Uni will Lehren aus dem Fall Giffey ziehen: FU-Präsidium arbeitet an neuem Konzept gegen Plagiate
"Auf die harte Tour gelernt": FU-Präsident Günter M. Ziegler will systematisch Plagiatssoftware einsetzen und Ombudspersonen besser vernetzen.
Die Freie Universität Berlin will ihre Erfahrungen im unlängst abgeschlossenen Plagiatsfall der ehemaligen Bundesfamilienministerin Franziska Gifffey (SPD) nutzen, um wissenschaftliches Fehlverhalten künftig effektiver zu verhindern und zu ahnden. "Gute wissenschaftliche Praxis bekommt jetzt an der Freien Universität noch mehr Aufmerksamkeit, und das ist gut", erklärte FU-Präsident Günter M. Ziegler am Mittwochnachmittag im Akademischen Senat der Universität.
"Wir nutzen jetzt unsere Sensibilisierung durch das Verfahren, um unsere Maßnahmen weiter zu hinterfragen und zu verstärken", erklärte Ziegler nach einem Redemanuskript, das dem Tagesspiegel vorliegt. Dazu habe das Präsidium unter Federführung der Vizepräsidentin für Forschung, Marianne Braig, umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Konkret werde das System der Ombudspersonen für wissenschaftliches Fehlverhalten umgebaut, sie würden erweiterte Aufgaben erhalten und sich untereinander stärker vernetzen. Plagiatssoftware solle an der FU als technisches Hilfsmittel systematisch eingeführt werden.
Fall Giffey habe die FU "noch stärker sensibilisiert"
Misstrauen dürfe aber auch "kein Grundsatz werden, es würde uns alle lähmen", betonte Ziegler. Man müsse und könne "weiterhin darauf vertrauen, dass wir an der Freien Universität durchgängig gut und redlich, sorgfältig und möglichst fehlerfrei wissenschaftlich arbeiten".
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Gleichwohl habe das Plagiatsverfahren gegen Franziska Giffey der Universität "zu einer noch stärkeren Sensibilisierung verholfen". Das halte er für ein positives Ergebnis des Verfahrens, sagte Ziegler. "Auch wenn wir das diesmal auf die harte Tour gelernt haben."
Ziegler sprach auch von der Gefährdung der gesamten Universität durch wissenschaftliches Fehlverhalten - nicht nur mit Bezug auf Giffeys Täuschungen, die in einem zweiten Plagiatsverfahren vor einer Woche wie berichtet zum Entzug des Doktorgrades geführt hatten.
"Jede einzelne Verletzung der wissenschaftlichen Integrität und der guten wissenschaftlichen Praxis greift uns alle als Mitglieder dieser Universität an", erklärte der FU-Präsident. "Es gefährdet unsere Glaubwürdigkeit und das Vertrauen ineinander." Die Universität dürfe "solche Verletzungen weder dulden, noch dürfen wir sie verharmlosen".
Ziegler: FU wollte nichts verharmlosen
Damit bezog sich Ziegler offensichtlich auf die Rüge, die Giffey im ersten Verfahren erteilt wurde, und die die FU zurücknehmen musste, nachdem es sich den neuen Gutachter:innen zufolge bei den Plagiaten und Fehlzitaten in Giffeys Doktorarbeit keineswegs um einen "minderschweren Fall" handelte.
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Wissenschaftliches Fehlverhalten zu verharmlosen, sagte Ziegler, "war nie unsere Absicht". Hier könne er "mit gutem Gewissen für alle Beteiligten, Gremien und Entscheider sprechen". Ziegler ging auch auf Vorwürfe ein, die FU habe es in der Aufarbeitung des Falls Giffey an Transparenz fehlen lassen.
"Glauben Sie mir, wir haben über kaum etwas häufiger diskutiert als darüber, was wir im laufenden Verfahren sagen können und was nicht", versicherte Ziegler den Mitgliedern des Akademischen Senats. Das Präsidium habe aber die handelnden Personen schützen und die ungestörte Arbeit der Gremien ermöglichen müssen.
Gleichzeitig sei es darum gegangen, "das Verfahren juristisch nicht zu gefährden, damit wir es sauber und tragfähig zum Abschluss bringen konnten". Das ist der Freien Universität mit Abschluss des zweiten Plagiatsverfahrens durch eine neue Expertenkommission allem Anschein nach gelungen.
Die Uni hat nach Verkündung des abschließenden Urteils über Giffeys Dissertation zahlreiche Dokumente dazu veröffentlicht - und wurde dafür aus der Wissenschaft für ihre jetzt erreichte Transparenz gelobt. Auch im Akademischen Senat soll es dem Vernehmen nach keine kritischen Nachfragen zu Zieglers Statement gegeben haben.