Uni bindet sich nicht mehr an chinesisches Recht: FU ändert umstrittenen Vertrag mit Peking - teilweise
Die FU hat umstrittenen Vertrag mit Peking nachverhandelt, in dem es um die Finanzierung einer Professur geht. Einige Klauseln wurden gestrichen, andere nicht.
Die Freie Universität (FU) Berlin hat einen umstrittenen Vertrag mit Peking nachverhandelt, der mehrere problematische Klauseln beinhaltete.
So hatte sich die Universität bei dem Abkommen, das die Einrichtung und Finanzierung eines Chinesisch-Lehramtsstudiengangs vorsieht, an chinesisches Recht gebunden. Jetzt wurden die Bezugnahmen auf chinesisches Recht gestrichen, erklärt die Senatskanzlei für Wissenschaft, die die FU zu den Nachverhandlungen angewiesen hatte. Der Tagesspiegel hatte die Klauseln im vergangenen Jahr öffentlich gemacht.
Verwirrung um den neuen Partner in China
Eine Änderung gibt es auch beim Partner der FU in Peking. Dieser war bisher das sogenannte Hauptquartier der Konfuzius-Institute – offiziell dem chinesischen Bildungsministerium unterstellt, doch laut Bundesregierung von der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert. Die Uni erklärte zunächst in einer Pressemitteilung, neuer chinesischer Vertragspartner sei die „Chinese International Education Foundation“. Dies ist eine Stiftung, die von chinesischen Propagandamedien als unabhängig bezeichnet wird, laut Bundesamt für Verfassungsschutz dürfte sie jedoch „primär als unverfängliches PR-Aushängeschild“ dienen und sei „keineswegs unabhängig“.
Auf Anfrage des Tagesspiegels korrigierte die FU eine Pressemitteilung auf ihrer Homepage teilweise, ohne dies kenntlich zu machen – und erklärte, das Pekinger „Center for Language Education and Cooperation“ sei Vertragspartner. Es untersteht gleichfalls dem chinesischen Staatsapparat.
Zahlungen sind von Evaluation abhängig
Eine andere heikle Bestimmung aus dem 2017 von dem damaligen FU-Präsidenten Peter-André Alt geschlossenen Vertrag bleibt jedoch bestehen: Der Pekinger Partner kann die Zahlung einstellen, wenn jährliche Evaluationen negativ ausfallen. Die FU soll für die Ausstattung der zum Studiengang gehörigen Professur rund 500.000 Euro erhalten.
Die FU muss Peking außerdem weiterhin Lehrpläne und Kursmaterialien zur Verfügung stellen. Der chinesische Partner kann von der FU jedoch keine „korrigierenden Maßnahmen“ mehr verlangen, falls die FU im Rahmen des Programms chinesische Gesetze verletzt. Bisher konnte die chinesische Seite die Förderung ansonsten reduzieren oder einstellen. „Die Interpretation und Vollstreckung der Vereinbarung unterliegt den Gesetzen der Volksrepublik China“, hieß es in dem Vertrag bisher außerdem – dies ist gestrichen wie auch ein Passus, über den die FU sich verpflichtet hatte, bei Streitigkeiten notfalls ein Schiedsgericht in China anzurufen.
Der Studiengang kann zum Wintersemester losgehen
Nach den nun erfolgten Vertragsänderungen kann der Studiengang laut FU vom Wintersemester 2021/2022 an belegt werden. Die Senatskanzlei habe der FU „ihre Kenntnisnahme der erforderlichen Anpassungen“ mitgeteilt sowie ihre Zustimmung zur Einrichtung des Bachelor-Studiengangs „Chinesische Sprache und Gesellschaft“ erteilt, sagt ein Senatssprecher.
Der Sinologe David Missal, der mit anderen FU-Alumni nach Bekanntwerden des Vertrags einen offenen Brief verfasst hatte, kritisiert indes auch die überarbeitet Fassung als weiterhin „äußerst problematisch“. Da die Mittel wie zuvor von Evaluationen Pekings abhängen, mache die FU sich „extrem abhängig von der Güte der chinesischen Regierung“, das „hohe Risiko von Selbstzensur und Umschiffen Peking-kritischer Themen“ bliebe bestehen. Die FU hat erklärt, auch kritische Themen würden angesprochen – und zugesichert, bei Problemen die Mittel selbst zu tragen. Doch warum mache sie sich „dann nicht einfach unabhängig von chinesischem Geld“, fragt Missal: Er fordert weiterhin die Kündigung des Vertrags.
Auch das Bundesforschungsministerium hatte 2018 gegenüber dem Berliner Senat erklärt, dass es die Finanzierung des Lehrstuhls aus Finanzmitteln der chinesischen Regierung für unglücklich erachte und es begrüßen würde, wenn das Land Berlin die Kosten übernehmen würde. FU-Präsident Günter Ziegler wies Probleme kürzlich öffentlich zurück: Der berufene Sinologe sei ein führender Experte für Chinesischdidaktik, Peking sei nicht an seinem Berufungsverfahren beteiligt gewesen, erklärte er.
Problematische Details im Antrag der FU
Wie problematisch wissenschaftliche Beziehungen mit China bleiben, zeigt ein Detail aus dem Antrag der FU für die Finanzierung, den sie in Peking einreichte. Normalerweise kommuniziert die FU , sie sei „als Antwort auf die Verfolgung systemkritischer Studierender“ an der Humboldt-Universität gegründet worden. In dem Antrag an Peking fehlt diese entscheidende Aussage: Dort heißt es lediglich, die FU sei „als Antwort auf die Humboldt-Universität“ gegründet worden. Auf Nachfrage erklärte die FU, in dem entsprechenden Antragsfeld sei zu wenig Platz gewesen, und es seien die Gründungsprinzipien der Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit genannt.
Intern ist sich die FU-Leitung der offenbar der heiklen Lage durchaus bewusst. Der wichtigste chinesische Partner der FU ist die Peking-Universität (PU), auch in Sachen des Konfuzius-Instituts arbeiten die Unis seit langem zusammen. Diese wertschätze die FU „als Partner ausgesprochen“, heißt es in einem internen Strategievermerk der FU von Oktober 2019 zwar – obwohl diese bei diversen Indikatoren inzwischen nicht mehr „in derselben Liga“ spiele.
"Wir müssen uns noch weitere Gedanken machen"
Jedoch sei die PU auch „ein problematischer Partner“, da sie laut der Organisation „Scholars at Risk“ die Uni in China sei, „an der es mit Abstand am meisten Verstöße bzw. Vorfälle im Bereich der akademischen Freiheit in Form von Rauswürfen von Akademikern und Exmatrikulation von kritischen Studierenden gegeben hat“.
Die PU sei besonders regierungsnah und habe eine hohe Bedeutung für die Kommunistische Partei. „Sie ist in mancherlei Hinsicht die Kaderschmiede für das repressive und extrem nationalistische Regime“, heißt es in dem internen FU-Papier. Und: Die Uni müsse sich in Bezug auf ihren Partner „noch weitere Gedanken machen“.