Umstrittene Finanzierung einer China-Professur: Wie sich die FU an chinesische Gesetze bindet
Der Vertrag zur von China finanzierten umstrittenen Professur an der FU zeigt: Das Land hat weitgehende Mitspracherechte. Die FU sieht darin kein Problem.
China hat sich bei der Finanzierung einer Stiftungsprofessur an der Freien Universität weitgehende Mitspracherechte gesichert. Das geht aus dem entsprechenden Vertrag hervor, den der Tagesspiegel nach einer Anfrage über das Informationsfreiheitsgesetz eingesehen hat.
So kann die chinesische Seite von der FU „korrigierende Maßnahmen“ verlangen. Etwa wenn der Lehrstuhl länger als ein Jahr lang unbesetzt oder Gelder zweckwidrig ausgegeben werden. Oder: Wenn die FU im Rahmen des Programms chinesische Gesetze verletzt.
Die FU lässt sich wie berichtet eine Stiftungsprofessur zum Aufbau eines Lehramtsstudiengangs Chinesisch aus China finanzieren. Vertragspartner der FU ist das Pekinger Hauptquartier der umstrittenen Konfuzius-Institute.
Verletzt die FU chinesische Gesetze, kann China die Förderung einstellen
Besonders heikel ist die Stelle in dem Vertragswerk, an dem sich die FU quasi an chinesische Gesetzen bindet. Wenn die FU diese Gesetze verletzt und „keine Korrekturen in einer vereinbarten Zeit durchführt“, kann die chinesische Seite die Förderung reduzieren oder einstellen, heißt es in dem Vertrag.
Wie weitgehend chinesische Gesetze sind, zeigt dieses Beispiel: So ist in China als „Verbrechen“ das „Auslösen von Streitigkeiten oder Verursachen von Problemen“ festgehalten – diese Regelung nutzt die Diktatur regelmäßig, um Kritiker ins Gefängnis zu sperren.
Auch an anderen Stellen des FU-Vertrages finden sich problematische Regelungen: Er sieht eine jährliche Evaluierung des Programms vor, die die chinesische Seite zusammen mit der FU durchführen soll. Erstere „hat Ermessensfreiheit, zu entscheiden, ob es die Finanzierung im nachfolgenden Jahr fortsetzt“, heißt es im Vertrag. „Um eine geschmeidige Kooperation und handfeste Ergebnisse für den Studiengang zu erreichen, verständigen sich die Parteien, eine ausreichende Kommunikation aufrechtzuerhalten."
Für die Professur gibt es insgesamt 500.000 Euro
Für die Professur sind über fünf Jahre Mittel in Höhe von insgesamt knapp 500.000 Euro vorgesehen, hinzu kommen bis zu 10.000 Euro für Bücher pro Jahr. Jährlich sollen bis zu 20 Studenten zu dem Lehramtsstudiengang zugelassen werden – allerdings nur Deutsche oder EU-Bürger. Das Hauptquartier der Konfuzius-Institute soll „entsprechend des Bedarfs“ der FU zusätzlich einen Chinesisch-Dozenten stellen und finanzieren.
Die FU kann den Vertrag selbst nur kündigen, wenn der chinesische Partner seine Finanzmittel nicht wie vereinbart zur Verfügung stellt, sie den Lehrstuhl nicht besetzen kann oder wenn die FU den Studiengang einstellen muss, weil ihr nötige Mittel fehlen. Falls eine der Parteien beabsichtigt, das Programm zu beenden, sollen vermittelnde Gespräche stattfinden. Ohne einen solchen Konsens soll die Partei, die einseitig die Vereinbarung auflöst oder beendet, „alle entstandenen Verluste der anderen Partei kompensieren“.
„Die Interpretation und Vollstreckung der Vereinbarung unterliegt den Gesetzen der Volksrepublik China“, heißt es. Für den Fall, dass bei Streitigkeiten Abstimmungen zwischen den Parteien scheitern, hat auch die FU sich verpflichtet, ein Schiedsgericht in China anzurufen.
"Die Vereinbarung zwingt die FU in ein enges Korsett"
Dabei hatte sie auf Nachfrage des Tagesspiegels erklärt, sie selbst könne den Vertrag „jederzeit kündigen“. Dasselbe hatte die FU-Vizepräsidentin Verena Blechinger-Talcott im Akademischen Senat behauptet.
„Die Vereinbarung zwängt die FU Berlin in ein enges Korsett“, kritisiert der FDP-Bildungspolitiker Jens Brandenburg. „Die chinesische Regierung sichert sich weitreichende Informationsrechte und die Möglichkeit, die Finanzierung jederzeit mit nachträglichen Rückzahlungspflichten zu kippen.“ So etabliere die chinesische Regierung „ein zuverlässiges Sprachrohr“. Da die FU sich chinesischen Gesetzen unterwirft, „wird es praktisch unmöglich, auch regimekritische Inhalte wie die Tibet-Frage oder schwere Menschenrechtsverletzungen im Studiengang zu thematisieren“. Auch künftige Sprachlehrer vermittelten ein Bild über das Land. „Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Bild an unseren Hochschulen vom Wohlwollen eines autoritären Regimes abhängt.“
Er hätte nicht damit gerechnet, dass der Vertrag „so schlimm ist“, sagt auf Nachfrage der frühere FU-Student und Sinologe David Missal, der die FU mit anderen Alumni in einem offenen Brief zu einer Kehrtwende aufgefordert hat. Die chinesische Seite könne „extrem detaillierte Informationen“ bekommen. „Das muss ja fast dazu führen, dass die Unileitung sich selbst zensiert.“ Ein Paukenschlag sei der Passus, dass chinesische Gesetze einzuhalten sind. „Wenn sich jemand kritisch äußert, dann findet die chinesische Regierung sicher ein Gesetz, das verletzt wurde“, erklärt Missal.
