert. Grund selber ist als Doktorand in der Hirnforschung unlängst nach Leipzig gewechselt und stellt „große Unterschiede“ fest. Das Netzwerk, das die TU und außeruniversitäre Institute seit Jahren durch das Dresden Concept verbindet, entstehe in Leipzig gerade erst.

Unter Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) erlebe Sachsen „eine Legislaturperiode, in der man wieder aufbaut“, nachdem jahrelang Budgets und Stellen an Unis zusammengekürzt wurden. Jetzt gelte es, lokal und regionenübergreifend – etwa zwischen Leipzig und Halle/Wittenberg – Kooperationen zu fördern. Ein solcher Verbund könnte ebenso wie ein Einzelantrag der Uni Jena, die bereits über ein Exzellenzcluster verfügt, Chancen in der nächsten Runde der Exzellenzstrategie haben, sagt Martin Grund. Bis dahin müsse in Mitteldeutschland insgesamt massive Strukturförderung für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung betrieben werden – auch vonseiten des Bundes. Bislang fehle dafür aber offenbar der entscheidende politische Druck.

5. Unis ächzen unter dem Wettbewerbsdruck

Seit 15 Jahren gibt es die Exzellenzinitiative. Allein die aktuelle dritte Runde streckte sich über drei Jahre. „Das ist ein enormer Aufwand, wo man sich schon manchmal fragt, ob der in einem richtigen Verhältnis steht“, sagt LMU-Chef Bernd Huber. Überhaupt könne man den Wettbewerb nicht beliebig oft wiederholen – allein schon, weil man sich nicht immer wieder neue Anträge ausdenken könne, insbesondere wenn es um strukturelle Managementfragen geht. Es sei daher richtig, dass sich die ausgezeichneten Unis in sieben Jahren nur einer Evaluation unterziehen müssen und keinem neuen Wettbewerb.

Insgesamt müsse der Wettbewerbsdruck in der Wissenschaft überdacht werden, sagt Huber. Das Wettbewerbselement halte er zwar für wichtig, weil es viel zur positiven Entwicklung des Wissenschaftssystems beigetragen habe. „Die Hochschulen brauchen aber auch Phasen, in denen sie arbeiten können, ohne sich permanent dem Wettbewerb zu stellen.“

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