Der Senat prüft die Kooperationsvereinbarung
Inzwischen prüft der Berliner Senat die Kooperationsvereinbarung. Das Berufungsverfahren hingegen sei „entsprechend den geltenden Vorgaben und Qualitätsrichtlinien des Landes Berlin“ durchgeführt worden, erklärte ein Sprecher. Im Vertrag heißt es hierzu, dass die FU den Lehrstuhlinhaber „in Einstimmung mit allen maßgeblichen Gesetzen“ berufen soll – und entsprechend des „Entwicklungsplans des Programms“.
Worum es sich hierbei handelt, blieb zunächst offen – hat Peking hierüber die Möglichkeit, rechtswidrigen Einfluss zu nehmen? Die FU soll das Hauptquartier „vor jeder größeren Entscheidung in Bezug auf den Lehrstuhlinhaber“ benachrichtigen, außerdem auch Lehrpläne zur Verfügung stellen.
Die Konfuzius-Institute selbst sind schon lange in der Kritik, gut 500 wurden von China weltweit aufgebaut – so auch an der FU: Sie organisieren Chinesischkurse und Veranstaltungen, blenden Peking-kritische Themen aber weitgehend aus und waschen so laut Kritikern auch die chinesische Diktatur rein. Dass die FU Berlin sich darüber hinaus bereits im Jahr 2015 um Mittel aus China für eine Stiftungsprofessur beworben hat, hatte der Tagesspiegel kürzlich berichtet. 2017 wurde der Vertrag mit dem Hauptquartier der Konfuzius-Institute in Peking unterzeichnet. Seit Oktober 2019 hält der Sinologe Andreas Guder die Professur inne – er hatte zuvor auch in Göttingen eine von China finanzierte Stiftungsprofessur und leitete außerdem als Kodirektor das dortige Konfuzius-Institut mit.
Auch die Uni Göttingen greift auf Mittel aus China zurück
Auch die Universität Göttingen griff dafür auf Mittel aus China zurück: Die Professur wurde ab 2009 über sechs Jahre mit 90.000 Euro pro Jahr finanziert, wie auch eine Stiftungsprofessur „Gesellschaft und Wirtschaft des modernen Chinas“ – die inzwischen mit jährlich 120.000 Euro über maximal zwölf Jahre von Peking unterstützt wird. Der dortige Vertrag kann von beiden Seiten „aus wichtigen Gründen“ gekündigt werden, erklärt ein Sprecher. Inwiefern hat die Universität sich verpflichtet, chinesisches Recht einzuhalten? „Gar nicht“, heißt es aus Göttingen.
Auf Nachfrage hatte die FU unlängst die Qualifikation Guders hervorgehoben. Die Finanzierung aus China erlaube es ihr, den „Aufbau dieses wichtigen, für das Lehramt qualifizierenden Studiengangs jetzt in Angriff zu nehmen“. Weitere, teils schon vor zwei Wochen gestellte Fragen ließ die FU zunächst unbeantwortet.
Unterschrieben hat den Vertrag der frühere FU-Präsident Peter-André Alt, der nun Präsident der Hochschulrektorenkonferenz ist. Fragen zu dem Vertrag wollte eine Sprecherin nicht beantworten, sie verwies an die FU.
„Es ist sicherlich richtig, dass man kritisch sein muss, wo bestimmte Grundsätze unseres Wissenschaftsverständnisses in Frage gestellt werden“, erklärte Alt in Bezug auf Kooperationen mit China neulich im Deutschlandfunk. Auch auf Ebene der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sei ein intensiver Austausch nötig, „um rote Linien sicherzustellen und zu klären, wo wir nicht bereit sind, über Grenzen zu gehen“. Wenn man feststellt, dass die Partner die Grundwerte nicht teilen, „dann geht es eben auch nicht weiter“, erklärte Alt gegenüber dem Sender.
Die FU sieht in dem Vertrag kein Problem
Am späten Mittwochnachmittag reagierte die FU auf weitere Fragen zu dem Vertragswerk. Es sei „nicht davon auszugehen, dass durch den Studiengang deutsche oder chinesische Gesetze verletzt werden, auch bei voller Ausübung der akademischen und der Meinungsfreiheit“, teilte die FU mit. Sollte die chinesische Seite entsprechende Korrekturen verlangen, liege die Entscheidung bei der FU, dem zu entsprechen oder nicht. Unter dem „Entwicklungsplan des Programms“ sei die Planung des Studiengangs durch die Freie Universität Berlin zu verstehen – China habe hier keinen Einfluss.
An anderen Institutionen, bei denen Stellen genauso finanziert wurden, sei es nicht zu Komplikationen gekommen. „Einflüsse hat es dort nach unserem Wissen nicht gegeben – weder auf die Besetzung oder die Arbeit solcher Professuren.“ Für die FU bestehe „zurzeit kein Anlass, die Kooperation infrage zu stellen“, teilt die FU mit.
Im neuen Lehramtsstudiengang würden „selbstverständlich" auch die Situation Taiwans, Hongkongs, Tibets und Xinjiangs thematisiert, schreibt die FU – und „die Geschehnisse von 1989 in China“. Mit diesen neutralen Worten meint sie offenbar das Massaker an den protestierenden Studenten am Platz des Himmlischen Friedens.
Hinnerk Feldwisch-Drentrup